23.04.2024

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26.08.00 Konnt’st wissen?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. August 2000


Konnt’st wissen?
Von EVA PULTKE-SRADNICK

Welcher in die Jahre gekommene Mann bekommt keine sehnsüchtigen Guckerchen, wenn er etwas von einer "Harley" hört. Ihm ziehen Bilder eines kleines Lebenstraums vorbei. Selbst heute wird er noch bei jeder schweren Maschine stehenbleiben und liebevoll an sein erstes Motorrad denken. Dabei sind das, was man heute oft sieht, Hochleistungsmaschinen mit allen Schikanen. Da können sich selbst Frauen begeistern. Für Erwin aber gehörten Mädchen nur hinten auf den Sozius, so als Trophäe.

Erwin war so etwas wie der Dorfprinz in Klein-Perwikauken. Er konnte nämlich radfahren, Trecker fahren, Milchwagen fahren und jetzt besaß er sogar ein Motorrad. Er hatte es mit viel Liebe und Sachverstand zusammengebastelt, er war nämlich ein begabter Mechaniker. Wenn er dann an den Wochenenden mit seinem abgeschabten braunen Ledermantel und ebensolcher Kappe, mit zugebundenen Hosenbeinen und Schnürschuhen durch die Dörfer brauste, wußten alle Mädchen: Erwin kommt. Natürlich war es klar, daß jede, die hinten auf dem Sozius saß, als seine Braut abgestempelt wurde. Das war nicht immer ein Kompliment, und die Mütter hielten ihn für einen Schaumschläger. Denn Erwins wirkliche Braut würde ewig und immer nur sein Motorrad sein.

Jetzt war Erwin bald dreißig, immer noch ungebunden, und seine Mutter meinte, daß es allmählich Zeit für ihn würde zu heiraten. Er war noch keineswegs abgenutzt, aber die Eltern der Mädchen wünschten ihn sich nicht gerade als Schwiegersohn, schließlich ging er ein bißchen leichtsinnig mit dem Geld um, sprach auch gerne dem Alkohol zu und hatte ein leicht gönnerhaftes Wesen angenommen.

Mit Erwins Einverständnis begann sich die Mutter nun umzusehen. Erwinche war ihr ganzer Stolz, aber sie wußte auch um seine Fehler, hatte sie ihm doch schon so oft aus der Patsche helfen müssen. Wenn also seine Zukünftige ein bißchen Geld haben würde, könnte das nichts schaden. Bald hatte sie auch eine erspäht, Haldermanns Frieda. Na ja, all zu schön würden ihre Enkel nicht werden, aber Friedchens Vater saß behäbig wie der Froschkönig auf einem guten Geldsack. Warum sollte ihr Erwinche ihn nicht davon erlösen? Dieser jedoch winkte entsetzt ab. "Wenn öck mi eene nähm", meinte er, "denn mott de utseene wi utem Schurnoal." Aber nach der nächsten Reparatur, als er sich im Suff samt seinem Motorrad um den Chausseebaum gewickelt hatte, begann er sich die Partie zu überlegen. Denn was nützte ihm eine Hübsche, die ihm sein schwer verdientes Geld verplemperte, wenn ihm eine weniger Schöne eine Schürze voll ins Haus brächte. Er ließ sich also überzeugen und versprach der Mutter, sie sich wenigstens zu bekucken. Die Alten hatten sich vorher schon so ein bißchen bekakelt.

