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13.01.01 Das Jahr der Preußen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Januar 2001


Das Jahr der Preußen
(Hans-Jürgen Mahlitz)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zählte es zu den vorrangigen politischen Zielen der Siegermächte, Preußen zu zerschlagen und für alle Zeiten auszulöschen. Mit "Preußen" meinten sie natürlich nicht nur das Land im Sinne einer staatlichen Organisationsform, sondern alles, was sich mit dem Begriff "Preußentum" inhaltlich verband – oder auch: verbinden ließ, wenn man das unbedingt wollte. "Preußen" wurde gleichgesetzt mit "Stechschritt", "Kadaver-gehorsam", "Militarismus", "Kriegstreiberei", "Wegbereiter der nationalsozialistischen Diktatur".

Nach zwölf Jahren NS-Herrschaft und fast sechs Jahren Krieg herrschten auf Seiten der Kriegsgegner die negativen Empfindungen gegenüber den Deutschen vor. Bis zu einer gewissen Grenze ist das verständlich und nachvollziehbar – aber eben nur bis zu einer gewissen Grenze. Und die ist da zu ziehen, wo nur noch einseitige Schwarz-Weiß-Malerei betrieben wird, wo die Welt – in diesem Falle die Nachkiegswelt – nur noch in absolut Gute und absolut Böse eingeteilt wird, wobei natürlich immer die Sieger die Guten und die Verlierer die Bösen sind. Und da sich diese selektive Weltsicht der breiten Öffentlichkeit am besten verkaufen läßt, indem die "Guten" einen "Bösewicht" namhaft machen, mußte nun Preußen für diese Rolle herhalten.

So inbrünstig auch diese einseitige Sichtweise über Jahrzehnte im In- und Ausland gepflegt wurde – historisch und politisch wurde sie dadurch nicht weniger unhaltbar. Denn die schwerwiegenden Fehler, die 1933 zur (formal immerhin legalen) Machtergreifung durch Hitler und 1939 zum Kriegsausbruch führten, sind ja nicht nur in Deutschland gemacht worden: Die Verträge von Versailles und Saint Germain waren schließlich ein Diktat der Sieger und nicht eine Art Selbstkasteiung der Deutschen und Österreicher. Und die schroffe Abweisung aller vernünftigen, zukunftsorientierten politischen Denkansätze deutscher Politiker der Weimarer Republik, verbunden mit einer rücksichtslosen wirtschaftlichen Ausbeutung der jungen und noch nicht stabilisierten Demokratie in Deutschland – auch dies hatte mit "Preußen" und "Preußentum" ja nun wirklich nichts zu tun!

Im Gegenteil. Einer der bedeutendsten Repräsentanten preußischer Politik und preußischer Staatsphilosophie war zweifellos Otto von Bismarck. Seine außenpolitische Maxime war stets, im Gegner von heute den Partner von morgen zu sehen. Selbst wenn er (was damals ja anders bewertet wurde als heute, im Zeitalter nuklearer Massenvernichtungswaffen) militärische Mittel als "Fortsetzung der Politik" einsetzte, wollte er den Feind zwar besiegen, aber nicht demütigen. Hätte der fürstliche Kanzler sich nicht konsequent an dieses Prinzip gehalten, wäre die Reichsgründung von 1871 nicht zu einem jahrzehntelang anhaltenden Erfolg geraten, möglicherweise sogar überhaupt nicht zustande gekommen.

Auch wenn Historiker zu Recht Vorbehalte gegenüber der Fragestellung "Was wäre gewesen, wenn …?" haben, sei doch die Vermutung gewagt: Wenn die Sieger des Jahres 1918 sich ähnlich verhalten hätten wie 1866 und 1871 der Sieger Bismarck, dann hätten die Nationalsozialisten im jungdemokratischen Nachkriegsdeutschland wohl kaum jene Verhältnisse vorgefunden, die ihnen den Weg an die Macht ebneten. Und wenn die Sieger des Jahres 1945 sich der "preußischen" Maximen Bismarcks erinnert hätten, statt Deutschland zu demütigen und zu zerstückeln, sähe unser Land heute anders aus.

Denn die Teilung Deutschlands, der Verlust der Ostgebiete, Flucht, Vertreibung und Ermordung vieler Millionen Menschen, schließlich die Teil-Wiedervereinigung von West- und Mitteldeutschland mitsamt den bis heute nicht bewältigten, zum größten Teil aus sozialistischer Erblast resultierenden Folgen – das sind doch nicht unvermeidliche Resultate des verlorenen Krieges, sondern auch einer "antipreußischen" Nachkriegspolitik.

Statt "Preußen zu zerschlagen", wäre es sinnvoller gewesen, die Elemente des "Preußentums", die immerhin jahrhundertelang Großartiges bewirkt haben, gerade in der Stunde der größten Not wiederzubeleben. Das gilt übrigens nicht nur für die sogenannte Weltpolitik, sondern genauso für den "inneren" Bereich, für die Entwicklung unserer Gesellschaft.

Wenn wir in diesen Tagen den 300. Jahrestag der Krönung des ersten preußischen Königs – am 18. Januar 1701 in Königsberg – feiern, dann sollten wir uns und andere vor allem daran erinnern, was "Preußen" wirklich war: ein Land der Toleranz, der Re-ligionsfreiheit, der Bürgerrechte, der Wissenschaft und Forschung, der weltoffenen Kultur, aber auch der straff-effektvollen Verwaltung, der Rechtssicherheit für jedermann der Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten und der Wehrhaftigkeit gegenüber inneren und äußeren Feinden. Noch ist es nicht zu spät, diesen Tugenden wieder den ihnen gebührenden Platz in unserem täglichen Leben zu verschaffen.