28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.09.00 Der Dämon Inflation

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 09. September 2000


Die Geschichte des Geldes (Teil II):
Der Dämon Inflation
Zweimal verloren die Deutschen ihr gesamtes Erspartes – Die Angst sitzt noch immer tief
Von EDMUND SAWALL

Die deutsche Wirtschaft begann sich nach der überstandenen Hyperinflation von 1923 ebenso wie die Weltwirtschaft zu erholen, und ab 1928 galt der Goldstandard für die Mark als wieder eingeführt. Im Gegensatz zu früheren Konjunkturaufschwüngen blieb das Gesamtpreisniveau bis 1929 relativ stabil.

Der Beginn der Depression von 1929 bis 1933 wird für gewöhnlich mit dem New Yorker Börsenkrach im Oktober/November 1929 in Verbindung gebracht. Das Vertrauen in das Bankensystem schwand rapide, und die Einleger stürmten die Geldinstitute. Zahlreiche Bankenpleiten (1930/31) intensivierten die Deflation, einmal durch die Vernichtung von Buchgeld und den Rückgang von Kreditgewährungen sowie durch ansteigende Arbeitslosigkeit schwindendes Vertrauen und zunehmende Mutlosigkeit. Diese Weltwirtschaftskrise, die in Deutschland die politische Wende einleitete, zeigt abermals, wie sehr Geld mit Psychologie zu tun hat. Es gab eine Phase, in der die politisch definierte Deckungsgrenze mit dem Deckungsmittel Gold unter anderem überdeckt war, das heißt es bestand seitens der Wirtschaft eine geringere Geldmittel-Anforderung, als Deckungsmittel dieses erlaubt hätten. Das und auch die sinkende Zinsbewegung sprechen dafür, daß nicht Mangel an Geldangebot, sondern Geldnachfrage bestanden haben.

Die finanzpolitische Vorbereitung des II. Weltkrieges war zunächst nach der Konsolidierung des deutschen Geld- und Finanzwesens und des wirtschaftlichen Aufschwungs Anfang der dreißiger Jahre eingetreten. In der Phase der Wiederaufrüstung bis 1939 hat sie offiziell rund 90 Milliarden Reichsmark (Hitler in seiner Reichstagsrede vom 1. September 1939) gekostet. Realistischere Angaben gehen allerdings eher von 45 bis 50 Milliarden aus. Im engeren Sinne beginnt die finanzielle Kriegsvorbereitung mit dem "Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939". Damit wurde die Notenbank unmittelbar dem "Führer und Reichskanzler" unterstellt und die Beschränkung der Geldschöpfung durch die Reichsbank zugunsten des Staates aufgehoben. Die beeindruckende "Leichtigkeit" der deutschen Kriegsfinanzierung 1939 bis 1945 war nur möglich durch die unbegrenzte Geldschöpfung bei gleichzeitiger Lohn- und Preisbindung. Während das Haushaltsdefizit des Reiches von 1939 bis 1945 auf zusammen 240,3 Milliarden Mark anstieg. erhöhten sich im gleichen Zeitraum die Reichsschulden von 30,7 Milliarden auf 379,8 Milliarden Reichsmark. Die "geräuscharme" oder auch "lautlose" Kriegsfinanzierung führte zwangsläufig zu einer aufgestauten Inflation, die sich in der Nachkriegszeit entlud und mit der Währungsreform 1948 ihr Ende fand.

Die Inflationsangst der Deutschen hat ihren Ursprung in der mehrmaligen inflationären Vernichtung ihres Geldes und Vermögens, was sich tief in das Bewußtsein des Volkes eingeprägt hat. Die beiden Weltkriege haben uns einige Erfahrungen über Wesen und Handhabung des Geldes gebracht. Geldschöpfung ist nur zu verantworten bei entsprechender Leistungssteigerung und zusätzlicher Güterschöpfung. Geldübertragung ohne Gegenleistung ist nur sehr begrenzt möglich. Das gilt für die Volkswirtschaft wie für die private Einzelwirtschaft. Die politische Parteiparole "Wohlstand für alle" geht von der irrigen Voraussetzung aus, daß alles finanzierbar sei. Wohlstand gibt es auf Dauer und in der Menge aber nur für den Fleißigen und Tüchtigen, für den, der seine wirtschaftliche Verantwortung fühlt und erfüllt. Ihm gebührt Wohlstand, dem Faulen und Untüchtigen muß seine Existenzgarantie genügen. Wie komme ich zu Geld und Wohlstand? Dauerhaft und stabil nur auf dem Wege: Arbeiten und Sparen.

Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Anlehnung an die noch älteren Vorstellungen einer "lateinischen Münzunion" eine Weltwährung auf der Basis einer festen Wertrelation zwischen Gold und Silber für alle Staaten, eine sogenannte Doppelwährung, propagiert. Dazu waren internationale Abkommen mit Aufgabe von Souveränitätsrechten notwendig. Sowohl England wie auch Deutschland lehnten dies mit dem Hinweis ab, daß sie nicht willens seien, ihr Geldwesen durch Angehörige fremder Staaten kontrollieren zu lassen. Damit gab und gibt es kein internationales Währungsgeld. Es wird es auch kaum jemals geben. Einem internationalen Geld müßte in allen zugehörigen Ländern die gesetzliche Zahlungskraft verliehen werden. Man müßte mit ihm in allen diesen Ländern alle Verpflichtungen gegen Staat und Private erfüllen dürfen. Ein Währungsinstitut, einerlei ob Bank oder Regierungsorgan, das solche Vollmacht bekäme, würde zum Herrscher der Welt. Eine undenkbare Sache. Die Währung ist der internationalste Faktor im politischen Leben. Jede Währungsbank ist von der Regierung des Landes abhängig, durch deren Gesetz sie errichtet ist und die ihren Noten die gesetzliche Zahlungskraft im heimischen Bereich verleiht. Die Kreditvergabe ist ohne Notenbank nicht denkbar. Keine Notenbank darf gegen ihre eigene Regierung handeln. Die Regierung ist Herr der Notenbank und kann ihre Kreditpolitik beeinflussen. Die Elastizität des Geldes ist für die wirtschaftliche Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung.

Seit Entdeckung des Geldes als Tausch- und Zahlungsmittel kreisen die Bemühungen um die Geldwertstabilität. Man hat deshalb auch immer versucht, es mit einem realen Wert zu unterlegen. In der herkömmlichen Form ist Geld ein Versprechen, dafür eine Ware oder Dienstleistung zu erhalten. Es hat aber keinen objektiv festen Wert. Legt man die Wertmenge des Geldes zugrunde, die sich heute in der Welt in Umlauf befindet, war die Menschheit noch nie so reich wie in unseren Tagen, und trotzdem hat es nie so viel bitterste Armut und Not gegeben. Der "Wert" des Geldes wird immer im Innenverhältnis, das heißt innerhalb eines nationalen, hoheitlichen Währungsraumes, bestimmt durch die inflationäre Einkommens- und Preisentwicklung und im Außenverhältnis, also gegenüber anderen Währungen durch den Wechselkurs, der seinerseits Ausdruck unterschiedlicher inflationärer Entwicklung ist. Die Wertveränderung vollzieht sich immer im Zeitraum zwischen dem Geldempfang und seiner Verwendung, sprich Zahlung. Daher wird die Laufzeit des Geldes zwischen zwei Geschäftsvorfällen zum entscheidenden Kriterium seines Wertes. Das moderne Papiergeld, die Banknote, unterliegt der Hoheit des Staates. Zwar hat auch der Erfinder des modernen Papiergeldes, der Schotte John Law (1671–1729), eine Art Deckung in der Belastung von Grund und Boden empfohlen, aber die Hauptsicherheit des Papiergeldes sah auch John Law im Vertrauen zur Staatsregierung, die gesetzlich über alle Sicherheiten verfügen kann. Er hatte richtig erkannt, daß Geld, wenn es nicht in handelbarem Metall besteht, eine reine nationale Staatsangelegenheit ist. Das gilt noch heute. Vor dem Krieg behielten die Banknoten ihren Wert in erster Linie dadurch, daß der Staat oder die Notenbank versprach, den ausgegebenen Papiergeldschein jederzeit auf Verlangen in Gold umzuwandeln. Diese Möglichkeit besteht heute nicht mehr. Die vorhandene Goldmenge reicht nicht aus, um den Ersatz des Papiergeldes durch Goldmünzen zu befriedigen. Sie hätte auch früher nie ausgereicht, wenn alle Inhaber von Banknoten diese zum Umtausch in Gold vorgezeigt hätten. Eine solche Möglichkeit aber brauchte man nicht in Rechnung zu stellen. Die Banknote wurde durch das Vertrauen zur Zahlungsfähigkeit des Staates erhalten. International wurde die Goldwährung aufrechterhalten durch die Bereitschaft der Bank von England, nicht nur Gold zu einem festen Preis aufzukaufen, sondern es zu demselben Preis auch jederzeit herzugeben. Wenn später andere Notenbanken auch ihrerseits eine solche Verpflichtung übernahmen, so war es doch das in der ganzen Welt begründete Vertrauen in die Bank von England, welches dem Papiergeld eine gleiche Rolle übertrug wie den Goldmünzen. Dieses Vertrauen ging erst mit dem Ende des II. Weltkrieges, welcher für England den Verlust seines Weltreiches brachte und dem Pfund mit den aufgenommenen amerikanischen Kriegsanleihen die Funktion einer Weltleitwährung nahm, verloren. Dies führte zur Notwendigkeit einer neuen Weltfinanzordnung. Sie wurde 1944 in Bretton Woods, USA, konzipiert.

