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19.08.00 Zukunft

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. August 2000


Zukunft
Von Peter Fischer

Während die Bundesrepublik in den Fieberwahn einer Rechtsextremistenhatz getrieben wird und eine offenkundig maß-, gesetz- und geistlos gewordene Journaille bereits ihre Leser dazu auffordert, "sich zu bekennen, gegen die Gedankenlosigkeit am Nachbartisch, wenn scheinbar harmlose Witzchen die Runde machen", findet Bayerns Ministerpräsident Stoiber imerhin noch den Mut, "eine nationale Bevölkerungspolitik" zu forden. Zehn Millionen Deutsche wird es in etwa fünf Jahrzehnten weniger geben, was bei einer auswärtigen Zuwanderungsrate von gegenwärtig bis zu 700 000 Menschen pro Jahr zu einer völligen Verschiebung des bisher gewohnten Bevölkerungsgefüges führt.

Diese immer "stärker werdende Schieflage" im Altersaufbau, so Stoiber, birgt ungeahnte Konsequenzen für unser "soziales Netz und die soziale Balance zwischen den Generationen" in sich. Er hätte wohl auch die psychologischen Gegebenheiten erwähnen müssen: denn wenn ein Leichtgläubiger oder leicht Beeinflußbarer seit nunmehr fast einem Jahrhundert ununterbrochen als Angehöriger eines gleichsam verworfenen Volkes bezeichnet wird, schwindet allmählich die Lust zum Zeugen oder Austragen von Kindern. Denn es dürfte kaum ein Geheimnis sein, daß diverse Fachleute ausgewiesene Kenntnisse über die psychologischen Sperrmechanismen, die zu rückläufigen Geburtenzahlen führen, auch und insbesondere in diesem Bereich besitzen, die dann noch mit der Zuwanderungspolitik verkoppelt sind.

Unsere Naschbarn fahren da weit besser: Dänemark etwa weist eine Geburtenrate von 1,8 auf, Frankreich noch geradezu solide zu nennende 1,6 , während unsere Rate bei noch 1,3 liegt, Tendenz fallend.

Fortschrittsoptimisten kommunistischer Provenienz besaßen immerhin noch die Vision, daß die technischen Rationalisierungsprozesse dem Menschen größere Freizeit verschaffen könnten, die letztlich auch den Kindern zugute kommen müsse. Doch deren Träumereien fanden in den Trümmern von Blut und Terror 1989/90 ein verdientes Ende. Wobei umgekehrt freilich in Mitteleuropa die seit dem Kriegsende propagierte "soziale Marktwirtschaft" immer stärker in den Sog bloßer kapitalistischer Wertvorstellung im Sinne von Gewinnoptimierung als dem vermeintlich eigentlichen Ziel allen Fleißes fälschlich in den Mittelpunkt gerät. Durch diesen falschen Stellenwert des Geldes gerät dann folgerichtig die kulturpolitisch inspirierte mitteleuropäische Lebensgestaltung alter Art endgültig in Verruf. Wozu noch die Mühsal mit den Kindern, wenn demnächst der Nachwuchs aus der Retorte kommt, wie gewissenlose Zeitungen verkünden?

Natürlich kann man im Nietzsche-Jahr den Meister mit dem Wort "Nicht hinfort, sondern hinauf sollt Ihr Euch zeugen" anführen, doch dürften just jene Überlegungen in der offiziellen Politik wenig Aufmerksamkeit finden. Um nur die finanzielle Seite zu nehmen: Gerade erst wurde der steuerliche Freibetrag für Kinderbetreuung halbiert, beschert die Steuerreform dem Ledigen tausend Mark mehr als einem Elternteil, reduziert sich das Pro-Kopf-Einkommen eines Paares mit Kind auf 63 Prozent von dem, was Kinderlose haben.

Auch sonst gibt es kaum Überlegungen größeren Stils, die die Familienpolitik prägen. Etwa könnten viele junge Arbeitslose finanziell in ihrem vielleicht bestehenden Kinderwunsch bestärkt werden, was sich auch gesamtpolitisch beispielgebend auswirken dürfte. Kinder in großer Ruhe aufzuziehen wäre zudem angesichts fehlender Arbeitsplätze ein wichtiges Argument. Oder man denke sich nur vier oder fünf wohlüberlegte Fernsehsendungen, die den ernsthaften Ansatz verfolgten, das solidarische Mitgefühl in unserem Volk zu Kindern und Eltern zu wecken. Schon nach der vierten Sendung würde sich das Gerede von gezielter Zuwanderung erübrigen.

Aber die Zeit für große Ansätze scheint noch nicht gegeben. Schon aus der Schwesterpartei heraus stieß Stoibers Forderung auf wenig Gegenliebe. Der CDU-Mann Michel Friedmann fand für Stoibers Tabubruch die Wertung "antiquiert und realitätsfern" und verstieg sich schließlich dazu, daß von Stoiber "immer noch nicht verstanden wurde, daß Deutschlands Zukunft nicht davon abhängt, ob deutsche Eltern deutsche Kinder bekommen." Eine unlogische Faselei. Sekundiert wird Friedmann von der Grünen Kerstin Müller, die Stoibers Anregung kurzerhand eine "un- verantwortliche Deutschtümelei" nennt, während Ludwig Stiegler, ein naßforscher SPD-Genosse aus Bayern, Stoiber unterstellt, er gehöre zu den "geistigen Wegbereitern und Stichwortgebern der rechtsextremistischen Täter".

Womit sich eigentlich der Kreis schließt: diese Republik scheint mit ihrer allein auf parteipolitischer Rechthaberei beruhenden Politik nicht geeignet, die drängenden Nöte unseres Volkes zu lösen. Sie gewährt dem Staat, "dem kältesten aller Ungeheuer" (nochmals Nietzsche), mehr Raum als dem Erhalt des bedrängten und gefährdeten eigenen Volkes.