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29.07.00 Vor 50 Jahren begann der Korea-Krieg

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. Juli 2000


Tod im Land der Morgenstille
Vor 50 Jahren begann der Korea-Krieg
Von Friedrich-Wilhelm Schlomann

Im Fernen Osten war es Sonntag, der 25. Juni 1950 (in Westeuropa zeigte der Kalender noch den 24. Juni an), als um 04.00 Uhr nach einem intensiven Trommelfeuer der nordkoreanischen Artillerie etwa 90 000 Soldaten Pjöngjangs mit Unterstützung von über 100 schweren Panzern und rund 110 Flugzeugen in den Süden Koreas eindrangen. Gewiß hatte der Geheimdienst Seouls bereits Ende 1949 auf eine drohende Invasion hingewiesen, doch kam dieser Kriegsüberfall – zumal ohne jegliche Kriegserklärung – auch für Washington völlig überraschend. In opferreichen Kämpfen wehrten sich die südkoreanischen Streitkräfte, die ohne Panzer und Panzerabwehr, ohne schwere Geschütze sowie praktisch ohne Luftwaffe waren, verzweifelt, doch nach drei Tagen hatte die nordkoreanische Armee die nur 38 Kilometer entfernt liegende Hauptstadt Seoul erobert. Trotzdem behauptet Pjöngjang bis zum heutigen Tage, der Südteil der Halbinsel sei der Angreifer gewesen, die eindeutigen Fakten der damaligen Entwicklung und auch die Tatsache, daß sogar die sowjetische Regierungszeitung "Iswestija" noch am 27. Juni vom nordkoreanischen Einmarsch schrieb, werden dabei verschwiegen.

Diese blutige Entwicklung hatte niemand im Oktober 1897 vorausgesehen, als sich das Königreich Korea zum "Großen Kaiserreich der Han" bekannte und dann während des russisch-japanischen Krieges seine Neutralität erklärte. Trotzdem besetzten die Soldaten Nippons das Land und machten es 1910 zu einem De-facto-Protektorat Tokios; in den Schulen mußten die Kinder Japanisch statt ihrer Muttersprache lernen, und sehr bald gab es keine eigenen koreanischen Zeitungen mehr. Unter dem Eindruck des 14-Punkte-Programms des US-Präsidenten Wilson vom Selbstbestimmungsrecht der Völker kam es dann in Korea 1919 zu Massenerhebungen für nationale Unabhängigkeit; trotz deren Gewaltlosigkeit reagierten die Japaner mit äußerster Härte, die Koreaner durften öffentlich nicht einmal mehr koreanisch sprechen, mußten ihre Namen ablegen und dafür japanisch klingende annehmen!

Auf der Konferenz in Kairo (Ende 1943) beschlossen die Alliierten, diesem leidgeprüften "Land der Morgenstille" wieder die nationale Freiheit zurückzugeben; da US-Präsident Roosevelt die Ansicht vertrat, die Koreaner seien zum Selbstregieren nicht fähig, sollten sie bis "zu einem angemessenen Zeitpunkt" unter alliierte Treuhandregierung gestellt werden. Realitätsfremd war ebenso, erst einen Tag nach dem Abwurf der zweiten Atombombe auf Japan innerhalb von nur 30 Minuten von zwei US-Offizieren einen Plan zur Teilung Koreas auszuarbeiten; nach ihm sollten die Armeen Tokios im Norden vor den sowjetischen Truppen kapitulieren und südlich des 38. Breitengrades vor den US-Streitkräften, die allerdings erst am 8. September 1945 in Korea landeten.

Der Jubel der befreiten Koreaner am "Kwangbokjol" (dem "Tag der Wiedervereinigung") aber verstummte bald. Die zwei Jahre andauernden Verhandlungen zwischen den beiden Besatzungsmächten führten zu keinerlei Resultaten, so daß die USA der Sowjetunion und auch der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 1947 mitteilten, sie wollten die Korea-Frage primär unter die Verantwortung der Uno stellen. Doch obwohl die UN-Kommission für Korea von den Vereinten Nationen beauftragt worden war, freie und geheime Wahlen im gesamten Lande zu überwachen, verweigerte die sowjetische Besatzungsmacht ihr die Einreise über den 38. Breitengrad. Daraufhin sollte sie die Wahlen nur im Südteil kontrollieren. Trotz der Boykott-Aufrufe des Nordens gab es im Mai 1948 dann eine Wahlbeteiligung von immerhin 72 Prozent. Kurz danach schlug Moskau den Abzug der amerikanischen und sowjetischen Truppen aus dem Lande vor. Ende Juni 1949 verließen die letzten US-Soldaten das "Land der Morgenstille"; zurück blieben nur einige Berater sowie eine völlig unzureichend bewaffnete südkoreanische Armee. Die Sowjet-Streitkräfte hatten sich bereits Ende 1948 zurückgezogen, sie hingegen hinterließen eine nordkoreanische Armee von 170 000 Mann mit 242 Panzern vom sowjetischen Typ T 34, mit 2540 Geschützen und 300 Jak-Kampfflugzeugen. Wie damals in Mitteldeutschland war auch in Nord-Korea ein kommunistisches Regime entstanden, dessen Verbindungen mit dem Süden immer mehr eingeengt wurden. Sommer 1948 stellte Pjöngjang sogar den Postaustausch mit Süd-Korea ein.

Das folgende Jahr brachte den Sieg Mao Tse-tungs im chinesischen Bürgerkrieg. Glaubt man den Memoiren Chruschtschows, so konsultierte Kim Il-Sung im gleichen Spätherbst Stalins mit seinem Plan, den Süden Koreas militärisch zu erobern. Hatte dieser anfangs Bedenken, so gelang es dem nordkoreanischen Diktator, ihn bei einem zweiten Treffen von einer dortigen "vorrevolutionären Stimmung" zu überzeugen; angesichts eines siegreichen "Blitzkrieges" Pjöngjangs glaubte auch Stalin – wie ebenfalls Mao – nicht an eine Intervention der Amerikaner. Nicht zuletzt erhoffte er sich wohl einen verstärkten Einfluß der Sowjetunion im strategisch so wichtigen Dreieck China–Korea–Japan. Hinzu kam die Neuorientierung der Sicherheitspolitik Washingtons im Pazifik, bei der nach jener "Acheson-Doktrin" Korea aus dem Schutzbereich und den Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten ausgeklammert wurde. War es eine – natürlich ungewollte – Einladung zum Angriff auf den Südteil?

Der Kriegseintritt Pekings war nur möglich, weil der sowjetische Delegierte damals die Sitzungen boykottierte und damit versäumte, ein Veto einzulegen – was das Zustandekommen solcher Beschlüsse indes nicht hindert. Nur so konnten dann Uno-Einheiten aus 17 Nationen (besonders auch Briten, Belgier, Türken) dem bedrängten Süd-Korea zu Hilfe eilen. Deutschland schickte damals medizinische Unterstützung; Mitte September landeten die Truppen überraschend an der Westküste und eroberten Seoul zurück, erreichten den 38. Breitengrad und verfolgten die nordkoreanischen Truppen bald bis an die chinesische Grenze.

Anfang Oktober wiederum teilte Tschou En-lai mit, sein Land werde in den Krieg mit eigenen Soldaten eingreifen, falls die UN-Einheiten die innerkoreanische Demarkationslinie überschritten. In den USA wurde dies nicht für ernst erachtet; angeblich bemerkte man auch nicht das – allgemein nächtliche – Einsickern von über 250 000 chinesischen "Freiwilligen" nach Korea. Dagegen spricht, daß US-General MacArthur die Jalu-Brücken zerstören wollte, um den chinesischen Streitkräften den Übergang zu erschweren; später wollte er die Volksrepublik sogar bombardieren. In der Sorge, ein militärisches Eingreifen der UdSSR damit zu provozieren, verbot Washington ein solches Vorgehen. Ende November jedenfalls überrannten acht Divisionen Pekings – in einem ebenfalls nicht erklärten Krieg – bei einer Kälte von minus 35 Grad die UN-Truppen. Anfang 1951 fiel Seoul erneut in kommunistische Hände, erst im März konnte es befreit werden.

Über die letzten Motive des chinesischen Eingreifens gibt es unterschiedliche Thesen: Oft heißt es, Mao Tse-tung sei von den Ereignissen überrascht worden und hätte aus Sorge vor einer Offensive der USA gegen sein Land so gehandelt. Dagegen sprechen jene Memoiren Chruschtschows, wonach auch Mao den nordkoreanischen Kriegsüberfall durchaus billigte. Nach einer weiteren Version veranlaßte der Kreml diesen Schritt Pekings, um es letztlich durch den Krieg zu schwächen und so in größere Abhängigkeit zur UdSSR zu bringen; einen gewissen Hinweis dafür lieferte 1964 ein Schreiben der KP Chinas an die sowjetische "Bruderpartei" mit der bitteren Klage, daß sie selbst die sowjetischen Waffen für den Korea-Krieg nicht gratis erhalten habe und China einen hohen Blutzoll bezahlen mußte, während "man in Moskau zugeschaut hätte".

