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26.08.00 Das historische Kalenderblatt: 25. August 1921

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. August 2000


Das historische Kalenderblatt: 25. August 1921
Der vergessene Friede
Die Annäherung an die USA beendete Deutschlands politische Isolation
Von Philipp Hötensleben

Bei dem Stichwort "Friedensschluß – Erster Weltkrieg" fällt einem sofort der Versailler Vertrag von 1919 ein – jener Diktatfrieden, den die Siegermächte des Ersten Weltkrieges Deutschland aufbürden und der mit seinem berühmt-berüchtigten Artikel 231 Deutschlands Alleinschuld am Ausbruch des Weltkrieges festschreibt und eine der Ursachen für den Ausbruch des nächsten Weltkrieges wird. Vergessen wird dabei ein für Deutschland in den 20er Jahren fast ebenso bedeutsamer Friedensschluß, nämlich der Friedensvertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Deutschen Reich vom 25. August 1921.

Der Erste Weltkrieg macht die USA zum neuen "Superstar" auf der internationalen Bühne und zum größten Gläubigerland der Alten Welt. Den in jeder Hinsicht ausgebluteten europäischen Mächten wird schmerzlich bewußt, daß ohne die Hilfe der Vereinigten Staaten eine wirtschaftliche Erholung Europas und damit auch eine politische Konsolidierung auf absehbare Zeit unmöglich ist.

In wirtschaftlicher Hinsicht zeigen die USA in der Folgezeit zwar erwartungsgemäß ihre Dominanz, politisch aber spielen sie ihre Trumpfkarten nicht aus, sondern halten sich bewußt von Europa mit all seinen Problemen fern. Der in Deutschland teilweise zu Unrecht so geschmähte US-Präsident Woodrow Wilson, von dessen hochfliegendem Vierzehn-Punkte-Plan auf der Versailler Friedenskonferenz nur noch ein Torso übrigbleibt, akzeptiert widerwillig die Bedingungen Frankreichs und Englands. Entgegen seinen Beteuerungen, einen Frieden ohne Sieger und Besiegte zu schaffen, wird Deutschland als alleiniger Verursacher des Weltkrieges abgestempelt.

Der Artikel 231 des Versailler Vertrages bildet das rechtliche Fundament für die ungeheuer hohen Reparationsforderungen der Siegermächte. Wilson nimmt die vornehmlich von Frankreich und Großbritannien vertretene harte Haltung nur in Kauf, weil er sein großes politisches Ziel, die Errichtung eines Völkerbundes, auf keinen Fall gefährden will.

Seine Rückkehr von der Friedenskonferenz wird für ihn allerdings zum politischen Fiasko. Der amerikanische Kongreß lehnt eine Beteiligung der USA am Völkerbund kategorisch ab und verweigert vor allem aus diesem Grunde die Ratifizierung des Versailler Vertragswerkes.

Die nachfolgenden Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt der Republikaner Warren Gamaliel Harding, der unter dem Motto: "Zurück zur Normalität" zu den Wahlen antritt. Dieser Slogan hat deshalb so durchschlagenden Erfolg, weil er die Stimmungslage der kriegsmüden Nation genau trifft. Die amerikanischen Bürger haben genug von dem zurückliegenden schrecklichen Krieg der Alten Welt. Sie wollen nur eines, nämlich endlich wieder ohne Störung ihren Geschäften nachgehen können.

Ohne die Ratifizierung des Versailler Vertrages befinden sich die USA allerdings rechtlich gesehen noch immer im Kriegszustand mit Deutschland. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet nach Ansicht von US-Außenminister Charles Evans Hughes nur ein separater Friedensvertrag. Im Frühjahr 1921 beginnen die bilateralen Verhandlungen. Deutschland wird im Gegensatz zu den Verhandlungen des Versailler Diktatfriedens als gleichberechtigter Verhandlungspartner akzeptiert, was Labsal für das geschundene Selbstvertrauen der besiegten deutschen Nation ist. Die Siegermacht USA reklamiert dabei zwar für sich praktisch alle im Versailler Vertrag verbürgten Rechte gegenüber Deutschland, verzichtet aber ausdrücklich auf Reparationsleistungen und auf die berühmt-berüchtigten Strafbestimmungen des Versailler Vertragswerkes. Letztere sehen zur Verbitterung der Deutschen, neben der Anklage einiger deutscher U-Boot-Kommandanten, auch eine Auslieferung Kaiser Wilhelms II. als Kriegsverbrecher an die Siegermächte vor. Hierzu kommt es jedoch nicht, denn die Niederlande weigern sich, unter Berufung auf das völkerrechtliche Asylrecht, den in Doorn lebenden Kaiser auszuliefern. Auch von ihrer Forderung, einige namhafte deutsche Militärs vor einem alliierten Tribunal anzuklagen, müssen die Siegermächte abrücken. Statt dessen werden vor dem Leipziger Reichsgericht einige wenige Anklagen gegen angeblich deutsche Kriegsverbrecher verhandelt. Die Prozesse enden jedoch, zum Ärger der alliierten Prozeßbeobachter, mit Freisprüchen.

Deutschland stimmt der Übernahme einiger Artikel des Versailler Vertrages in das bilaterale Vertragswerk zu, denn der Friedensvertrag mit den USA bietet die Chance, die Front der ehemaligen Kriegsgegner aufzuweichen, und eröffnet damit auch die Möglichkeit einer Revision des Versailler Vertrages. So treffen sich am 25. August 1921 der amerikanische Geschäftsträger Ellis Loring Drasel und der deutsche Außenminister Friedrich Rosen im Auswärtigen Amt zur Vertragsunterzeichnung. Der ohne förmliches diplomatisches Zeremoniell in knapp zehn Minuten erledigte, nüchterne Akt im Arbeitszimmer des deutschen Außenministers bedeutet die beiderseitige Ziehung eines Schlußstrichs unter die Vergangenheit. Der Separatfrieden ist ein politischer Erfolg für Deutschland. Er beendet die außenpolitische Isolation des infolge des Krieges als Ausgestoßener der Weltgemeinschaft behandelten Landes. Die zuvor noch als "Barbaren" und "Hunnen" geschmähten Deutschen werden wieder als gleichberechtigte Partner akzeptiert. Zugleich setzen die Vereinigten Staaten damit ein sichtbares Zeichen für die Wiederaufnahme Deutschlands in den Kreis der Völkergemeinschaft.