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05.08.00 Affäre "Fritz Naphtali" (Teil I): Die verdächtigen Quellen der SPD

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. August 2000


Affäre "Fritz Naphtali" (Teil I): Die verdächtigen Quellen der SPD
Geschah ein Spendenskandal à la Kohl auch bei den Sozialdemokraten?
Von NORBERT HERR

Mit der CDU-Spendenaffäre um Altkanzler Kohl brach für viele Bewunderer des "Kanzlers der Einheit" eine Welt zusammen. Ungeklärte Spenden, dunkle Kanäle, schwarze Konten – ein Albtraum nicht nur für Unionsanhänger.

Die Sozialdemokraten gefielen sich derweil in der Rolle der schockierten Unschuld. "Rückhaltlose Aufklärung" fordernd spielten sie eigene Verfehlungen als Ungeschicklichkeiten herunter. Flugaffäre, ein paar von der WestLB bezahlte Feiern – alles Kleinigkeiten.

Nunmehr jedoch schält sich Schritt für Schritt eine SPD-Spendenaffäre heraus, die alle Zutaten des CDU-Skandals aufweist. Im Zentrum steht die "Fritz-Naphtali-Stiftung"in Tel Aviv, die nach Presseinformationen weder über ein Büro verfügt noch nachprüfbare Projekte aufweist. Dennoch erhielt die Stiftung Geld von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Um es für die SPD zu "waschen"? Der damalige SPD-Schatzmeister Nau, der auch Vorstandsmitglied der mit der Naphtali-Stiftung verbundenen Friedrich-Ebert-Stiftung war, brachte 1982 mehrere Millionen Mark in die Schatzmeisterei, die Spender wollte er nicht nennen (!).Unser Autor entwirft die Chronik einer Geschichte, die auf frappierende Weise an die erst jüngst aufgedeckten Praktiken in der CDU erinnert. H. H.

Die SPD kann beileibe nicht so tun, als habe nur die CDU mit illegalen Spendenpraktiken zu tun und "die Herkunft von Schwarzgeld aufzuklären". Ganz im Gegenteil: Die Höhe der Summen und die Vorgehensweise ähneln sich bei beiden Parteien. Bemerkenswert ist nur ein gespaltenes Wahrnehmungsvermögen der Öffentlichkeit. Während die CDU seit Monaten im Gerede ist, ist es um die Affären der SPD nahezu still. Deswegen der Versuch, einmal zusammenzustellen, was die SPD zu verantworten hat.

Chronologie der Affäre

"Fritz Naphtali"

Handelnde Personen: Walter Hesselbach

Schlüsselfigur: Kuratoriumspräsident der Friedrich-Ebert-Stiftung, Vorstandsvorsitzender der Fritz-Naphtali-Stiftung und Treuhänder von deren Auslandsvermögen sowie Verwaltungsratsvorsitzender der Internationalen Genossenschaftsbank (Ingeba) in Basel/Schweiz.

Günter Grunwald

Schlüsselfigur: war zirka drei Jahrzehnte lang Geschäftsführer der Friedrich-Ebert-Stiftung bis 1986, von 1974 bis 1989 Schatzmeister des "Instituts für Internationale Begegnungen e. V."

Akiva Lewinsky

Kuratoriumspräsident der Fritz-Naphtali-Stiftung.

Alfred Nau

Langjähriger SPD-Schatzmeister (bis 1975), Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung (bis 1983).

Friedrich Halstenberg

Nachfolger Naus als Schatzmeister der SPD.

1982/83

Die Bonner Staatsanwaltschaft beginnt mit Ermittlungen, Vernehmung Hesselbachs. Alfred Nau stirbt, bevor er vernommen werden kann. Der Tel Aviver Rechtsanwalt Henryk Margulies, Vertreter Hesselbachs im "Arbeitsausschuß" zur Führung der laufenden Geschäfte der Fritz-Naphtali-Stiftung, stirbt ebenfalls.

1984

Februar: Jakob Levinson, drittes Mitglied im "Arbeitsausschuß" zur Führung der laufenden Geschäfte der Fritz-Naphtali-Stiftung neben Hesselbach und Grunwald, erschießt sich.

Oktober: Akiva Lewinsky, Kuratoriumspräsident der Fritz-Naphtali-Stiftung, schreibt der Friedrich-Ebert-Stiftung aus Tel Aviv, daß er ihr keine Einsicht in das Baseler Konto der Fritz-Naphtali-Stiftung geben könne, weil dort auch von anderen Seiten Überweisungen eingegangen seien. Etwas später schreibt Akiva Lewinsky an Günter Grunwald, daß eine nachträgliche Abrechnung der Einzelbeträge nicht möglich sei. "Ihr habt dies auch nie verlangt. Die Abwicklung erfolgte treuhänderisch für Euch und außerhalb des ordentlichen Haushaltes der Fritz-Naphtali-Stiftung".

