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21.10.00 Außer Kontrolle geraten

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Oktober 2000


Außer Kontrolle geraten
Jährlich eine Million Einwanderer in die USA /Von Stefan Gellner

"Out-of-control Immigration": Zuwanderung, die aus dem Ruder gelaufen gelaufen ist. So übertitelte der US-Publizist James Goldsborough seinen Beitrag für die jüngste Ausgabe des US-Periodikums "Foreign Affairs" (79/00). Ungeachtet der Tatsache, daß vor fünf Jahren eine Kommission eingesetzt worden sei (die sogenannte "Jordan Commission"), die vorgeschlagen hätte, die legale Zuwanderung in die USA um zwei Drittel zu senken und die illegale Zuwanderung ganz zu unterbinden, hätte die USA heute das höchste Zuwanderungsniveau ihrer gesamten Geschichte erreicht: Mehr als 1,1 Millionen Menschen würden, so Goldsborough, derzeit Jahr für Jahr in die USA einwandern.

Das seien 400 000 mehr als in der Zeit der "großen Zuwanderung" ("Great Migration") in den Jahren 1900–1920. Trotz dieser Rekordzuwanderung verharrt der Kongress in Untätigkeit. Goldsborough erklärt diese Untätigkeit wie folgt: Die Zuwanderungspolitik heute werde von den Interessen der US-Wirtschaft bestimmt, die ständig mehr Arbeiter benötige. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese eine Ausbildung besäßen oder nicht, oder ob sich diese legal oder illegal in den USA aufhalten würden. Der US-Kongress habe die Empfehlungen der Jordan-Kommission augenscheinlich vollkommen vergessen, schlußfolgert Goldsborough. Es gebe im Kongress zwar nur sehr wenige Senatoren, die das Prinzip der "offenen Grenzen" offen unterstützten. Faktisch aber betreibe die USA genau diese Politik. Das Ergebnis sei, daß die beschäftigungsorientierte Zuwanderung um 200 000 Personen jährlich steige. Infolge des Rechts auf Familiennachzug würden weitere 460 000 Zuwanderer jährlich in die USA kommen. Doch damit nicht genug: Weiter kämen 125 000 Flüchtlinge, 300 000 illegale Zuwanderer und 50 000 Zuwanderer, die aufgrund verschiedener Visas (wie z. B. der sogenannten "Green Card") in die USA kämen, hinzu.

Obwohl die US-Wirtschaft diese Massenzuwanderung begrüßen würde, mehrten sich inzwischen die warnenden Stimmen. Diese wiesen darauf hin, daß die unausgebildeten Emigranten ausgebeutet, daß sie sich nicht assimilieren lassen würden wie frühere Einwanderergenerationen und deshalb eine neue Unterschicht von Zuwanderern bilden würden. Die entscheidende Frage aber würde nach Goldsborough lauten: Was geschieht mit diesen vielen Zuwanderern, wenn der derzeitige Wirtschaftsboom in den USA beendet sein wird? Was werde, so gibt Goldsborough zu bedenken, aus den 600 000 jungen ausländischen Ingenieuren, die per Green Card in die USA gekommen seien und deren Verträge in den nächsten drei Jahren auslaufen werden? Deren Verträge liefen zu einer Zeit aus, in der amerikanische Ingenieure, die durch Regierungsprogramme fortgebildet worden sind, erneut nach Beschäftigungsmöglichkeiten suchen würden. Es könne aufgrund von Studien als gesichert gelten, so Goldsborough, daß der Großteil der Green-Card-Ausländer in den USA bleiben würden.

Nur eine Minderheit dürfte nach dem Verlust des Arbeitsplatzes wieder in das jeweilige Heimatland zurückkehren. Robert Bach, Funktionär des Immigration und Naturalization Service (INS): "Wir würden ein neues Wirtschaftswunder schaffen müssen, wenn wir jeden beschäftigen wollten."

Die Stimmung der Amerikaner geht aber in eine ganz andere Richtung. Aufgrund der unkontrollierten Zuwanderung fallen inzwischen die Löhne, steigen die Sozialkosten und die Kriminalität und brechen soziale Konflikte auf. Phänomene, die man auch aus Deutschland kennt. Angesichts dessen kann es nicht weiter verwundern, wenn sich inzwischen zwei Drittel der Amerikaner für einen sofortigen Stopp der illegalen Zuwanderung und eine deutliche Senkung der legalen Zuwanderung aussprechen.

Dies ist leichter gesagt als getan. Der weitgehende Mißerfolg der "Operation Gatekeeper", womit der Versuch gemeint ist, an der Grenze zu Mexiko eine Art "Sperrriegel" zu errichten, zeigt, wie schwer sich die USA tun, ungewollte Zuwanderung zu unterbinden. Mexiko hat kein Interesse, die illegale Immigration in die USA zu unterbinden. Es betrachtet diese nach den Worten von Goldsborough als eine Art "Netz, das zwischen beiden Nationen aufgespannt ist".

In Kalifornien, einem US-Bundesstaat, der in den letzten Jahren ein Drittel der Immigranten aufgenommen hat, droht die Situation inzwischen zu eskalieren. US-Senatorin Dianne Feinstein warnte bereits vor einem "Kultur- und Bevölkerungsharmagedon". Der Anteil der Mexikaner an der Gesamtbevölkerung in Kalifornien hat inzwischen 25 Prozent erreicht. Nach den Worten von Wayne Cornelius, einem Experten für die illegale Immigration aus Mexiko von der San-Diego-Universität in Kalifornien, bestehe in Kalifornien die alles überragende Besorgnis, daß die gegenwärtige Latino-Immigration das ethno-kulturelle Gleichgewicht entscheidend verändern werde. Möglicherweise könnte dies zu einer Krise der nationalen Identität führen, meint Cornelius. Das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" scheint zumindest in der Zuwanderungsfrage seine Grenzen erreicht zu haben.