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Die Geschichte des Geldes (Teil III): Wann platzt die Blase?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. September 2000


Die Geschichte des Geldes (Teil III): Wann platzt die Blase?
Die Börsen haben längst abgehoben – Angst vor dem großen "Crash" wächst weltweit
Von EDMUND SAWALL

Seit der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 begann seine Talfahrt zu der US-Währung Dollar ebenso wie zum englischen Pfund Sterling, dem japanischen Yen und Schweizer Franken. Gegenüber dem US-Dollar hat der Euro bereits mehr als 25 Prozent verloren, dabei unterschritt er seit langem die magische Marke von einem Euro zu einem Dollar, zu Beginn dieser Woche rutschte die Einheitswährung gar erstmals unter die Marke von 86 US-Cent.

Seit geraumer Zeit hört man denn auch aus der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der EU-Kommission und den europäischen Regierungen über die Stärke des Euro keine euphorischen Meldungen mehr. Plötzlich heißt es nun: Der Außenwert einer Währung sei gar nicht mehr so entscheidend. Ein niedriger Wert habe sogar den Vorteil, daß der Export dadurch gefördert würde und dies die Wirtschaft ankurbele. Die EZB und Bundesbank verkünden, die Schwäche des Euro sei eine ganz selbstverständliche Folge der bisherigen Stärke der amerikanischen Konjunktur. Daß der Euro gegenüber allen relevanten Auslandswährungen verliert, wird hier geflissentlich übersehen. Sieht man einmal von den Versuchen ab, den Euro gesund zu beten, so bleibt folgende negative Bilanz festzustellen:

– Der wirtschaftliche Aufschwung blieb in den drei größten EU-Ländern Deutschland, Frankreich und Italien flau, und Europas Wettbewerbskraft in der Weltwirtschaft fand keine nachhaltige Stärkung. Im diesjährigen Wachstum der deutschen Wirtschaft (erhofft werden drei Prozent) sehen Experten gar bloß ein Strohfeuer des schwachen Euro.

– Direktinvestitionen deutscher Unternehmen fließen verstärkt ins Ausland, und ausländische Investitionen sind in Europa nach wie vor dünn gesät.

– Die privaten Geldanlagen fliehen aus dem Euro in US-Dollar, Schweizer Franken und britisches Pfund, um vor dem Euro-Verfall in Sicherheit gebracht zu werden.

– Die nötigen Strukturreformen in den Sozialsystemen, den Arbeitsmärkten und der Finanzwirtschaft verlaufen sich im politischen Interessengestrüpp.

– Trotz sozialen Kahlschlages ist eine Erfüllung der Stabilitäts- und Konvergenz-Kriterien nicht wirklich erreichbar.

– Die bisher aus Absatzschwäche resultierende relative Preisstabilität wird zunehmend über die Importe als Folge des hohen US-Dollar-Wertes als Inflation kompensiert. Insbesondere Rohöl, das international in Dollar berechnet wird, verteuert sich so im Euro-Raum überproportional.

Was ist unser Geld noch wert? Die Deutsche Mark hat seit ihrer Einführung 1948 über 70 Prozent ihres Wertes verloren, das heißt, man kann mit einer D-Mark nur noch unter 30 Prozent des damaligen Warenkorbes einkaufen. Die selbstgemachte Inflation resultiert aus einer überdimensionalen Überschuldung des Staates mit einem Geldtransfer an private und institutionelle Empfänger ohne entsprechende Gegenleistung in Waren oder Diensten und (vor allem dieser Tage) aus importierter Inflation durch Wechselkursverluste. Mit einer Zusatzverschuldung der Bundesrepublik alleine seit 1990 von 1049 Milliarden Mark stiegt der Gesamtschuldenberg auf 2383 Milliarden DM Anfang 2000 plus mindestens 700 Milliarden DM nachhaltiger Zahlungsverpflichtungen.

Der Euro kann sich aus seiner Talsole nicht erheben, da sich der Wert eines Geldes immer nach dem schwächsten Glied ausrichten muß – und deren gibt es innerhalb der Währungsunion in Europa mehr als genug, wobei man noch gar nicht an die Osterweiterung denken muß.

