28.03.2024

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26.08.00 Vor 80 Jahren wurde das Memelland von Deutschland abgetrennt

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. August 2000


"Wir gehören zu Deutschland" 
Vor 80 Jahren wurde das Memelland von Deutschland abgetrennt

Für Ostpreußen war 1920 ein Schicksalsjahr. Während sich vor 80 Jahren ein überwältigender Teil der Ostpreußen in den Abstimmungsgebieten Allenstein und Marienwerder für den Verbleib beim Deutschen Reich aussprechen konnte, waren die Bewohner des Memellandes weniger glücklich. Der Artikel 99 des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1919 sah vor, das "Memelgebiet" entlang der Memel und die Kurische Nehrung nördlich Rossitten vom Deutschen Reich abzutrennen. Wie schon in den größten Teilen Westpreußens, Posens und anderen Gebieten, so wurde auch im Memelland unter Bruch des Selbstbestimmungsrechts der Völker keine Volksabstimmung durchgeführt, um den Willen der einheimischen Bevölkerung zu erforschen.

Dabei war das Memelland vor 1920 niemals eine Einheit gewesen. In der Deutschordenszeit gehörten verschiedene Gebiete zu verschiedenen Komtureien. Später, im Königreich Preußen, waren die verschiedenen Kreise Teile verschiedener Regierungsbezirke: Memel-Stadt und -Land von Königsberg und Heydekrug von Gumbinnen, während der 1920 neugebildete Kreis Pogegen vorher zu den ebenfalls zum Regierungsbezirk Gumbinnen gehörigen Kreisen Tilsit-Stadt, -Land und Ragnit gehörte; das südlich der Memel gelegene Karkeln wiederum gehörte bis 1920 zu Heydekrug. Die Kreisgrenzen sprangen seit 1815 zwischen den Ufern der Memel hin und her, und sie hatten sich mehr als einmal geändert.

Am 14. Mai 1919 war beim Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) eine Abordnung aller Parteien aus dem Nordosten Ostpreußens erschienen, von Sozialdemokraten bis zu Konservativen, unter der Leitung des vormaligen Oberpräsidenten Adolf v. Batocki, die versicherte, daß bis zu 90 Prozent der in Frage kommenden Bevölkerung deutsch sei, daß auch die litauische Bevölkerung sich völlig deutsch fühle.

Das sahen die Alliierten naturgemäß anders. Wie bei so vielen Gelegenheiten in jenen Monaten und Jahren, so war auch in der Memelfrage eine enge französisch-polnische Zusammenarbeit zu verzeichnen. Der ursprüngliche französische Plan war gewesen, Litauen unter polnische Oberhoheit zu bringen – und das Memelland geich mit dazu. So ließ man zunächst die Litauer gewähren, in der vagen Hoffnung, diese würden das Werk der polnischen Nationalisten unter Paderewski und Dmowski erledigen.

Am 24. Oktober 1919 nahmen die Memelländer in den Parlamenten offiziell Abschied von Deutschland. Der sozialdemokratische Abgeordnete Matzies sprach für alle Parteien, als er im Preußischen Landtag unter stürmischem Beifall sprach: "Wir danken dem alten Vaterlande für alles, was es uns gegeben! Wir hoffen und wünschen, daß Vernunft und menschliche Einsicht recht bald den Sieg über die ganze Politik der Entente davontragen mögen und eine Revision des Friedensvertrages vorgenommen wird, die uns unser Vaterland wiedergibt. Wir scheiden mit dem Rufe: Deutschland vergiß deine Kinder im Osten nicht! Schmerzlich ist uns der Abschied, niemand wird aber imstande sein, uns das zu nehmen, was die deutsche Mutter uns lehrte. Wir werden deutsche Art und Sitten, Gebräuche und Aufrichtigkeit zu erhalten suchen, denn deutsche Kultur bedeutet auch bei uns Aufstieg der arbeitenden Schichten. Wir scheiden unfreiwillig, aber mit der Hoffnung, daß die Trennung keinen Bestand haben wird. Wir gehören zu Deutschland!"

Noch im April 1919 protestierten 98 Prozent der Bevölkerung des Kreises Heydekrug und 78 derjenigen des Kreises Memel gegen eine Angliederung an Litauen. Der deutsche Reichskommissar Dr. Georg Graf Lambsdorff erhielt inzwischen von der Entente den Auftrag, die Verwaltung des Gebietes zunächst bis zum Eintreffen der alliierten Besatzung weiter zu leiten. Ein Gerücht jagte damals das andere: einmal hieß es, Memel werde britisches Protektorat, dann wieder, es werde polnisch. Und in der Tat hatte man bereits im Januar 1919 einen geplanten polnischen Einfall von der See her abzuwehren.

Am 10. Januar 1920 wurde das Memelland endgültig vom Deutschen Reich abgetrennt. Am 12. Februar verließen die letzten deutschen Truppen das Gebiet. Gleichzeitig liefen britische und französische Torpedoboote ein, am Tag darauf trafen zwei französische Bataillone, aus Deutschland kommend, ein.

Anfang Juli 1920 wurden Paßzwang und Zollgrenze in Richtung Deutschland eingeführt. Damit war die eigentliche Abtrennung besiegelt. Eine eigene Verwaltung, Staatsrat und Landesdirektorium, wurden eingerichtet. Sie blieb im wesentlichen deutsch. Ein späterer Präsident des Landesdirektoriums des Memelgebietes (1932–34), Ottomar Schreiber, wurde 1948 erster Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen. Zwischenzeitlich hatte sich 1922 die übergroße Mehrheit der Bevölkerung für die "zweitbeste Lösung" entschieden, nämlich für einen Memelländischen Freistaat, um nicht zu Litauen geschlagen zu werden.

Diese Lösung wurde 1923 durch die gewaltsame militärische Angliederung des Memellandes an Litauen beendet. Das Gebiet erhielt in der Memelkonvention von 1924 den Status eines "Gebietes unter litauischer Aufsicht". Doch die darin vorgesehene Autonomie unter litauischer Souveränität wurde immer stärker untergraben. Dennoch bestätigten die Landtagswahlen zwischen 1925 und 1935 den deutschen Charakter des Memellandes, das erst 1939 wieder dem Deutschen Reich angegliedert wurde.

Hans B. v. Sothen