1985

Der "Spiegel" berichtet in Nr. 33/1985 erstmalig über die Affäre.

1986

13. März: Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn reicht über den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen ein Rechtshilfeersuchen an das Bundesamt für Polizeiwesen der Schweiz zur Beschlagnahmung der Nummernkonten 13 365 113 und 14 169 113 der Fritz-Naphtali-Stiftung bei der Ingeba AG in Basel ein. Die Anklage richtet sich gegen Grunwald und Hesselbach wegen Hinterziehung bzw. Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschafts- und Vermögenssteuer zu Gunsten der Friedrich-Ebert-Stiftung in Höhe von elf Millionen Mark sowie wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Einkommens- und Körperschaftssteuern durch Ausstellung unrichtiger Spendenbescheinigung in Höhe von 1,3 Millionen Mark.

13. August: Die Unterlagen der beiden Konten werden nach Beschluß der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, an die das Bundesamt für Polizeiwesen der Schweiz das Ersuchen zum Vollzug gesandt hatte, beschlagnahmt. Der "Spiegel" (28/1986) berichtet ausführlich über die Affäre (mit Ausnahme der Beschlagnahmung der Konten).

14. August/1. September: Die Ingeba AG/die Fritz-Naphtali-Stiftung erheben Rekurs an die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt mit dem Antrag, den Entscheid betreffend Rechtshilfegewährung sowie die Beschlagnahmeverfügung und die Beschlagnahme selber aufzuheben.

1987

27. Oktober: Die Überweisungsbehörde hebt die Beschlagnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft auf und weist das Rechtshilfebegehren der Bonner Staatsanwaltschaft ab. Das Bundesamt für Polizeiwesen der Schweiz erhebt dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor dem Schweizerischen Bundesgericht.

1989

Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGE 115 IB 68): Dem Bundesamt für Polizeiwesen wird recht gegeben und der Entscheid der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt vom 27. Oktober 1987 aufgehoben. Die Beschlagnahmung der Konten und die Rechtshilfe ist damit rechtmäßig.

Wesentliche Zitate aus dem Urteil:

"Bereits diese inhaltlich unwahren Bescheinigungen insgesamt stellen ein für die Steuerbehörden nicht durchschaubares Zusammenwirken verschiedener Steuerpflichtiger mit Dritten dar, was auf eine arglistige Täuschung im Sinne der genannten bundesgerichtlichen Rechtsprechung schließen läßt. Dabei kann offenbleiben, um welche Art von Urkundenfälschung es sich in den einzelnen Fällen handelt."

"(...) daß die Zahlungen der Friedrich-Ebert-Stiftung buchhalterisch nicht erfaßt wurden und daß der wahre Zweck der erfolgten Spenden offenbar über den erfolgten Transfer von der Friedrich-Ebert-Stiftung auf die Konten der Fritz-Naphtali-Stiftung verschleiert werden sollte, so läßt auch dies – bei der sich aufdrängenden gesamtheitlichen Betrachtungsweise hinsichtlich der in Frage stehenden Vorgänge – auf besondere Machenschaften oder auf ein ganzes Lügengebäude und damit auf Arglist im Sinne der aufgezeigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung schließen. Indem die deutschen Steuerbehörden auf diese Weise getäuscht und dadurch Steuern hinterzogen wurden, liegt in objektiver Hinsicht Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG vor."

"Demnach sind die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten als Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran zu qualifizieren."

"Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt gelangte zu Recht zur Auffassung, daß die große Bedeutung der dem Ersuchen zugrundeliegenden Abgabeverkürzung in Millionenhöhe die Rechtshilfeleistung an sich rechtfertigte."

"Bei einem Abgabebetrug an sich, wie er hier einzig zur Diskussion steht, handelt es sich nicht um ein politisches Delikt, sondern um ein Fiskaldelikt, das (als einziges dieser Deliktsart) rechtshilfefähig ist und für das Rechtshilfe geleistet werden muß, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind."

"Zweck der durch verschiedene Unternehmen geleisteten Zahlungen war, für die SPD im Rahmen des Wahlkampfes in einem demokratischen Staat mit möglichst vielen Mitteln eine möglichst gute Ausgangslage zu verschaffen. Der im Zusammenhang mit diesen Zahlungen erfolgte Abgabebetrug konnte nur bewirken, diese Mittel noch zu vergrößern. Der Entscheid darüber, welche Partei wie viele Stimmen erzielen würde, blieb aber dennoch den Wählern vorbehalten." (Dieser letzte Absatz ist interessant für das laufende Wahlprüfungsverfahren in Hessen, in dem gerade behauptet wird, der Wahlausgang sei durch zusätzliche Geldmittel der CDU entschieden worden.)