Deutlich offenbart sich hier die diabolische Magie des Geldes. Es hat dem Menschen zur fortschrittlichen Wirtschaftsentwicklung verholfen und ihn gleichzeitig zu seinem Sklaven gemacht. Rückfall in den geldlosen Urzustand oder aber moderne Bedarfsbefriedigung durch Geld, das ist die Alternative. Der Zauberlehrling schuf das Geld zu seinem Dienst und wird den dienstbaren Geist nun nicht wieder los. Dieser hat sich zum Herrn gemacht. Geldinflationen hat es zu allen Zeiten gegeben. Sie sind nur in den wenigsten Fällen auf Ereignisse zurückzuführen, die außerhalb der menschlichen Voraussicht und Einflußnahme lagen. In der großen Mehrheit der Fälle aber sind die Inflationen entstanden durch schlechte staatliche Finanzpolitik oder noch häufiger durch Rüstungs- und Kriegskosten, die die steuerlichen Einnahmen überstiegen.

Es gab in der deutschen Geldgeschichte drei grundsätzliche währungspolitische Entscheidungen in Verbindung mit der Integration einer bis dahin selbständigen Währung. Erstens mit der Einführung einer einheitlichen Reichswährung 1873 bis 1909, zweitens beim Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich 1938 und drittens bei der Eingliederung der DDR in das Währungsgebiet der Bundesrepublik Deutschland 1990 (abgesehen von Währungsproblemen in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkrieges). Bei der Währungsumstellung des österreichischen Schillings auf die deutsche Reichsmark verfügte der "Führer und Reichskanzler" einen um fünf Prozent höheren Umrechnungskurs, als es den von der Reichsbank ermittelten realen Werten entsprochen hätte. Er versprach sich davon eine Besserstellung der österreichischen Arbeiterschaft, verletzte dabei aber die Lohn-Preis-Relation der österreichischen Wirtschaft. Die dadurch ausgelösten wirtschaftlichen Ungleichgewichte waren zumindest durch die relative Geringfügigkeit der verfälschten Währungsrelationen nicht schwerwiegend und verliefen sich darüber hinaus im Strudel der anschließenden Kriegsinflation.

Hingegen war die politisch erzwungene Fehlentscheidung der Währungsumstellung der DDR-Mark auf die Deutsche Mark von bis heute wirksamen wirtschaftlichen Folgen. Die von der Regierung Kohl gegen den sachlichen Einspruch der Deutschen Bundesbank zugrunde gelegte Währungsrelation von einer Mark der DDR (bei Guthaben bis 8000 M) und zwei Mark (darüber) zu einer DM West war ein wirtschafts- und finanzpolitisches Vergehen erster Ordnung. Der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl hat die beachtenswerte Konsequenz eines Rücktrittes gezogen, während das Institut Bundesbank die Währungsumstellung mit höchster Professionalität, wenn auch mit aufoktroyierten falschen Kursen, abwickelte. Dies führte zu völlig falschen Preis-Leistungs-(Kosten-)Relationen. Der horrend überbewerteten DDR-Mark standen keinerlei entsprechende Realwerte in Grundstücken und Gebäuden, Produktionsanlagen, Leistungsfähigkeiten, sprich Produktivität oder sonstige Deckungen, gegenüber. Der Zusammenbruch der mitteldeutschen Wirtschaft ist ganz wesentlich auf diese währungspolitische Fehlentscheidung zurückzuführen und hat die Bundesrepublik Deutschland bis heute gezwungen, Hunderte von Milliarden D-Mark an Zuschüssen nachzuschieben, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Auch darin kommt die Magie des Geldes zum Ausdruck. Fehler strafen sich sofort in sich selbst.

Auch Deutschland wurde inzwischen vom Aktien- und Investmentfieber erfaßt. Beinahe täglich werden neue Emissionen aufgelegt. Jede Zeitung, die etwas auf sich hält, druckt seitenlang sinnlose Zahlenkolonnen ab – sinnlos, weil sie in dem Augenblick, in dem der Leser sie mühsam studiert, schon keine Gültigkeit mehr haben. Aktien-, Wertpapier- und Derivatekurse haben die Lottozahlen von Platz eins der Beliebtheitsskala verdrängt. Inzwischen sollen fast zwanzig Prozent der Investitionen direkt oder indirekt in Börsenwerte fließen. Die Börsenspekulation schwankt zwischen Angst und Gier. Dabei bilden sich alle ein, daß die Kursentwicklung ins unendliche weiter steigen wird. Nur die professionellen Geldverwalter hinter ihren umfangreichen Computergraphiken wissen, daß jede Eintrübung die Wende zum Abwärtstrend bedeuten kann.

