28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.11.00 Die deutsche Nation: Sind Österreicher, Schweizer oder Südtiroler auch "Deutsche"?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. November 2000


Die deutsche Nation: Sind Österreicher, Schweizer oder Südtiroler auch "Deutsche"?
Kultur – Sprache – Staat
Von Gerd Schultze-Rhonhof

Eine Gemeinschaft deutscher Staatsangehöriger, die nicht mehr deutsches Volk und deutsche Nation sein will, wird zunehmend ihre innere Bindungsfähigkeit verlieren und damit auch ihre Assimilationskraft einbüßen. Je mehr Zuwanderer kommen, desto mehr sind wir darauf angewiesen, daß diese die Bindungsfähigkeit und Attraktivität unseres Volkes empfinden. Deutsche, die sich nur noch als Staatsangehörige und Mitglieder einer Wirtschafts- und Sozialordnung empfinden, machen Platz für konkurrierende Nebengesellschaften in unserem Land. Zugewanderte Bürger, die sich zumindest räumlich aus ihren Herkunftsländern gelöst haben, suchen in aller Regel nach einer neuen Identität. Wenn die deutsche Identität den Deutschen selbst suspekt oder zumindest unwichtig erscheint, wird sie keinen Zugewanderten verlocken, sich als Deutscher zu fühlen. Wenn wir uns selbst nicht achten, werden uns auch unsere Gäste nicht achten. Sie werden Griechen, Türken und Russen in Deutschland bleiben wollen.

Ohne die Assimilationskraft, die aus der Attraktivität und Beliebtheit des gastgebenden Volkes wächst, werden die Zuwanderer separate Minoritäten in unserem Land bilden, die unseren Kindern und Enkeln noch zu schaffen machen werden.

Das Leugnen der eigenen Nation hat uns in der Vergangenheit fast die Wiedervereinigung gekostet. Es erschwert uns heute das Zusammenwachsen von Ost und West, und es setzt für die Zukunft die Integration der Zuwanderer aufs Spiel.

Nun gibt es neben der politischen Elite gottlob noch das Volk. Das Allensbacher Institut für Demoskopie erforscht seit fünf Jahrzehnten, was das Volk zu diesen Fragen denkt. So hat das Institut belegt, daß die Mehrheit der Westdeutschen den Wunsch nach Wiedervereinigung niemals aufgegeben hat. Dies war auch so, als man in Bonn empfahl, die Staatsbürgerschaft der DDR anzuerkennen und damit ein weiteres ideelles Band zu kappen. Das war auch so, als viele Politiker in Bonn die ausstehende Wiedervereinigung als Sicherheitsrisiko einstuften und sich einzelne dazu verstiegen, sie als "politische Umweltverschmutzung" abzuqualifizieren.

Seit April 1990 befragt das Allensbacher Institut allmonatlich eine repräsentative Anzahl von Bürgern in den alten und den neuen Bundesländern danach, wie sie die Wiedervereinigung empfinden. Die klare Mehrheit in beiden Teilen Deutschlands hält die Wiedervereinigung für einen Grund zur Freude. Die Mehrheit in beiden Teilen äußert bei einer jährlich wiederholten Frage auch, daß sie sich bei persönlichen Begegnungen aus Ost und West gut verstanden haben. Für mich weisen solche Antworten mehr auf eine nationale Verbundenheit hin als darauf, daß die Wiedervereinigung nur das Durchgangstor der Mitteldeutschen zur Europäischen Union gewesen ist. Sie zeigen auch, daß die Vereinigung mehr gewesen ist als nur das Anheben der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Alt-DDR auf Westniveau. Wenn die Deutschen in Ost und West zusammenwachsen wollen und wenn sie möchten, daß sich die Zuwanderer mit der Zeit als Deutsche fühlen, sollten sie sich zu sich selbst bekennen: zum deutschen Volk, zur deutschen Kultur, zur deutschen Geschichte – auch zu der vor 1933 – und zur deutschen Sprache.

Damit bin ich bei der schon aufgeworfenen Frage, ob auch die Österreicher, Schweizer, Italiener und Belgier mit deutscher Muttersprache Deutsche sind. Deutsche Staatsbürger sind sie nicht. Doch sie gehören zum deutschen Kulturkreis. Sind sie nun Deutsche oder nicht?