Es läßt sich nachweisen, daß das Geld auf den Konten der Fritz-Naphtali-Stiftung nicht nach Israel, sondern durch briefliche, telegraphische oder telephonische Order auf weitere Schweizer Konten verschiedener Vereinigungen verteilt wurde. Eine der wichtigsten ist das "Institut für Internationale Begegnungen e. V." mit einem Konto in Zürich. Der Sitz des Instituts ist im Gebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn selbst. Schatzmeister ist von 1974 bis 1989 Günter Grunwald.

Da die Friedrich-Ebert-Stiftung die Verwendung ihrer Mittel nicht zweifelsfrei belegen kann, wird ihr rückwirkend für die Jahre 1975 bis 1982 die Gemeinnützigkeit entzogen. Rund 9 Millionen Mark an Steuern sind nachzuzahlen.

30. Oktober: Rechtsanwalt Rüdiger Herzog, Verteidiger Grunwalds, gibt an, ein Großteil des Geldes sei zwischen 1978 und 1981 den Sozialisten (Parteien und/oder Gewerkschaften) in Spanien und Portugal in bar überbracht worden. Das Geld für die iberischen Sozialisten sei vom Konto (Nr. 40742060) des "Instituts für Internationale Begegnungen e. V." bei der Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich abgehoben worden.

Die Überweisungskette war demnach: Friedrich-Ebert-Stiftung > Konto der Fritz-Naphtali-Stiftung bei der Ingeba in Basel > Verrechnungskonto der Bank für Gemeinwirtschaft, Frankfurt > Konto des "Instituts für Internationale Begegnungen e. V." bei der Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich > Barabhebung durch Günter Grunwald.

Mit der Weiterleitung in bar an die iberischen Sozialisten wäre allenfalls in etwa eine Erklärung für den Verbleib der bei der Fritz-Naphtali-Stiftung im Jahre 1980 nicht verbuchten 6,7 Millionen Mark der Friedrich-Ebert-Stiftung gefunden, für die der Verdacht der Barüberbringung an die SPD bestand.

Das Verfahren mit dem Verdacht, daß die Gelder der Friedrich-Ebert-Stiftung in eine illegale schwarze Kasse der SPD zurückgeflossen sind, wird daraufhin teilweise eingestellt, da es nach Auffassung der Strafverfolger nun nicht mehr möglich sei, den Nachweis dafür zu erbringen. Es wird aber weiter gegen Grunwald und Hesselbach wegen deren Steuerpraktiken ermittelt.

Da, wie wir heute wissen, für die Unterstützung der iberischen Sozialisten Mittel des BND bereitstanden, ist unklar, ob von den zwischen 1975 und 1981 an die Fritz-Naphtali-Stiftung überwiesenen ca. 22 Millionen Mark (ohne Zinsen) nach Abzug der 6,7 Millionen Mark 15,3 Millionen DM übrigblieben oder ob wegen der BND-Mittel das schwarze Vermögen gar noch höher anzusetzen ist.

Das Rätselraten um Kassen, Klüngel und Kanäle ging weiter – bis in unsere Tage. Dazu mehr im nächsten Ostpreußenblatt. (Fortsetzung folgt)

Zeitlicher Ablauf der Spenden an die Friedrich-Ebert-Stifung und Weiterleitung zur Fritz-Naphtali-Stiftung (das meiste auf deren Schweizer Konten). Die Fritz-Naphtali-Stiftung in Tel Aviv selbst ist eigentlich eine Briefkastenfirma.

Spenden an die Weiterleitung auf die

Friedrich-Ebert-Stiftung Schweizer Konten der

Fritz-Naphtali-Stiftung

1975 6 713 384 3 860 000
1976 10 262 926 5 201 000
1977 8 264 270 490 000
1978 8 115 280 2 200 000
1979 8 317 463 2 430 000
1980 10 538 366 6 910 000
1981 4 206 919 850 000
Gesamt 56 418 608 21 941 000

(in der Regel nicht im ordentlichen Haushalt

der Fritz-Naphtali-Stiftung ausgewiesen)

Auffällig: Erhöhung der Überweisungen in die Schweiz in den Bundestagswahljahren (1976 und 1980). In den Geschäftsberichten der Friedrich-Ebert-Stiftung taucht die Fritz-Naphtali-Stiftung 1986 erstmalig auf, nachdem der "Spiegel" die Affäre an die Öffentlichkeit gebracht hat. Es gibt keinen nennenswerten Schrftverkehr zu den Überweisungen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, ebensowenig wie Verwendungsnachweise (auf die Frage des Staatsanwaltes Schütz, warum Vermerke und Unterlagen zu den Finanztransfers fehlten, antwortete Grunwald, dies sei "mit Rücksicht auf das besondere Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel" unterblieben). Quelle: "Spiegel" 28/1986, S. 17–28