20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.01.01 Auch Westalliierte verletzten Haager Landkriegsordnung (Teil II)

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Januar 2001


Beutekunst:
Über Amerikaner spricht man nicht
Auch Westalliierte verletzten Haager Landkriegsordnung (Teil II)
Von HANS-JOACHIM v. LEESEN 

Von den 3500 archäologischen Fundstücken aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, unersetzliche Dokumente der europäischen Geschichte, fanden die Sowjets in Kisten 1500 im Flak-Turm, darunter der "Schatz von Troja", den Schliemann gefunden hatte und der heute in Rußland als "Beute" auf seine Rückkehr nach Deutschland wartet. Wo sind die übrigen 2000 Objekte?

Die Skulpturen-Galerie vermittelte einen Überblick über die Bildhauerkunst vom 9. bis zum 19. Jahrhundert. Ein Teil davon ist tatsächlich, da nachweislich im Flak-Bunker, verbrannt, ein Teil wurde von der Sowjetunion an die DDR zurückgegeben. Die wichtigsten Skulpturen aber fehlen.

Die von Klaus Goldmann, Oberkustos am Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin, angeführten Verluste sind nur einige Beispiele aus der riesen Anzahl von vermißten deutschen Kulturgütern. Die deutschen Museumsdirektoren haben sich bisher damit begnügt zu erklären, diese Objekte seien dem Krieg zum Opfer gefallen, wobei manche durchaus wissen dürften, daß das keineswegs für alle verschwundenen Stücke gilt.

Man weiß sehr wohl in Fachkreisen, in welchem Land man nach ihnen suchen müßte. Nur gilt es als politisch unkorrekt, gegenüber unseren Freunden in den USA solche Feststellungen öffentlich zu treffen. Die Reaktionen sind also ähnlich wie in der Zeit vor der Wende in der DDR, als es auch niemand wagen konnte, öffentlich zu erklären, welche immensen Kunstschätze von der UdSSR in Deutschland geraubt worden sind. Während in der DDR tatsächlich ein Enthüller Leib und Leben, mindestens aber seine Existenz riskiert hätte, wäre ein altbundesrepublikanischer Museumsfachmann, der auf die USA als wahrscheinlichen Kunsträuber hinweist, zwar einem politischen Druck ausgesetzt, doch brauchte er nicht zu befürchten, seine berufliche Position zu verlieren oder Schlimmeres zu gewärtigen. Trotzdem hält man lieber den Mund. Und eine Arbeit wie die hier referierte des Dr. Goldmann (siehe OB, Folge 2, Seite 7) muß im Ausland erscheinen!

Goldmann kommt zu einer hochinteressanten, wenn auch gewagten Schlußfolgerung, wenn er das Verschwinden wichtigster deutscher Kulturgüter in einen größeren Rahmen stellt. Er berichtet, daß nach Ende des deutsch-polnischen Krieges die in London residierende polnische Exilregierung eine Liste jener polnischen Kulturgüter aufgestellt hatte, die während des Krieges beschädigt oder zerstört wurden. Sie beabsichtigte, nach dem Krieg dafür von Deutschland Wiedergutmachung zu verlangen.

1941 begab sich einer der polnischen Kunstexperten, Dr. Charles Estreicher, in die USA, um dort mit Kollegen vom Metropolitan Museum of Art in New York über dieses Thema zu sprechen. Es war sein Ziel, Unterstützung in den USA für die polnischen Pläne zu finden. Die Exil-Polen hatten eine Liste aufgestellt, die nach der deutschen Niederlage zum Zuge kommen sollte. Auf ihr waren detailliert jene deutschen Kunstwerke und Museumsobjekte aufgeführt, auf die die Polen als Wiedergutmachung für Verluste im Krieg Anspruch erhoben. Beispielsweise standen darauf wichtigste Gemälde aus den Staatlichen Museen Berlin und aus dem Dresdner Staatsmuseum, so aus dem Kaiser-Friedrich-Museum alle Objekte der bedeutenden deutschen Maler, aus der Skulpturen-Galerie alle Bronzen und Skulpturen deutscher Schule, große Teile des Ägyptischen und des Antiken-Museums, die berühmten Wandteppiche, hergestellt nach den Entwürfen von Raphael, Kunstwerke aus dem Schloß-Museum usw.

Estreicher fand rasch in Amerika Unterstützung auch aus politischen Kreisen für die Pläne, daß Polen sich nach dem Kriege deutscher Kunstwerke bemächtigen sollte. Präsident Roosevelt griff das Projekt auf, eine "American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in Europe" zu gründen, eine "Amerikanische Kommission für den Schutz und die Rettung von künstlerischen und historischen Monumenten in Europa". Sie wurde bekannt unter dem Namen "Roberts Commission". Von vorn herein war vorgesehen, daß sie mit Großbritannien und der Sowjetunion zusammenarbeiten sollte, um die Wünsche der Sieger nach der deutschen Niederlage durchzusetzen, sich Wiedergutmachung zu sichern, indem man deutsche Kunstwerke usw. beschlagnahmt. Ein Verfahren, das als "Restitution in Kind" deklariert wird und eklatant gegen geltendes Völkerrecht verstößt.

In seiner Eröffnungsrede am 8. Februar 1946 vor dem internationalen Militärtribunal von Nürnberg sagte der sowjetische Hauptankläger, daß nach Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung von 1907 "jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung ... von Werken der Kunst und Wissenschaft" verboten sei und "geahndet werden" solle. Allerdings beschuldigte er zusammen mit seinem alliierten Kollegen nur Deutschland der Verstöße gegen diese Vorschrift. Zur selben Zeit raubten, wie jetzt bekannt geworden ist, nicht nur Stalins Armeen systematisch deutsche "Werke der Kunst und Wissenschaft".

