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17.02.01 Grüne Zerreißprobe

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Februar 2001


Grüne Zerreißprobe
von Hans-Jürgen Mahlitz

In konservativen Kreisen keimt neue (alte) Hoffnung: Nun packen wir sie endlich, die Grünen! Jetzt machen sie sich selber kaputt! Diese Zerreißprobe werden sie nicht überleben!

Die Hoffnung, quasi ohne eigenes Zutun einen lästigen politischen Gegner endlich loswerden zu können, stützt sich auf die zunehmend schärfer werdenden innerparteilichen Auseinandersetzungen der Grünen über das Verhalten bei den nächsten Castor-Transporten.

Zur Erinnerung: Bislang galten Transporte abgebrannter beziehungsweise wiederaufbereiteter Brennstäbe und sonstigen nuklearen Materials für jeden Grünen als "casus belli". Das kann man durchaus wörtlich nehmen: Die jeweils betroffenen Regionen sahen aus wie Schlachtfelder – und nicht wie Stätten "friedlicher" Proteste und Demonstrationen. Grundsätzlich gegen alles zu sein, was sich mit dem Wort "Atom" in Verbindung bringen läßt, war von Beginn an die Klammer, welche die grüne Bewegung und später die grüne Partei zusammenhielt.

Wann immer auf deutschen Straßen oder Schienen Strahlendes bewegt wurde, setzte sich auch die links-alternative Protest-Truppe in Bewegung. Sachschäden in Millionenhöhe, zahlreiche verletzte Polizisten und Demonstranten, eine zunehmende Verrohung der politischen Sitten, Polarisierung der Bevölkerung – das alles waren die üblichen Resultate der Anti-AKW-Aktionen.

Und immer waren sie an vorderster Front dabei, die Grünen und ihre ideologischen Verbündeten in Umweltverbänden und Medien. Einer der eifrigsten, mal direkt vor Ort, mal als Anheizer im Hintergrund: Jürgen Trittin.

Als die Grünen nun 1998 aus der ihrem Selbstverständnis entsprechenden Oppositionsrolle ausscherten und von Gerhard Schröder in den Rang einer Regierungspartei erhoben wurden, durfte man gespannt sein: Gehen nun in Deutschland die Lichter aus, zumindest da, wo sie von "Atomstrom" erleuchtet werden? Ausgerechnet der als knallharter "Fundi" bekannte Trittin im Amt des Bundesministers für (unter anderem) Reaktorsicherheit – damit war doch das alsbaldige Ende aller Kernkraftwerke und sonstigen Nuklearanlagen in Deutschland besiegelt!

Irrtum – der "Fundi" Trittin wandelte sich, kaum in Amt und Würden, schnellstens in einen "Realo" um. Anfangs ärgerte er seinen Chef noch mit verbalen Rückzugsgefechten, die aber wohl nur dazu dienten, die irritierte Parteibasis bei Laune zu halten. Nachdem er ein paarmal "abgekanzelt" worden war, hatte Trittin keine Probleme mehr mit dem Langzeit-Konsens: Statt lautstarkem "Ausstieg jetzt!" hieß es nur noch leise: "Vielleicht in dreißig Jahren."

Daß zwischenzeitlich die Castor-Transporte eingestellt wurden, lag übrigens nicht an einem kollektiven, parteiübergreifenden Einknicken der Politik vor den Extrempositionen aus alten grünen Fundi-Zeiten, sondern an dümmlichen Mauscheleien in Nuklearbetrieben. Und nun also die Zerreißprobe: Der grüne Minister Trittin läßt wieder strahlende Fracht rollen, ein Teil der grünen Basis will wie gehabt dagegen demonstrieren, protestieren und randalieren – Grün gegen Grün, das ist mal was Neues.

Aber die nichtgrünen "Dritten" könnten sich wieder einmal zu früh gefreut haben. Die Hoffnung, dieser total zerstrittene "undisziplinierte Haufen" werden nun endgültig auseinanderfallen, ist eher Wunschdenken als Realität. "Bürgerliche" Politiker neigen allzu- leicht dazu, von sich und ihren Gepflogenheiten auf andere zu schließen, und übersehen dabei, daß genau die Verhaltensweisen, deren "man" sich aus alter Tradition zu enthalten hat, bei einer Partei wie den Grünen geradezu zum Selbstverständnis gehören. Ein nicht unerheblicher Teil ihrer Wählerschaft fühlt sich von Chaotentum, unkonventionellen, provozierendem Verhalten und Unberechenbarkeit nicht abgestoßen, sondern angezogen.

Hinzu kommt, daß die Grünen im allgemeinen "ihren" Brecht recht gut kennen und schätzen. Und da heißt es ja: "Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm!" Als Regierungspartei kann man dieser simplen Erkenntnis aus der Dreigroschenoper zu unverhoffter Aktualität verhelfen – sich und seinen Anhängern zum Vorteil. Und darauf werden Trittin & Genossen doch wegen ein paar läppischer Castor-Behälter nicht verzichten!

Mit anderen Worten: Die Zerreißprobe, auf die mancher Oppositionelle noch hofft, haben die Grünen wohl schon im Vorfeld bestanden.