25.04.2024

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05.08.00 "Eine Rückkehr ist selbstverständlich"

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. August 2000


"Eine Rückkehr ist selbstverständlich"
Vor 50 Jahren wurde die "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" verkündet

Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Dies sind die wohl bekanntesten Sätze aus der "Charta der deutschen Heimatvertriebenen", die am 5. August 1950 in Stuttgart auf einer Großkundgebung in Gegenwart von Mitgliedern der Bundesregierung, der Kirchen und der Parlamente verkündet wurde. Sie wurde in allen Teilen Deutschlands bestätigt. Die deutschen Vertriebenen setzten damit vor aller Welt ein Zeichen ihrer Versöhnungsbereitschaft.

Die Unterzeichner der Charta forderten Anerkennung und Verwirklichung des "Rechts auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit". Und zumindest in der ersten Zeit standen sie damit auch international nicht allein. Daß die Vertreibung der Deutschen auch von einigen demokratischen polnischen und tschechischen Exilpolitikern scharf kritisiert wurde, ist heute fast vergessen. So wehrte sich noch im Oktober 1944 der Chef der polnischen Exilregierung in London, Stanislaw Mikolajczyk, gegen Churchills Drängen, die polnischen Grenzen in Richtung Oder und Neiße auszudehnen. Und für den nicht-kommunistischen "Tschechischen Nationalausschuß" unterschrieb General Prchala am Vortag der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen ein Übereinkommen mit der "Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen", in dem es heißt: "Beide Teile betrachten die Rückkehr der vertriebenen Sudetendeutschen in ihre Heimat als gerecht und dabei selbstverständlich … Beide Teile lehnen die Anerkennung einer Kollektivschuld und des aus ihr fließenden Rachegedankens ab." Diesem versöhnlichen Tonfall machte der Kalte Krieg den Garaus.

Bald sprach man – nicht nur östlich des Eisernen Vorhangs – beschönigend von "Aussiedlung". Auch der Westen tat sich schwer, war er doch selbst am Abschluß des Potsdamer Abkommens beteiligt. Der Druck auf die Vertriebenen war hoch. Die Alliierten befürchteten die Entstehung einer dauerhaften Quelle politischer Unzufriedenheit im Lande. Eine politisch wirksame Selbstorganisation war in der Zeit der alliierten Besatzung der Westzonen zunächst nicht möglich. So konnten auch die Ostpreußen erst 1948 bis 1950 an die Gründung einer eigenen Landsmannschaft sowie eines eigenen Presseorgans gehen. Die deutschen Vertriebenen stellten im Prinzip schon aufgrund ihrer Zahl ein erhebliches Unruhepotential dar. Daß sie es tatsächlich nicht wurden, sondern sich friedlich integrierten, ist auch auf ihre Charta von 1950 zurückzuführen.

Seither wurde dieses Bekenntnis zum Gewaltverzicht jedes Jahr von den verschiedenen Vertriebenenorganisationen wiederholt. Die Bedeutung einer solchen Erklärung wird deutlich, wenn man bedenkt, wieviele politische Flüchtlingsorganisationen auf der Welt einen solchen Verzicht über lange Zeit nicht geleistet haben. Zu nennen seien etwa die Gruppierungen der Palästinenser, die bewußt jahrzehntelang die Integration in den arabischen Bruderländern verweigerten, um ihr Problem politisch virulent zu halten.

Seit den späten sechziger Jahren hatte man sich insbesondere in der antiparlamentarischen linken politischen Presse – aber nicht nur dort – angewöhnt, von "Berufsvertriebenen" oder gar "Revanchisten" zu sprechen. Daß man dabei nicht selten, absichtlich oder nicht, SED-Vokabular gebrauchte, machte die Nachdenklicheren stutzig. Der Gewaltverzicht der Vertriebenen wurde böswillig und unterschwellig so umgedeutet, als ob ein Recht auf die Heimat nur gewaltsam möglich sei und daß im Umkehrschluß ein Gewaltverzicht gleichzeitig den Verzicht auf das völkerrechtlich verbindliche Heimatrecht für die Ostdeutschen bedeuten müsse.

Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus ihren angestammten Wohngebieten sowie die Tötung von über zwei Millionen Zivilisten bleibt jedoch das Unrecht, als das es die Charta der Heimatvertriebenen gegeißelt hat. Wenn bereits im Potsdamer Abkommen dafür beschönigende Ausdrücke wie "transfer" und "removal" (etwa: "Umzug") gebraucht wurden, dann ist darin schon das Unwort der 90er Jahre "ethnische Säuberung" angelegt. Massenvertreibungen, das ist und bleibt geltendes Völkerrecht, sind Bestandteil der Liste der strafbaren "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Wer diese akzeptiert, stellt sich außerhalb der geltenden völkerrechtlichen Friedensordnung. Das "Recht auf die Heimat", wie es die Charta fordert – auch das Recht auf Rückkehr in die Heimat –, ist daher das wirksamste Mittel für die Verhinderung neuen Unrechts. Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen ist fünfzig Jahre alt und doch ein Dokument von großer Aktualität.

Hans B. v. Sothen