Als im Mai 1945 die deutschen Streitkräfte kapitulierten, begann eine lebhafte Diskussion vor allem in den Vereinigten Staaten, ob man tatsächlich auf das Eigentum von Museen und von Privatleuten zum Zwecke der Reparationen zurückgreifen sollte.

Am 6.11.1945 traf in Verfolgung des Planes, Kunstwerke als Reparationsgüter zu beschlagnahmen, aus Washington beim Direktor der amerikanischen Sammelstelle für deutsche Kunstwerke und Wissenschaft in Wiesbaden, Capt. Walter Ings Farmer, der Befehl ein, unverzüglich 202 alte Meisterwerke aus dem Berliner Kaiser-Friedrich-Museum zusammenzupacken und in die USA zu schaffen, um sie "sicherzustellen". Diese Gemälde gelangten tatsächlich in die USA, zunächst mit der klaren Zweckbestimmung, daß die USA sie sich aneignen wollten. Als das in der Öffentlichkeit bekannt wurde, behauptete man, es handele sich bei den Gemälden um "Nazi-Raubgut". Da aber wandten sich die meisten der in Europa eingesetzten amerikanischen Kunstschutzoffiziere in einem offenen Brief an die amerikanische Regierung, sich nicht des völkerrechtswidrigen Kunstraubes schuldig zu machen. Ihnen schlossen sich US-Politiker an, so daß unter dem Druck der öffentlichen Meinung in den USA einige Jahre später alle Gemälde an Deutschland zurückgegeben wurden, nachdem sie in mehreren Städten in den Vereinigten Staaten ausgestellt worden waren.

Während des Krieges wie auch in den ersten Jahren nach Kriegsschluß beteiligten sich alle Siegermächte ernsthaft an den Verhandlungen über die Frage, ob man Kunstwerke und andere wertvolle Objekte der Kultur den Deutschen wegnehmen sollte als Kompensation für eigene Kriegsverluste an Kulturgütern, (wobei sich die Frage aufdrängt, für welche Verluste die USA sich "entschädigen" wollten). Das Thema blieb auf der Tagesordnung des Alliierten Kontrollrates in Deutschland. Allerdings kam es zu keiner Einigung der Alliierten über die Art und Weise, wie diese Politik durchgesetzt und umgesetzt werden sollte.

Goldmann schließt seinen umfangreichen, in englischer Sprache gehaltenen Beitrag in einer britischen Fachzeitschrift mit den Sätzen (deutsche Übersetzung): "Alles in allem erscheint es dem Autor dieses Aufsatzes außerordentlich bemerkenswert, daß die meisten dieser ,kulturellen Ziele’ (gemeint sind die Kunstwerke, die als geplante Beute der Sieger auf den Restitutionslisten standen, d.Verf.) die schon vor Abschluß des Krieges von allen Seiten auf Listen erfaßt worden waren, sofort in verschiedenen Kanälen verschwanden. Diese verschiedenen Wiedergutmachungskanäle (Restitution Pools) sind geheim geblieben bis heute. Das bemerkenswerte Verschwinden und das Schicksal dieser in den meisten Fällen ebenso einmaligen wie kostbaren Werke ist ein Mysterium. Wer aber hält den Schlüssel zu den Schatzkammern in der Hand, die am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg bis unter das Dach gefüllt worden sind?"

Goldmann läßt durchblicken, daß die von ihm gefundenen Dokumente, daß Zeitungsberichte und daß Zeugenaussagen den begründeten Schluß zulassen, daß sofort nach dem Kriege US-Sondereinheiten die im Deutschen Reich vorhanden gewesenen kompletten Verzeichnisse der ausgelagerten Kunstwerke manipuliert haben. Dabei konnten sie der Hilfe von Direktorialbeamten der Berliner Museen sicher sein; gemeinsam veränderte man Bestandslisten, um zu verhindern, daß mit Hilfe der Unterlagen die Sowjets sich der Kunstwerke usw. bemächtigten. Dabei dachten die Berliner Verantwortlichen, daß die Kunstwerke in amerikanischer Hand sicher wären. Als sie jedoch nach Übernahme durch die amerikanischen Truppen verschwanden, erklärten die amerikanischen Stellen, sie seinen verbrannt oder zerstört. Dazu Goldmann: "Damit aber waren die Objekte tot, und forthin suchte niemand mehr, auch nicht in amerikanischen Museumsmagazinen, wo sie erst nach hundert Jahren von 1945 an gerechnet gezeigt werden dürfen."

1985 brachte das Fernseh-Magazin "Report" einen Bericht über nach dem Krieg illegal in die USA verbrachten deutschen Kunstschätze. Reporter hatten einige der angeblich am Kriegsende vernichteten Kunstwerke in amerikanischen Museen ausfindig gemacht. Im Bundestag stellte daraufhin die SPD-Abgeordnete Konstanze Wegner die Frage an die damalige Bundesregierung, welche Bemühungen sie unternommen habe, um diese auf völkerrechtswidrige Weise in die USA gelangten Kunstwerke nach Deutschland zurückzuholen. Der Staatsminister Hoyer antwortete ausweichend und behauptete, die Fernsehsendung sei "einseitig, verkürzt und lückenhaft" gewesen. Er vertrat die Ansicht, die US-Regierung habe zu keinem Zeitpunkt "völkerrechtswidrige Beutepolitik" in Deutschland verfolgt. Goldmann kommentiert: "Diese Feststellung scheint nach den hier dargestellten Zusammenhängen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten zu entsprechen."

Es dürfte an der Zeit sein, die Bundesregierung zu fragen, was sie zu unternehmen gedenkt, um die völkerrechtswidrig auch in die USA gelangten deutschen Kulturgüter zurückzubekommen.

(Fortsetzung folgt)