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20.01.01 Friedrich I. – von der Geschichte schlecht behandelt

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Januar 2001


Gedanken zur Zeit:
Friedrich I. – von der Geschichte schlecht behandelt
Erinnerungen an den vor 300 Jahren in Königsberg gekrönten ersten Preußen-König
von Rüdiger Goldmann  

Friedrich I., König in Preußen, ist Königsberg, der alten Hauptstadt des Herzogtums Preußen, in doppelter Weise verbunden: Er wird dort 1657 als Sohn Luise Henriettes von Oranien und ihres Mannes, des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen (des Großen Kurfürsten) geboren und krönt sich in der Schloßkapelle der alten Ordensstadt am 18. Januar 1701 zum König in Preußen. Daran und an seinem Leben ist so manches merkwürdig, aber außer diesem Ereignis – das der Universalgelehrte G. W. Leibniz "eine große Zeitbegebenheit" genannt hat – ist wenig bekannt, und auch dieser Vorgang ist der auffrischenden Erinnerung wert.

Sebastian Haffner hat auf die schlechte Behandlung dieses Königs in der preußisch-deutschen Geschichtsschreibung hingewiesen. Dies zeigt sich auch heute noch in knappen Ausführungen über ihn, zum Beispiel im recht voluminösen Handbuch der Europäischen Geschichte, in dem er auf einer halben Seite im wahrsten Sinne "abgehandelt" wird.

Auch die wenig liebenswürdige und allzu anatomisch bestimmte Titulierung als "schiefer Fritz", in der er auch in der Genealogie des Preußen-Museums in Wesel wieder erscheint – es handelt sich dabei um eine Berliner Spottbezeichnung –, ist kaum geeignet, seine Leistungen zu würdigen. Seine Nachfolger verdunkelten durch ihre Politik und ihre sehr gegensätzliche Lebensweise sein Bild in der Geschichte, und Friedrich der II., der Große, traf gar das Urteil: "Er war groß im Kleinen und klein im Großen".

Seine "eigentliche Großtat" (Haffner) war der Erwerb des Königstitels, ohne kriegerischen Waffenruhm – durch diplomatische Verhandlungen, die Gunst der Zeit und die Not Kaiser Leopolds nutzend, der für seine Kriege gegen Frankreich im spanischen Erbfolgekrieg und gegen die Türken die schon bewährten preußischen Soldaten benötigte.

Die Krone gestand ihm der Habsburger nach langem Zögern nach dem alten Grundsatz: "Do, ut des" zu – er wollte keinen neuen "König der Vandalen" –, aber nur außerhalb des Reichsgebietes, wo der Brandenburger seit 1660 souverän war. Westpreußen unterstand nämlich damals noch der polnischen Krone (August der Starke von Sachsen). Der brandenburgisch-habsburgische Vertrag wurde am 16. November 1700 abgeschlossen, die Nachricht traf Ende November in Berlin ein, und daraufhin begab sich im Januar ein riesiger Zug in vier Abteilungen nach Königsberg, wo man nach zwölf Tagen eintraf.

Mit großem Pomp und hohem finanziellen Aufwand beging man die Krönungsfeierlichkeiten, die Krönung führte Friedrich selbst in der Schloßkirche mit eigenen Händen durch, krönte Sophie Charlotte ebenfalls in ihren Gemächern, ergriff Szepter und Reichsapfel und ließ sich vom Oberhofprediger salben (unter anderem dargestellt auf einem Gemälde von Werner 1890, Haus Doorn, Holland).

Die Juwelen in der Krone (leider verschollen) wurden durch den Hofjuden Liegmann in Venedig gekauft und kosteten 180000 Taler, die Diamantknöpfe des Krönungsmantels pro Stück 1000 Taler. Das Szepter – vielleicht auch nur der große Rubin -– war ein Geschenk von Zar Peter dem Großen.

Für die Bevölkerung gab es Ochsen am Spieß, die Königsberger Brunnen spendeten Wein, Tausende Taler wurden in die Menge geworfen. In den umliegenden Wäldern jagte man Wisent, Bär und Wolf, und der König erließ eine Amnestie für Gefangene mit kleineren Verbrechen.

Erst im Mai des Jahres zog der Hof im Triumph à la Caesar mit 63 Karossen in Berlin ein, vom Volk in festlich geschmückten Straßen freundlich empfangen. Die neue Würde und die Festlichkeiten bescherten den Einwohnern eine Kronsteuer von 500 000 Talern.

"Wir, Friedrich von Gottes Gnaden, König in Preußen, Markgraf zu Brandenburg, des Hl. Römischen Reiches, Erz-Cämmerer und Churfürst, Souveräner Prinz von Oranien, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern ... der Marck, Ravensberg ..." konnte er sich nun nennen. Nur Papst Clemens X. und der Deutsche Ritterorden protestierten und blieben bis 1787 beim "Marchese die Brandenburgo". Ja der Papst ließ abschätzig verlauten, "einem solchen Menschen die königlichen Ehren zu erweisen, hieße dem Teufel die Hand reichen." Auch das Königreich Polen zögerte noch einige Jahrzehnte mit der Anerkennung.

