25.04.2024

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26.08.00 Keine Rücksicht auf Rußland

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. August 2000


Keine Rücksicht auf Rußland 
Die außenpolitischen Konzepte der beiden US-Parteien im Vergleich 
Von Ivan Denes

Die Demokratische Partei spulte ihren Parteitag in Los Angeles nach einem ebenso pedantisch konzipierten Drehbuch ab, wie es die Republikaner zwei Wochen zuvor gemacht haben. Überraschungen gibt es auf den Parteitagen keine mehr, die Wahl des jeweiligen Vizepräsidentenkandidaten wird vor den Parteitagen bekanntgegeben.

Beide Parteien waren sehr bemüht, den Anschein der geschlossenen Ränge nach außen zu projizieren. Bei den Demokraten jedoch waren erhebliche innere Gegensätze nicht zu übersehen. Während Bill Clinton und Al Gore Vertreter des amerikanischen "Liberalismus" sind – in den USA versteht man darunter etwas völlig anderes als hierzulande, in Amerika ist ein "Liberaler" ein radikaler Linker –, ist der Vizepräsidentenkandidat Joseph (Joe) Lieberman, ein bekennender, praktizierender orthodoxer Jude, eher ein Konservativer. So führt er zum Beispiel im Senat seit Jahr und Tag eine Kampagne gegen Pornographie und Gewalt in Film und Fernsehen, während Clinton und Gore Lieblinge der Hollywood-Industrie sind. Lieberman ist kategorisch gegen Abtreibungen, Clinton und Gore sind für die Freigabe der Wahl. Lieberman hat auch in anderen innenpolitischen Fragen abweichende Meinungen, wie etwa in der sehr umstrittenen Frage der sogenannten "vouchers", staatliche Gutscheine für den Besuch von Privatschulen, oder in bezug auf die Todesstrafe.

Der eigentliche Wahlkampf, der sich erst nach den Parteitagen entfesselt, wird sich auf innenpolitische Themen konzentrieren. Dabei können sich die Demokraten mit dem anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung Amerikas brüsten. Die Vereinigten Staaten verzeichnen den längsten Aufschwung der letzten 30 Jahre, mit den niedrig-sten Ar-beitslosenquoten und der schnellsten Wachstumsrate. Daß dies in erster Linie das Verdienst der "Federal Reserve", also der US-Notenbank ist, blieb auf dem Parteikonvent unerwähnt.

Außenpolitik wird in der Auseinandersetzung keine besonders große Rolle spielen. Zwischen den Plänen der Demokraten und denen der Republikaner gibt es unverkennbare Berührungspunkte. Beide Parteien befürworten die Errichtung eines nationalen Raketenabwehrsystems, trotz aller Proteste Rußlands, Chinas und der meisten Nato-Alliierten. Beide Parteien sprechen sich für die Aufrechterhaltung des Iran-Boykotts und der Unterstützung für die moderaten Kräfte des Iran aus. Beide Parteien unterstützen die weitere Expansion des Nordatlantischen Bündnisses und beide stimmen überein, daß "einem dritten Land" – lies: Rußland – diesbezüglich keine Vetorechte eingeräumt werden dürfen. Daraus kann man schlußfolgern, daß die US-Regierung in der nächsten vierjährigen Präsidentenamtszeit den Nato-Beitritt der drei baltischen Republiken vorantreiben wird. Es gibt aber auch deutlich erkennbare Differenzen im Bereich der Außenpolitik. Gore würde zum Beispiel die bisherige Politik des "positiven Engagements in Rußland" der Clinton-Regierung weiterführen, trotz der schon angemeldeten Vorbehalte gegen die Weiterführung des Tschetschenienkrieges und gegen die Haltung Moskaus in der Frage der galoppierenden Korruption. Die Republikaner behaupten, diese Politik ignoriere einfach die wirtschaftlich, sozial und ethisch zerstörerische Wirkung der Korruption. Den Republikanern zufolge dienen die gewährten finanziellen Hilfen lediglich dazu, Präsident Wladimir Putin für die Weiterführung des Tschetschenienkrieges zu belohnen, gleichermaßen für die Unterstützung, die er Slobodan Milosevic und dem Mullah-Regime in Teheran gewährt. Die Demokraten haben gegenüber China eine Politik des "konstruktiven Dialogs" betrieben. Es gibt übrigens zahlreiche Berichte über chinesisches Geld, das in Clintons und Gores zweite Wahlkampagne geflossen sei und diese überaus tolerante Politik mitbestimmt haben soll. Die Republikaner hingegen sind für Sanktionen, wenn China die Abmachungen bezüglich der Rüstungsexportbegrenzungen verletzt, was immer wieder der Fall ist.

Expertenmeinungen zufolge könnte die Außenpolitik nur in dem Falle eine bedeutendere Rolle im Verlaufe der Wahlkampagne gewinnen, wenn es zu neuen Unruhen auf dem Balkan kommen sollte oder wenn etwa China erneut mit einem militärischen Vorstoß gegen Taiwan drohen würde. Dieselben Experten ziehen in Zweifel, daß es dem Wohle zukünftiger amerikanischer Außenpolitik dienen würde, wenn die Kandidaten und die Öffentlichkeit die außenpolitischen Probleme weiter ignorierten und weder der Möglichkeit eines zukünftigen Krisenfalls noch der Führungsrolle Amerikas in der Welt ihre Aufmerksamkeit widmeten.