20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.11.00 "Was ist das für ein Land ..."

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. November 2000


"Was ist das für ein Land ..."
Gedanken zum Volkstrauertag
Von Generalmajor a. D. GERD-H. KOMOSSA

Einmal im Jahr, am Volkstrauertag, treffen sich die Menschen auf den Friedhöfen und vor den Ehrenmalen in den Städten und Dörfern, um der Toten unseres Volkes zu gedenken. Sie werden dabei nicht selten vor Ehrenmalen stehen, die wie am Hamburger Stephansplatz vor dem 76er Denkmal mit der Parole "Deutschland verrecke" wiederholt besudelt wurden.

Wir gedenken der Toten, die zwei Weltkriege gefordert haben, und auch der Toten, die Opfer des Bombenterrors, der Vertreibung und der Teilung waren. Jeder von uns hat einmal einen lieben Menschen verloren, mußte Abschied nehmen. Es gibt kaum eine Familie, die nicht einen Angehörigen im Kriege verloren hat. So hatte jeder auf die eine oder andere Weise die Begegnung mit dem Tode. Aus dieser Begegnung ist in uns die Ehrfurcht entstanden. Die Ehrfurcht vor dem Leben. Die Ehrfurcht vor der Einmaligkeit, der Unwiderruflichkeit, der Gewißheit des Todes. Die Ehrfurcht vor dem Tod als das Ende eines Lebens lange vor seiner Zeit, die Betroffenheit vor dem Einzelschicksal und das Erschrecken bei der nahezu unermeßlichen Zahl der Toten in den Kriegen. Können wir uns heute, trotz vieler Katastrophen der Gegenwart, noch 100 000 Tote in einer Bombennacht vorstellen? Die wohl 90 000 toten Kriegsgefangenen allein nach der Schlacht von Stalingrad?

Wenn wir über einen Friedhof gehen, so tun wir das zum Gedächtnis an unsere Toten, und zugleich wird dies immer auch zum Gespräch mit dem Verstorbenen, um den wir trauern. Wenn wir vor einem Ehrenmal für die Gefallenen stehen, muß dies immer zur geschichtlichen Besinnung werden, zur Begegnung mit der Vergangenheit unseres Volkes. Theodor Heuß sagte einmal beim Nachdenken über den Volkstrauertag, den heute viele in Deutschland abschaffen möchten: "Ein Soldatenfriedhof hat seine eigene Würde. Dort, wo er gehegt wird, bleibt er ein geschichtliches Mal. Er weckt auch seine eigenen Schmerzen. Er weckt die Erinnerung an die letzte unbekannte Ruhestätte". Die Ehrenmale auf unseren Friedhöfen, zumeist als Gedenksteine für die Toten des Ersten Weltkrieges, stehen stellvertretend für zahlreiche Kreuze, die in fernen Ländern unseren Toten gesetzt sind. Sie stehen stellvertretend vor allem für die Gräber in den Weiten des Ostens.

Der Soldat steht am Volkstrauertag mit besonderen Empfindungen vor dem Gedenkstein für die Gefallenen der Kriege. Er denkt an die zwei Millionen Toten des Ersten Weltkrieges und er denkt an die neun Millionen deutschen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg Opfer wurden. Der Tod auf den Schlachtfeldern beider Weltkriege, auf allen Weltmeeren, in den Lazaretten und den Gefangenenlagern war nur ein Teil eines großen Sterbens, ein Teil, der aus dem Gesamtbild nicht herausgelöst werden kann. Der Krieg hat gezeigt, was Gewalt, Unrecht, Unmenschlichkeit und Haß zur Folge haben, Haß, der ideologisch heute gegen "Rechts" begründet wurde oder im übersteigerten Nationalismus wie auch in religiösem Fanatismus seinen Ursprung hat.

Am Tage der Volkstrauer sind wir unseren Toten besonders nahe. Wir sehen sie vor uns, die Soldaten von Verdun, von Tobruck, der Normandie und Stalingrad. Und wir sehen vor uns die in den Trümmern unserer zerbombten Städte Erstickten und Verbrannten, die in den Lagern Erschlagenen und Verhungerten, die auf der Flucht Umgekommenen, in der Ostee Ertrunkenen und all jene, deren Spur verlorenging in den Weiten fremder Länder. Wir sehen vor uns die 1,5 Millionen Vermißten des letzten Krieges.

Sie alle waren Menschen wie wir. Menschen mit den gleichen Tugenden, Schwächen und Sehnsüchten. Menschen, denen nicht vorausgesagt schien, ihr Leben im Kampf zu beenden, in den Sümpfen von Pripjet, vor Moskau und Leningrad oder an einem Scheunentor in Ostpreußen gekreuzigt zu werden. Es waren Menschen, die ihr Leben hingeben mußten und es doch so liebten wie wir unser eigenes. Sie waren ohne Schuld. Die Soldaten der Wehrmacht heute, im nachhinein, als Mörder zu verunglimpfen bedeutet Schädigung des Ansehens von Toten. Doch dafür haben manche Menschen, auch Richter, keine Empfindung.

Wir schulden unseren Toten der Kriege und der deutschen Teilung Dank für ihr Opfer, für ihre große Menschlichkeit, für ihre Liebe. Denn eine größere Menschlichkeit kann es nicht geben, als sein Leben einzusetzen und hinzugeben für seine Brüder. Eine größere Menschlichkeit und Liebe kann es nicht geben, als in oft aussichtsloser Situation sein Leben einzusetzen, damit Frauen und Kinder in den Ostprovinzen ihr Leben durch die Flucht über das Frische Haff und die Ostsee retten konnten. Dies aber taten die deutschen Soldaten, die im Weichselbogen bis zum letzten Tage des Krieges kämpften oder unter Einsatz ihres Lebens unermüdlich mit ihren Schiffen und Booten auf der Ostsee im Einsatz waren, um Menschenleben zu retten.

Wir sollten aber nicht nur der Gefallenen gedenken, sondern auch ihrer Angehörigen, die in ihrem Leiden und ihrer Trauer mittragen an dem Opfer der Toten. Ihnen gebühren unsere Anteilnahme und unser Respekt.

Die Kultur einer Nation läßt sich auch daran messen, wie die Menschen mit ihren Toten umgehen. Schon in der Antike war dies Maßstab für Menschlichkeit. Die deutschen Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben eingesetzt und hingegeben haben in dem Glauben, für unser Land ihre Pflicht erfüllen zu müssen, haben den Krieg zum zweiten Male verloren. Deutschland hat seinen im Zweiten Weltkrieg gefallenen Söhnen keine Denkmäler aufgestellt. In mitteldeutschen Städten, wie in Stralsund vor der Marienkirche, stehen hingegen Ehrenmäler für andere Soldaten mit der Inschrift "Ruhm und Ehre den Helden der Sowjetunion – 1941–945". SPD und Grüne wollen nun neue Denkmäler errichten für den "Deserteur". Wie fügt sich alles im gleichen Geiste zusammen!

Was ist das für ein Land, in dem die Gedenkstätten der Gefallenen des eigenen Volkes mit antinationalen Parolen besudelt werden? Wo der Staat nur Gräber und Gedenkstätten von den Toten anderer Völker und ehemals Verfolgter unter seinen Schutz stellt, obwohl doch das Gedächtnis an die Toten des eigenen Volkes mit der Einführung des Volkstrauertages 1952 gesetzlich verankert ist. So müssen wir, das Volk, die Toten der Kriege und ihre Gedenkstätten in unsere Fürsorge nehmen und in unserem Gedächtnis bewahren.