Friedrich I. wurde ein teurer König: 30 000 Soldaten kämpften für Hilfsgelder – die ab und zu ausblieben – im Spanischen Erbfolgekrieg. Der Hohenzoller vermied jedoch das Wagnis eines Bündnisses zum Beispiel mit Rußland gegen Schweden.

Der neue Rang hatte seinen Preis: Alles mußte nach französischem Vorbild im Überfluß vorhanden sein – vom Schokoladenaufbereiter bis zur Hofwehmutter. Zahllose Feste, teure Geschenke für Besucher und Hofbedienstete, Lustschiffe auf Spree und Havel, rund 25 Schlösser in und um Berlin (von Oranienburg über Glienicke bis Niederschönhausen) mußten ausgebaut und unterhalten werden. Einige wie Schloß Rosenthal ließ der Nachfolger bis zum Abriß verkommen. Auch der Musenhof von Sophie Charlotte auf Schloß Lietzenburg – später nach der Königin Charlottenburg genannt –, der Umbau des Berliner Stadtschlosses durch Andreas Schlüter, dem dabei ein schrecklicher Baufehler unterlief, hatten ihren Preis.

Hinzu kamen so verdienstvolle Gründungen wie die der Sozietät der Wissenschaften, der Akademie der Künste, der Universität Halle sowie zahlreicher Schulen, unter anderem in jedem Dorf des etwas zurückgebliebenen Hinterpommern.

Vermeidbare Belastungen vielfältiger Art entstanden durch die königlichen Mißgriffe bei der Berufung von Ministern. Mit alldem war das noch vergleichsweise arme Land mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern auf 110 000 Quadratkilometer überfordert, obwohl der König die Peuplierung seines Vaters (der Gr. Kurfürst hatte 1685 durch das Edikt von Potsdam 20 000 Hugenotten aufgenommen) noch in bescheidenerem Ausmaß fortsetzte.

Drei Merkwürdigkeiten am Rande: sein Verhältnis zu Sophie Charlotte, einer intelligenten und schönen Frau, die schon mit 37 Jahren verstarb, war nicht das beste. Sie ertrug es gerade, wenn er ihr sein Bettzeug als Zeichen seines Besuches nach Charlottenburg voraussandte. Sie erhielt ein pompöses Begräbnis. Nach ihrem Tod ging er wieder eine – noch unglücklichere Verbindung ein.

Er brachte es auch zu einer besonderen preußischen Erfindung, einer Renommier-Maitresse, der maitresse en titre, namens Katharina von Wartenberg, deren Mann ein übler Intrigant war, der schließlich sein Amt aufgeben mußte und unter Mitnahme einer riesigen Geldsumme nach Frankfurt/Main verzog.

Auch ein angeblich italienischer Graf trieb als Goldmacher eine Zeit lang sein Unwesen, betrog den König in schamloser Weise und endete am Galgen.

Die Verschwendungs- und Prunksucht führte zur Mißwirtschaft: zu hohen Steuern, die von rücksichtslosen Steuerpächtern eingetrieben wurden, keine Hilfe beim Ausbruch der Pest in Ostpreußen (1708 bis 1710), die 200 00 Menschen dahinraffte (30 Prozent). Stattdessen hortete er in den Kellern des Berliner Schlosses riesige Schätze.

Zwölf Jahre nach seiner Krönung starb der erste König Preußens und hinterließ seinem Sohn Friedrich Wilhelm I., der schon lange auf die Nachfolge – wenn auch mit zweifelhaftem Erfolg –vorbereitet worden war, einen aufgeblähten Hofstaat und viele Schulden.

Friedrich I. erreichte politisch keine Gleichberechtigung mit den anderen großen Staaten Europas. Er schuf jedoch die Grundlage für die künftige Größe Preußens. Seinem eigenen Wahlspruch: Suum cuique – Jedem das Seine – konnte er nicht gerecht werden. Unter seinen Ministern kann nur das Wirken des Westfalen Eberhard von Danckelmann positiv bewertet werden, und diesem wurde es schlecht gedankt. Friedrich war ein Barockfürst, empfand sich aber aus calvinistischem Geiste als Diener seines Staates. Berlin machte er zum Spree-Athen, Sophie Charlotte strahlt noch heute mit ihrem Musenhof Charlottenburg.

Mit der Königswürde verband er die weit auseinanderliegenden Territorien von Ostfriesland bis Königsberg zu einem Staat. Das damit entstehende preußische Staatsbewußtsein ist zweifellos auch sein Verdienst.