16.04.2024

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04.11.00 Wenn das Wahlgebäude brennt ...

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. November 2000


Wenn das Wahlgebäude brennt ...
Nachwende in Restjugoslawien / Von R. G. Kerschhofer

Schon im vorhinein wußten "alle", daß Milosevic´ die Wahlen nicht gewinnen könne. Und nachher wußten alle sofort, daß die Opposition gesiegt hatte. Und alle wußten, daß Milosevic´ in seine Trickkiste greifen würde. Aber alle wissen auch, daß am Ende immer der Drache tot ist und das Gute siegt: Und so war niemand überrascht, als eine erboste Menge das Parlament anzündete – und als Militär und Polizei die Seiten wechselten.

Der Sieger Kostunica konnte es sich sogar leisten, eine Stichwahl abzulehnen, denn die EU, also Frankreich, hatte ihn bereits zum Präsidenten erkoren. Der französische Außenminister eilte gleich nach Belgrad, um die Finanzhilfe der EU, also der Netto-Zahler, zuzusichern. Zur Aufhebung der Sanktionen waren keine "Weisen" nötig, und beim Biarritz-Gipfel hätten Chirac und Jospin ihren neuen Favoriten am liebsten auf Schultern in den Saal getragen.

Weniger Beachtung fand allerdings, daß das Parlament nicht – wie in solchen Fällen üblich – abbrannte. Und ganz unbeachtet blieb, daß genau jener Gebäudeteil verwüstet wurde, in dem die Wahlkommission untergebracht war! Warum aber wollte das Volk ausgerechnet jene Unterlagen vernichten, die einen Wahlsieg hätten bestätigen können? Oder waren Milosevic´-Leute am Werk? Doch wenn, warum kam dann nicht ein lauter Aufschrei von Kostunicas Schutzmacht? Wir werden es nie erfahren.

Über das weitere Schicksal von Milosevic´ kann man nur spekulieren. Sicherlich war er – ähnlich wie Saddam Hussein – der ideale Mann für die Achse Washington-Tel Aviv: Denn ein Scheusal vom Dienst, das man "bekämpft", aber nicht stürzt, verleiht moralische Überlegenheit und maximiert den Waffenabsatz. Für Rußland war Milosevic´ zunehmend lästig, denn fallenlassen konnte man ihn nicht, während offene Unterstützung die ausländischen Kredite gefährdete. Echt untragbar wurde er aber für Frankreich, das die zusammengebrochene Friedensordnung von 1919 betrauert und irgendeine neojugoslawische Konstruktion zusammenzubasteln trachtet: Mit Milosevic´, dem rotem Tuch für alle Nicht-Serben, wäre das gewiß ein aussichtsloses Unterfangen! (Man tüftelt übrigens bereits an einem neuen Namen, der das belastete "Jugoslawien" ersetzen und eine "Erweiterung" ermöglichen soll.)

Kostunica ist "zwar auch ein Nationalist", aber ein guter. Den Serben verspricht er, keine serbischen Kriegsverbrecher auszuliefern, und dank Chirac wird er das halten können, ohne die deutsche Finanzhilfe zu verlieren. Vermutlich werden die großen Tiere samt Beute ins Exil gehen dürfen, während ein paar kleine Fische von KFOR oder SFOR entführt und nach Den Haag überstellt werden – so können alle das Gesicht wahren.

Das siegreiche Wahlbündnis bleibt ein kunterbunter Haufen, der bald wieder auseinanderfallen dürfte. Daß ausgerechnet Kostunica auf den Schild gehoben wurde, lag daran, daß die meisten anderen "irgendwie belastet" sind. Zoran Djindjic aber, der für den ausländischen Bilderbuch-Konsumenten mit Abstand attraktivste Mann, ist den Serben zu westlich und steht der George Soros Foundation nahe, was Altkommunisten und orthodoxe Antisemiten irritiert.

Den Nachbarn drohen jedenfalls härtere Zeiten, denn von den USA über die EU bis hinunter zur Uno ist man sich mehr denn je einig, daß ethnisch unsaubere Staatsgrenzen bleiben müssen – bis sämtliche Konflikte und Krisenherde "in einem größeren Europa aufgehen" können. Die Kosovo-Albaner haben jetzt, "nach Serbiens Demokratisierung", keinerlei Recht mehr, anders als unter serbischer Hoheit zu leben. In Montenegro genießt zwar Djukanovic die Unterstützung der USA, die den (nur via Groß-Serbien möglichen) russischen Einfluß Richtung Adria abblocken wollen. Die serbische Armee bleibt aber im Land, während die Mafia-Bosse sämtlicher Adria-Anrainer ihre festungsartigen montenegrinischen Landsitze genießen.

Die Kroaten müssen sehr wohl ihre eigenen Leute an Den Haag ausliefern, denn man stand ja schon im Weltkrieg auf der falschen Seite. Und Chirac wird seine große Balkankonferenz von Agram ins nunmehr koschere Belgrad verlegen. – Dem dreieinig geteilten Bosnien wiederum wird die nach Serbien umgelenkte Finanzhilfe fehlen. Umso dichter dürfte der Korruptionsfilz werden, in den längst auch die Besatzungsmächte verstrickt sind.

In Slowenien schließlich herrscht doppelter Frust: Der Nato-Beitritt hat das Land zum bloßen Korridor nach Ungarn degradiert, und auf den EU-Hoffnungen lastet erneut die großjugoslawische Hypothek. Der jüngste Wahl-Sieg der Ex-Kommunisten war also kein Zufall!