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28.10.00 Der Deutschunterricht ist gefährdet

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Oktober 2000


Der Deutschunterricht ist gefährdet
Südliches Ostpreußen: Immer weniger Mittel zur Erlernung der Sprache stehen bereit

Die Nachfrage nach Deutschunterricht ist groß in Masuren, bei Deutschen und auch bei Polen. Sie ist sogar so groß, daß sie das Angebot übersteigt. Die Sprachförderung soll ein Schwerpunkt der Berliner Kulturförderung für die deutschen Minderheiten sein. Hehre Ziele dieser Politik sind die Entfaltung kultureller Identität, Integration und die Wiederbelebung von Deutsch als Muttersprache.

Zur Deckung des unmittelbaren Lehrerbedarfs werden deutsche Lehrer als Programmlehrkräfte auch nach Masuren entsandt. Im vergangenen Jahr schickte die deutsche Zentralstelle für das Auslandsschulwesen 136 Lehrer nach Gesamt-Polen, von denen 30 Prozent in deutschen Siedlungsgebieten tätig wurden, die meisten in Schlesien. Nun setzt auch hier der Rotstift an, auf mittlere Sicht soll die Zahl der entsandten Lehrer um ein Drittel sinken.

Das trifft die Deutschen in Masuren, die anders als in Schlesien ja nicht in geschlossenen Siedlungsgebieten wohnen, besonders hart. Hier muß das verbriefte Recht auf erweiterten Deutschunterricht aus Lehrermangel derzeit auf die Mittelpunktschulen Johannisburg, Osterode, das katholische Lyzeum Allenstein sowie das Dönhoff-Lyzeum Nikolaiken beschränkt werden.

Nur dort sind auch deutsche Programmlehrkräfte tätig, die den Schülern den Erwerb des kleinen deutschen Sprachdiploms ermöglichen, der Zulassungsvoraussetzung für ein Studium an deutschen Hochschulen. Nur in wenigen Städten wie Johannisburg, Lötzen und Neidenburg gibt es schon ab der ersten Grundschulklasse Deutschunterricht.

Seit 1992 garantieren polnische Gesetze den Deutschen im Lande das Recht auf erweiterten Deutschunterricht von mehr als fünf Wochenstunden – theoretisch. Praktisch gesehen wurde zum Beginn des neuen Schuljahres ein dramatischer Mangel an Deutschlehrern im Bereich Südostpreußen deutlich.

150 qualifizierte Fremdsprachenlehrer entlassen die Allensteiner Universität und andere Hochschulen in der Region jährlich ins Berufsleben, von denen jedoch nur ein Bruchteil in den Schuldienst gehen. Die meisten frischgebackenen Magister gehen in die gut zahlende freie Wirtschaft, oder sie werden vereidigte Dolmetscher. So haben die polnischen Schulbehörden immer mehr nicht ausreichend qualifizierte Deutschlehrer (ohne das in Polen vorgeschriebene Magisterexamen) einstellen müssen, um dieses Unterrichtsfach überhaupt anbieten zu können. Die meisten dieser Lehrer haben ursprünglich ein ganz anderes Fach studiert, viele unterrichteten früher Russisch, wofür der Bedarf weggeknickt ist. Sie haben lediglich einen Sprachkurs absolviert und verfügen durchschnittlich allenfalls über rudimentäre Deutschkenntnisse.

Einige Deutschlehrer an den kleineren Grundschulen im ländlichen Raum haben keine ausreichende Ausbildung, gab Barbara Chaberek, Bildungsinspektorin der Gemeinde Peitschendorf, Kreis Sensburg, polnischen Journalisten gegenüber zu. Sie habe nichts zu bieten, womit man qualifizierte Lehrer aufs Land locken könnte, klagt sie. Selbst über ehemalige Schüler, die nun vor der Studienaufnahme als Lehrer aushelfen, müsse man froh sein.

Zwar ist das Recht auf Deutschunterricht für die deutsche Volksgruppe gesetzlich verankert, aber vor allem auf dem Land ist eine halbwegs flächendeckende Versorgung mit Deutschunterricht nur mit solchen Ersatzlösungen aufrecht zu erhalten. Das Allensteiner Bildungskuratorium sammelt selbst keine Daten darüber, wie viele Lehrer wo fehlen. Man wisse aber um das Problem, beteuert die zuständige Abteilungsleiterin des Allensteiner Bildungskuratoriums Halina Chorazyczewska der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" gegenüber. Gegenwärtig könne man die ganze Region nur vertrösten, denn selbst für Allenstein suche man fünf Deutschlehrer, bestätigt sie die ganze Misere.

Da kommt für die Landsleute in der Heimat dem außerschulischen Deutschunterricht besonders große Bedeutung zu. Aber auch hier klemmt es. Der Berliner Konzeptionswirrwarr und die Geldverknappung ist für die Landsleute schwer durchschaubar, auch wenn der Danziger Generalkonsul Roland Fournes ein offenes Ohr für den Dachverband der Deutschen Vereine unter Eckart Werner hat.

Derzeit stellt sich die Situation so dar, daß anders als schon befürchtet auch Kinder und Jugendliche wieder am Deutschunterricht der deutschen Vereine teilnehmen können. All diese Sprachkurse müssen, wenn das Auswärtige Amt weiter Fördermittel zuschießen soll, von nun an mit abgestuften Prüfungen enden. Das Kursprogramm soll überall einheitlich 240 Unterrichtsstunden in zwei Jahren umfassen und somit in das zum Erwerb des kleinen Sprachdiploms führende Lehrgangssystem passen. Dieses neue Konzept "Deutsch als Fremdsprache" wurde angelehnt an die Erfahrungen der Goethe-Institute entwickelt und von der deutschen Kultusministerkonferenz abgesegnet.

Auf die besonderen Belange von Menschen, die sich ihre originäre Kultur erst wieder erarbeiten müssen, auf den Zielpunkt, den das Auswärtige Amt selbst postuliert, nämlich die Wiedergewinnung von Deutsch als Muttersprache, wird dabei wenig Rücksicht genommen. Auch ein weiteres von Berlin angepriesenes Ziel der "Minderheitenförderung" wird stillschweigend gekippt. Die Brückenschlagfunktion zur polnischen Bevölkerungsmehrheit scheint vergessen – Polen sollen an den vom Auswärtigen Amt geförderten Deutschkursen nicht mehr teilnehmen, hört man aus dem deutschen Verein "Tannen" in Osterode.  Brigitte Jäger-Dabek