Die Weltfinanzordnung von Bretton Woods – welche allerdings erst 1946 in Kraft trat und in deren Gefolge der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ins Leben gerufen wurden – hatte zum Ziel, den Welthandel durch ein internationales Währungssystem der festen Wechselkurse abzusichern. Dieses Fixkurssystem war an den US-Dollar gebunden, der seinerseits einem festen, in Gold garantierten Wert entsprach. Dabei konnten die Währungen gegenüber dem US-Dollar in einer Bandbreite von +/- 1 Prozent sowie untereinander von +/- 2 Prozent schwanken. Die Schwäche des Bretton-Woods-Systems bestand darin, daß auf lange Sicht ein Gleichgewicht der bilateralen Außenhandelssalden vorausgesetzt wurde. Die USA nahmen mit ihrem Dollar eine weltweit vorherrschende Stellung im Bretton-Woods-System ein. Sie konnten ohne Rücksicht auf den Wechselkurs ihrer Währung schalten und walten wie sie wollten, das heißt sie konnten eine Wirtschaftspolitik verfolgen, die sich nur an innenpolitischen Überlegungen orientierte, da sie nicht selbst für die Stabilität ihrer Währung zu sorgen hatten. Schließlich führte eine zu expansive amerikanische Wirtschaftspolitik, die eine Dollarschwemme erzeugte, zum Zusammenbruch des Systems. Die USA wandelten sich bis Ende der 60er Jahre von einer "weltweiten Wachstumsmaschine" zu einer "weltweiten Inflationsschleuder". Die internationalen Anleger verloren ihr Vertrauen in den Dollar und wechselten entweder in andere stabilere Währungen oder aber in Gold. So wurde die Bundesrepublik gezwungen, am 4. und 5. Mai 1971 zwei Milliarden US-Dollar gegen D-Mark aufzunehmen, woraufhin sie die weitere Inflation stoppte. Die USA konnten den garantierten Goldkurs schließlich nicht mehr halten und kündigten das System 1973 auf.

Seither haben wir ein System freier Wechselkurse mit partiellen Einschränkungen im europäischen Wirtschaftsraum, das mit Einführung des Euro zu einem fest fixierten Umtauschverhältnis zwischen den teilnehmenden europäischen Währungen geführt hat. Der Goldstandard ist praktisch aus der Diskussion um die Währungssicherheit verschwunden. Er wird von keiner Währung mehr garantiert. Im Gegenteil werden Goldreserven aufgelöst. So beispielsweise die Schweiz. Die Schweizer Notenbank besitzt Goldreserven von 2600 Tonnen, die in ihren Büchern zum historischen Wert von zwölf Milliarden Franken aufgeführt sind. Sie haben heute einen Marktwert von 39 Milliarden Franken. Bisher war gesetzlich vorgeschrieben, daß der Bargeldumlauf zu mindestens 40 Prozent in Gold gedeckt sein muß. Nun haben Nationalrat (Abgeordnetenhaus) und Ständerat (Länderkammer) der Schweiz ein Gesetz verabschiedet, wonach die Goldbindung auch verfassungsrechtlich aufgehoben wurde, und die Schweizer Nationalbank hat damit begonnen, mindestens die Hälfte ihres Goldes, das heißt 1 300 Tonnen, zu veräußern.

(Schluß folgt)