In Japan wiederum wollen seriöse Quellen wissen, Peking habe für sein Eingreifen in jenen Konflikt vom Kreml eine erneute Bestätigung seiner Rechte in der Mandschurei erhalten. Ende Juni 1951 deutete der sowjetische Botschafter Malik in einer Moskauer Radiosendung die Bereitschaft zur Feuereinstellung in Korea an, obwohl Sowjetrußland doch offiziell gar nicht am Krieg beteiligt war! Kurz danach kam es zum ersten Zusammentreffen der beiderseitigen Unterhändler, doch gingen die Kämpfe während der Waffenstillstandsverhandlungen noch zwei Jahre, zwei Wochen und drei Tage unvermindert weiter. Stalins Tod im Frühjahr 1953 mag die Verhandlungen dann vielleicht noch beschleunigt haben. Nach insgesamt 575 Verhandlungsrunden jedenfalls wurde schließlich am 27. Juni 1953 in einer eiligst innerhalb weniger Stunden zusammengehämmerten Baracke im innerkoreanischen Grenzort Panmunjom der Waffenstillstand unterzeichnet. Die Regierung Süd-Koreas akzeptierte ihn zwar, verweigerte jedoch ihre Unterschrift als Geste eines nationalen Protestes gegen die weiterhin andauernde Teilung des Landes. Nicht einmal menschliche Erleichterungen waren garantiert.

Unter der koreanischen Zivilbevölkerung dürften damals rund drei Millionen Menschen ihr Leben verloren haben. Die militärischen Verluste (Gefallene, Verwundete, Vermißte) der Südkoreaner beliefen sich auf 257 000 Soldaten und diejenigen der US-Streitkräfte auf 157 000 – fast ebensoviel, wie sie der Erste Weltkrieg kostete! Die anderen UN-Einheiten hatten rund 14 000 Mann zu beklagen. Nord-Korea hatte 520 000 und China 900 000 Gefallene. Über 129 000 Südkoreaner wurden während der kommunistischen Okkupation ermordet, und weitere rund 84 000 in den Norden Koreas verschleppt. Andererseits flohen etwa 2,5 Millionen Nordkoreaner in den Süden. Wie viele Flüchtlinge damals am Straßenrand starben – wie bei Kriegsende in Deutschland – weiß niemand.

Seoul, viermal verbissen umkämpft, war 1953 zerstörter als Berlin im Mai 1945!

Das Echo im Ausland? Für Moskau war der Korea-Krieg ein für seine Pläne bitterer Test auf die Festigkeit des Westens. Die Volksrepublik China geriet durch ihre Teilnahme am Krieg in einen scharfen Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Hatte die westliche Welt 1945 noch naiv an das Ende aller Kriege geglaubt, so wurde man schnell eines Schlechteren belehrt. Nach anfänglichem Schock begann auch Westeuropa aufzuwachen, die gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen der Nato wurden verstärkt. Im – wie Korea – geteilten Deutschland herrschte Angst vor einem neuen Krieg. Vielerorts kam es zu Hamsterkäufen. Zugleich entstand der Gedanke an eine eigene Bundeswehr. Inzwischen ist ein halbes Jahrhundert vergangen. Geändert indes hat sich die Situation im "Land der Morgenstille" kaum, nur zweimal kam es zu einer Begegnung von in beiden Landesteilen seit 50 Jahren getrennt lebenden Familien – und das auch nur in einer sehr begrenzten Anzahl. Selbst den Postverkehr über den 38. Breitengrad gibt es immer noch nicht wieder.

Jetzt aber, vom 12. bis 14. Juni, trafen der südkoreanische Präsident Kim Dae Jung und das nordkoreanische Staatsoberhaupt Kim Jong-Il sich in Pjöngjang, zweifellos ein Fortschritt, doch werden beide Seiten sehr bald auf – zumindest bisher – unüberbrückbare Gegensätze stoßen: Der Norden verlangt den Abzug der US-Soldaten aus Süd-Korea, während Seoul primär auf die Vernichtung der nordkoreanischen Massenvernichtungswaffen und die Zusammenführung jener getrennten Familien drängt.

Im Laufe der weiteren Verhandlungen ist letztlich aber auch die Schuldfrage am Bruderkrieg 1950 bis 1953 zu klären. Ob Pjöngjang sie eingestehen wird?