Verwöhnt aber, wie nun der Lauskrät war, hatte dieses kleine Gnuschelchen überhaupt keinen Eindruck auf ihn gemacht. Sie war nicht gerade das Gelbe vom Ei – bis auf das Geld. Sie hatten versucht, sich so ein bißchen zu befrunscheln, aber es verlief ziemlich einseitig. Der alte Haldermann, sie nannten ihn allgemein "Kruschke", begann bald den Braten zu riechen und ließ so nebenbei durchblicken, daß er in Friedas Mitgift ein Auto vorgesehen hatte. Das war natürlich Musik in Erwins Ohren. Was Besseres hätte dem ewig an Geldnot Leidenden nun wirklich nicht passieren können. Wenn auch durch Erfahrung an Bräuten reich, wollte er doch erst mal mit seiner Mutter reden. Sein Vater, der sich wie Erwin für was Erhabeneres hielt, würde sowieso jede Schwiegertochter in so einer Position akzeptieren. "Bring se man moal mött", sagte seine Mutter, "denn kick wie ons de Frieda moal e bätke neejer an. Scheenheit vergeiht", tröstete sie, "oawer so e Hupke Göld ös ok e scheenet Koppkösske."

Nun ja, die Einladung stand fest, und Erwin holte sein Friedchen am Sonnabend mit dem Motorrad ab. Knatternd und mit kreischenden Bremsen zog er eine Ehrenrunde über Haldermanns Hof. Der Schwiegervater in spe verzog mißmutig seinen Mund, aber Erwin winkte beruhigend ab. Er hätte schon alles im Griff. Der Vater ließ sich besänftigen, schließlich würde sein Kind später nur mit dem Auto fahren. Friede hatte sich wunschgemäß einen flatternden Schal umgebunden und kletterte auf den Soziussitz. Sie legte nach Erwins Angaben die Arme um seinen Bauch, und leichte Wonneschauer rieselten über ihren Rücken.

Zuerst langsam, dann auf der Chaussee voll aufdrehend, jagte er los. Perkuleits Hühner flogen vor Schreck wie Tauben durch die Luft und blieben im Lindenbaum hängen, während Winklers Katze, die sich täglich auf der sonnigen Straße räkelte, mit steilem Schwanz auf die Hundebude sprang und Jasper, den alten Hofhund, fast zum Kollaps brachte.

Erwin fuhr wie ’ne Windsbraut, er war von sich selbst wieder begeistert. Frieda sollte es gleich mal erfahren, wo seine Stärken lagen. Einmal in Fahrt, gab es für ihn kein Halten. Seine Maschine und er waren ein Körper. Das laute Geknatter ließ die ganze Familie schon vor der Haustür stehen, um die zukünftige Braut zu begrüßen.

Erwin stieg ab, bockte die Maschine auf, um dann ins Haus zu gehen. Alle schwiegen erschrocken. Endlich gelang es der Mutter zu fragen, wo denn die Friedchen sei, ob sie ihn am Ende nicht hatte haben wollen? Erwin drehte sich um, er war überrascht. "Joa, dat Friedke, wo kunn se bloß gebläwe sönd? Ewend had se doch noch hinde gehuckt? Eck bön doch ganz gemietlich gefoahre … Sulld se vleicht, als eck dorchem grote Lehmkuhl foahr on et so gestukerd had, sulld se doa womäglich awgesprunge sönd? Joa, joa, dat kunn sönd, denn se had ömmer wat geschräje, oawer eck had gemeend, se juucht fär Lost."

Er schmiß sich nun wieder auf sein Rad und jagte los. Und tatsächlich, da huckte Friedchen noch in der Lehmkuhle. Sie hatte sich ordentlich mit Dreck beklätert, auch den Blusenärmel zerrissen, aber sonst war nuscht. Erwin half ihr wieder auf die Beine und wollte sie gleich auf den Sozius setzen. Aber bei ihr war aus mit lustig. "Plins man nich", meinte er tröstend, "später fah ich ja bloß noch Auto." – "So", meinte sie höhnisch, "wenn du eent häst. Mött mi jedenfalls nich, so em ole Dammelskopp wie di kriej öck noch alle Doag tijje (zehn)."

Zum Glück kam das Fuhrwerk vom Damrau, der mußte ja am Kruschke vorbei. Er machte sich seine eigenen Gedanken. Er ließ Frieda auf seinen Wagen aufsteigen, und sie nahm dankbar an. Damrau grübelte … er hatte ja auch zwei Söhne. Konnt’st wissen?