29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.07.00 Ein Lehrstück über den Umgang der Politik mit deutscher Kultur

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. Juli 2000


Rechtschreibung: Die "Reform" ist geplatzt
Ein Lehrstück über den Umgang der Politik mit deutscher Kultur

Experten schätzen, daß in Deutschland an die vier Millionen Analphabeten leben. Diese beklagenswerte, im Wachsen begriffene Minderheit darf sich dieser Tage glücklich schätzen: Sie bleibt unbehelligt von einer Farce, die den Schreibkundigen das Lachen gefrieren läßt.

Die vor erst zwei Jahren von einem Häufchen Bürokraten und Politikern selbstherrlich erlassene "Rechtschreibreform" ist gescheitert. Jetzt schickt sich die verantwortliche Kommission an, wesentliche, besonders lächerliche Teile des Machwerks höchstoffiziell zurückzunehmen. Ohne die Ratschlüsse dieses restlos kompromitierten Gremiums abzuwarten, erscheint der neue Duden am 25. August bereits mit einer Reihe hausgemachter Rücknahmen der Reform.

Ohnedies haben Nachrichtenagenturen, Verlage und Zeitungen von Anfang an eigene Versionen der neuen Schreibe entwickelt. Eine unüberschaubare Zahl von Hausschreibordnungen wird dem deutschen Leser seitdem serviert. Das Ostpreußenblatt hat, gemeinsam mit einer kleinen Schar von standhaften Medien, die "Reform" von Beginn an ignoriert. Alle großen Tageszeitungsredaktionen sind indes weitgehend mitgezogen und wissen in diesem Moment wahrscheinlich noch nicht, in welcher Orthographie ihr Blatt im September erscheinen wird.

Millionen neu angeschaffter Wörterbücher, Rechnerprogramme, Schulfibeln etc. landen jetzt im Müll, teure Nachschulungskurse waren umsonst. Das schlimmste aber ist: Nach diesem absurden Theater ist die Autorität einer zentralen, einheitlichen Rechtschreibung dahin. Ganz gleich, was irgendeine Kommission jetzt noch ausheckt, von nun an spätestens schreibt jeder wie er will. Damit ist der deutsche Sprachraum ins Mittelalter zurückgefallen. Die bedauernswerten Schüler, denen man wohlfeil erklärt, sie lernten nicht für die Schule sondern fürs Leben, werden bis auf weiteres mit einer Orthographie versorgt, die außerhalb der Lehranstalten nur noch Schmunzeln hervorruft.

Das Ausland klopft sich auf die Schenkel. In Frankreich etwa, wo die eigene Sprache als hohes Kulturgut besonders geachtet und gepflegt wird, mag man kaum glauben, wie die Deutschen das Idiom Schillers und Goethes zerstümpern.

Schuld an dem Fiasko haben die Politiker, die sechzehn Kultusminister nebst Ministerpräsidenten der Länder, parteiübergreifend und allesamt. In Schleswig-Holstein ging Heide Simonis gar soweit, einen Volksentscheid gegen die Reform glattweg zu übergehen: Direkte Demokratie und "Bürgerbeteiligung" ja, aber nur solange die Richtung stimmt, lautete die Kieler Marschrichtung.

Zufall oder Methode: Die Rechtschreibtragödie fiel just in eine Zeit, da Goethe-Institute reihenweise geschlossen wurden. Während andere Länder mit Eifer die Wahrung und Verbreitung ihrer Sprache weltweit vorantreiben, hat es fast den Anschein, als hätten sich in der Bundesrepublik einflußreiche politische Kreise darauf geeinigt, dem Deutschen den Garaus zu machen. In jedem Falle fehlt der sogenannten politischen Elite offenkundig einiges an Respekt vor der Kultur unseres Landes.

Jetzt werden sich "Experten" abermals den Kopf zerbrechen, wie denn nun die Reform der Reform auszusehen hat. Dabei steht der – einzige – Ausweg längst fest: Ohne Wenn und Aber zurück zur alten, bewährten Orthographie. 90 Prozent der Deutschen, so wollen Schätzungen wissen, haben sie ohnehin nie aufgegeben. Doch diese Blamage werden sich die "Fachleute" und Kultusminister in jedem Falle ersparen wollen. Auf Kosten der hundert Millionen Deutschsprachigen werden sie eine weitere Version ausbrüten, die dann im Durcheinander der diversen "Hausorthographien" verpuffen darf.

Rückblickend bleibt die Frage: Wie konnte es eigentlich geschehen, daß ein so wertvolles Gut wie die Schriftsprache ausgerechnet den Kultusministerien anheimgegeben wurde? Haben nicht gerade jene Institutionen in vierzig Jahren Schul- und Universitätsreformerei bewiesen, zu was sie fähig sind? Deutschland, das einst Wissenschaftler und Techniker in alle Welt exportierte, bettelt in Indien um Computerspezialisten. Noch ein paar "Rechtschreibreformen" und wir dürfen den Tag erwarten, da ein Bundeskanzler "Green Cards" an asiatische Deutschlehrer verteilt. Hans Heckel