Dessen ungeachtet legen immer mehr kleine und große Sparer ihre mühsam erworbenen Groschen vor allem in Aktienfonds an. Allein im ersten Halbjahr 2000 flossen den Banken fast 40 Milliarden Mark in ihre Investitionsfonds. Es achtet keiner mehr darauf, daß es mittlerweile nicht mehr aufwärts geht. Es ist aber unvorstellbar viel Geld unter den Leuten, das eine ertragreiche Anlge sucht.

Hinzu kommt das Problem, daß das umlaufende Geldvolumen heute zu etwa 80 Prozent aus reinem Geldkapital und nur zu 20 Prozent aus Realkapital besteht. Die Realinvestitionen haben im Verhältnis zum umlaufenden Gesamtkapital permanent abgenommen, und das Geldkapital, d. h. das Papier- oder Buchgeld, hat sich unverantwortlich erhöht. Dieses Kasino-Geld dient dem Spieltrieb der Spekulation zu allen möglichen Geldanlagen in der Hoffnung, durch steigende Kurse leichte Gewinne erzielen zu können. Im florierenden Derivat-Handel, der wohl spekulativsten Form des Börsen-Geschäfts, indes führt der Gewinn-Verlust-Ausgleich eben automatisch dazu, daß wenn einer einen Gewinn erzielt, ein anderer in gleicher Höhe einen Verlust erleidet. Für denjenigen, der bei einem solchen spekulativen Geldgeschäft einen unerwarteten Verlust verzeichnet, für den er selbst nicht mehr aufkommen kann, weil er auf Kredit gebaut hat, kann dies schon der leichte Windhauch sein, der die Lawine zum Absturz bringt. Darüber hinaus "koppeln sich die Finanzmärkte von der Realwirtschaft ab, was für die Realwirtschaft erhebliche Kosten mit sich bringt". Diese sogenannte "Abkopplungshypothese" führt auch dazu, daß im Falle eines Platzens der Geldkapital-Blase die Realwirtschaft mit in den Strudel gerissen wird.

Spätestens seit Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts haben die Finanzkrisen von Banken, Währungen und ganzen Volkswirtschaften zugenommen. Insbesondere die Bankenkrisen und Wirtschaftszusammenbrüche ganzer Staaten haben sich nachweisbar in erheblichem Umfange erweitert. Bereits 1991 schrieb der Frankfurter Bankier Johann Phillipp von Bethmann: "Überschuldung endet mit Crash. Der Crash besteht weniger aus dem Konkurs der Schuldner, er besteht im wesentlichen aus mehreren Teil-Crashs, aus wiederholten Kurs- und Preisstürzen." Wodurch könnte ein Mega-Crash ausgelöst werden?

1. Durch einen Börsen-Crash, der à la 1929 groß genug ist, um die großen Weltbörsen wie Billardkugeln anzustoßen und damit die weit überhöhten Aktien- und Derivate-kurse in den Abgrund zu stürzen.

2. Durch einen Überschuldungs-Crash, der eine größere Wirtschaftsnation oder -region zum Kippen bringt und von den globalen Finanzsystemen IWF, Weltbank und Bankenkonsortien nicht mehr aufgefangen werden kann.

3. Durch einen Weltwährungs-Crash, der die Währungsspekulationen zum Einsturz bringt und damit das gesamte Währungsgefüge aus den Angeln hebt, womit erhebliche Verluste in der Realwirtschaft entstehen, die den gesamten Welthandel tangieren.

Geld ist ein empfindsame und kapriziöse Braut, die immer anders reagiert, als man erhofft. Es bedarf keiner Kassandra, um zu erkennen, daß unser gegenwärtig leichtfertiger Umgang mit dem Geld früher oder später böse Folgen haben wird.

(Schluß)