26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.10.00 Putin plant "strategisches Dreieck" Moskau–Peking–Neu-Delhi

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Oktober 2000


Asien:
Bündnis gegen die einzige Weltmacht
Putin plant "strategisches Dreieck" Moskau–Peking–Neu-Delhi

Von Hans B. v. Sothen

Von der Weltöffentlichkeit wegen der Ereignisse in Jugoslawien weitgehend unbemerkt, hat vor kurzem Rußlands Präsident Wladimir Putin Indien einen Staatsbesuch abgestattet. Vordergründig ging es vor allem um Waffengeschäfte. Die russische Presse sprach vom "Panzergeschäft des Jahrhunderts". Auf etwa 6,6 Milliarden Mark wird das Volumen angesetzt. Indien ist traditionell stark von russischen Waffensystemen abhängig. Zur Sprache gekommen sind sicher auch die indischen Schulden gegenüber Rußland von etwa zehn Milliarden Dollar.

Doch auch der zunehmende Einfluß der Amerikaner in der Region macht Putin zu schaffen. US-Präsident Clinton war gerade im Frühjahr in Delhi gewesen und hatte dort einen überaus freundlichen Empfang von der Staatsführung und der Presse erlebt. Die wachsende indische Mittelschicht sympathisiert in steigendem Maße mit den USA. In Washington geht man sogar so weit, für Indien die guten Beziehungen zum Verbündeten Pakistan aufs Spiel zu setzen. Moskau ist alarmiert. Denn die Beziehungen Rußlands zu Indien sind traditionell gut. Das war schon unter den Präsidenten Pandit Nehru und Indira Gandhi so. Während des ganzen Kalten Krieges war das Land ein treuer Verbündeter des Kreml. Unter Jelzin wurden diese Achse zum zweitgrößten Land Asiens allerdings stark vernachlässigt.

Der Besuch Putins muß im Zusammenhang mit der Neuorganisation der russischen Diplomatie in Asien gesehen werden, in einem Bereich, der für Moskau von höchster Wichtigkeit ist. In den letzten zehn Jahren hat sich die strategische Position Rußlands in Asien allerdings dramatisch verschlechtert. Denn die USA haben bereits einen breiten Keil vom Schwarzen Meer über Georgien, Aserbai-dschan bis nach Kasachstan und zu den nun unabhängigen Staaten des Mittleren Ostens getrieben. Ölinteressen spielen dabei eine wichtige Rolle. Gleichzeitig schneidet dieser Keil jedoch auch Rußland von den islamischen Staaten und dem indischen Subkontinent ab.

Die arabischen Staaten und Persien, ebenfalls weitere frühere Betätigungsfelder der Russen, sind wegen des Krieges in Tschetschenien und der Parteinahme zugunsten Serbiens gegen die muslimische Bevölkerung Ex-Jugoslawiens etwas zurückhaltend geworden. Dazu kommt, daß von Rußland zur Zeit keine wesentliche Militärhilfe erwartet werden kann. Bleibt außer Indien noch China: Bereits 1998 hatte der damalige russische Ministerpräsident Jewgenij Primakow den Chinesen ein "strategisches Dreieck" zwischen Moskau, Neu-Delhi und Peking vorgeschlagen, war damit bei ihnen allerdings auf taube Ohren gestoßen. Das muß aber nicht für alle Zeit so bleiben. Immer mißtrauischer wird China gegenüber den Amerikanern, die sich ihren Weg mittels McDonald’s und Menschenrechten ins Land der Mitte bahnen wollen.

China verfolgt traditionell eine Politik der globalen Antihegemonie. Zu einer Zeit, in der auch Moskau als Supermacht auftrat, richtete sich diese Politik insbesondere gegen die Sowjets. Dieses globale Gleichgewicht hat sich seit 1989 in rasantem Tempo zugunsten der USA verschoben. Die Vereinigten Staaten, so stellt es inzwischen auch der ehemalige US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski mit einer geradezu brutalen Offenheit fest, sind inzwischen "die einzige Weltmacht". Nicht nur Rußland bekommt das zu spüren.

Gerade deshalb wird möglicherweise Moskaus Klopfen an der Tür Pekings eines Tages erhört werden. Denn auch Chinas Politik ist darauf aus, den alles durchdringenden Einfluß Amerikas zu relativieren. Nicht zuletzt dies war ein Grund für die besonders guten Beziehungen der chinesischen Führung zu Milosevic´s Serbien. Daher wollen auch bis heute die Vermutungen nicht verstummen, die amerikanischen Bomben auf die chinesische Botschaft in Belgrad seien keineswegs ein Zufall gewesen, sondern eine "Warnung" Washingtons an die Chinesen. Kein Zufall ist es da wohl auch, wenn man jetzt hört, Marko Milosevic´, der Sohn des Ex-Präsidenten, führe sein Belgrader Firmenkonglomerat inzwischen von Peking aus weiter. Auf dieser Ebene könnten sich künftig tatsächlich die antiwestlichen Interessen der drei großen Länder Rußland, Indien und China zu einem "strategischen Dreieck" treffen.

Ein Hindernis bleiben sicher die bilateralen Probleme zwischen Indien und China, die vor einigen Jahrzehnten bereits einmal im Himalaya mit Waffengewalt ausgetragen wurden. Und noch heute schwelt das Kaschmir-Problem nicht nur zwischen Indien und Pakistan. Von der Bergregion, auf die Indien Anspruch erhebt, hat sich auch China einen Teil angeeignet. Putin hat sich daher auch für eine Verbesserung des indisch-chinesischen Klimas eingesetzt. Tatsächlich wird ein gutes Einvernehmen Rußlands mit den beiden großen asiatischen Kontinentalmächten künftig von zentraler Bedeutung für Moskau sein.