Sie sind zweifelsfrei das, als was sie sich selbst empfinden. Die deutschsprachigen Schweizer haben sich ihre Unabhängigkeit vom Deutschen Reich 1491 im Schwabenkrieg erstritten und sie 1648 formal erhalten. 500 Jahre Eigenständigkeit haben eine Nation mit eigener Identität geschaffen, und damit ein eigenes Volk. Die Österreicher dagegen waren als deutscher Stamm (ab 1440) mehr als 360 Jahre die Vormacht im Deutschen Reich. Die Gemeinschaft der nichtösterreichischen Deutschen und der österreichischen Deutschen ist erst zerbrochen, als man nach dem Ende des ersten deutschen Kaiserreichs in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein zweites deutsches Kaiserreich schaffen wollte. Die Deutschen außerhalb Österreichs wollten die 41 Millionen nichtdeutschen Habsburger Untertanen nicht mit in ihr neues Reich aufnehmen. Die Deutschen in Österreich wollten sich nicht von diesen 41 Millionen nichtdeutschen Untertanen trennen. So schlossen sich die einen Deutschen unter der Führung Preußens ohne die anderen Deutschen zusammen, und Österreich ging einen eigenen Weg.

Im Jahre 1920 allerdings stimmten die Deutschösterreicher in einer Volksabstimmung für ihre Rückkehr nach Deutschland. Auch die nach dem Ersten Weltkrieg neu gebildete Nationalversammlung in Wien beschloß einstimmig den Anschluß an die neue deutsche Republik. Die Siegermächte jedoch verboten diese Vereinigung. Sie verhinderten auch den Versuch Deutschlands und Österreichs, 1931 eine Zollunion zu bilden. 1938 kam dann die langersehnte Vereinigung. Doch die folgenden sieben Jahre wurden zur gemeinsamen Katastrophe. So bleibt unsere letzte staatliche Gemeinsamkeit unter dem Schatten des verlorenen Krieges, der ermordeten Juden und Zigeuner, der zerstörten Städte und Dörfer und der gefallenen und umgekommenen Soldaten, Frauen und Kinder. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten die Siegermächte wieder für ein Vereinigungsverbot. Beides, das unglückselige letzte Stück der gemeinsamen Geschichte und das Verbot der Siegermächte, haben unseren beiden Ländern getrennte Wege vorgeschrieben.

Die Bürger Österreichs haben seither ihre eigene Identität und ihren eigenen Stolz entwickelt. Ich selbst empfinde sie als unsere nächsten Verwandten. Wieweit sie sich selbst über unsere Sprach-, Geschichts- und Kulturgemeinsamkeiten hinaus als deutsch empfinden, müssen sie selbst beantworten.

Daß man die Deutschschweizer und die Deutschösterreicher bei den unterschiedlichen Wegen, die beide gegangen sind, nicht vergleichen kann, liegt auf der Hand.

Doch damit ist die Frage, ob auch sie Deutsche sind und zu einer wie auch immer definierten deutschen Nation gehören, noch nicht abschließend beantwortet. Ich übernehme die Antwort des Kölner Professors für Staatsrecht, Klaus Stern. Er schreibt in "Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland":

"In der Nation äußert sich nicht nur das Bewußtsein, sondern auch der Wille zur Zusammengehörigkeit."

Das ist es: Wir Deutschen in der Bundesrepublik empfinden uns als Nation, und wir wollen zusammengehören. Wir sind die deutsche Nation.

Die Deutschsprachigen in Österreich empfinden sich inzwischen als eigene Nation, und sie wollen als Österreicher zusammengehören. Sie sind nach eigener Entscheidung die österreichische Nation. Die Deutschsprachigen in der Schweiz empfinden sich seit 500 Jahren als eigene Nation und wollen mit den französisch-, italienisch- und ladinischsprachigen Schweizern zusammengehören. Sie sind die Schweizer Nation.

Damit sind auch die Fragen des Dr. Zöpel beantwortet. Wir sind das deutsche Volk und die deutsche Nation, auch wenn es deutschsprachige Menschen gibt, die sich zu anderen Nationen bekennen. Daß wir Deutschen in unserem Land die Titularnation sind und gleichzeitig über 90 Prozent der Bevölkerung stellen, sollte uns Grund zur Freude sein. Ich kann den Satz eines Deutschen, noch dazu eines Mitglieds der Bundesregierung. "Ich mag die Deutschen nicht", deshalb auch nicht nachempfinden.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe