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24.02.01 Während die Welt aufrüstet, läßt Berlin die Bundeswehr verkümmern

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. Februar 2001


Sicherheit:
Scharpings böse Illusionen
Während die Welt aufrüstet, läßt Berlin die Bundeswehr verkümmern

Ist die Welt wirklich sicherer geworden? Die Entwicklung im Nahen Osten, angeheizt durch jüngste amerikanisch-britische Luftangriffe auf den Irak, die Lage auf dem Balkan, eine wachsende Entfremdung zwischen Moskau und Washington – all das und noch mehr spräche eigentlich gegen übermäßigen Optimismus.

Rudolf Scharping ficht das nicht an. Unverdrossen setzt der Verteidigungsminister die schrittweise Zerlegung der Bundeswehr fort. Just in dem Moment, da die USA aus Furcht um ihre Sicherheit ein nationales Raketenabwehr-System (NMD) ins Werk setzen und Moskaus Putin die Aufstockung des Wehretats um 50 Prozent verfügt hat, wähnt sich der Mann auf der Hardthöhe auf einer Insel ewigen Friedens.

Oder tut er nur so? Unabhängige Militärexperten vermögen schon seit den Zeiten von Scharpings Vorgänger Volker Rühe kein Konzept mehr zu entdecken in den fortwährenden Streichorgien zu Lasten der äußeren Sicherheit. Andere Interessen als die der Landesverteidigung führen hier Regie – vor allem wahltaktische.

Eine militärische Bedrohung Deutschlands erscheint dem Wahlvolk zur Zeit ziemlich abstrakt. Das war stets so, wenn eine unmittelbare Gefahr nicht auszumachen war. Doch es ist die Aufgabe der politischen Führung, über den Tag hinauszublicken und für das derzeit Undenkbare vorzusorgen, statt beifallheischend scheinbar überflüssige Verteidigungsbemühungen zu vernachlässigen.

Denn der Instinkt einer breiten Masse, die in ihrer großen Mehrheit nie einen Krieg erlebt hat, täuscht bisweilen gewaltig. Erinnern wir uns: Keine 15 Jahre ist es her, daß sich der Normalbürger einen Krieg in der Mitte Europas nur noch als gewaltigen Atomschlag vorstellen konnte. Konventionelle Streitkräfte schienen im Grunde fast entbehrlich, wurden nicht selten als Spielzeug der Militärnarren verhöhnt.

Gleichsam über Nacht schien sich die Lage dann komplett umzudrehen. Das Ende des Kalten Krieges gebar eine Reihe kleiner, konventioneller Schlagabtausche, in denen Atomwaffen keine Rolle spielten – zuallererst in Jugoslawien. Statt der Vision des großen finalen "Knopfdrucks" kehrten längst überwunden geglaubte Bilder vom Gewehrkampf um Haus und Hof nach Europa zurück.

Daraus wäre zu lernen gewesen, daß das aktuelle Bild vom Charakter künftiger Kriege unter Umständen vollkommen falsch sein kann, daß man (wie gute Verteidigungspolitiker sämtlicher Epochen) auf alle denkbaren Entwicklungen vorbereitet zu sein hat.

Davon ist angesichts von Rudolf Scharpings Zerrüttungspolitik nichts zu sehen. Als sei nunmehr die heutige Konstellation für alle Zeiten unverrückbar, spielt die eigentliche Landesverteidigung offenkundig keine Rolle mehr. Nur noch entfernte Auslandseinsätze will man sich vorstellen, im Regelfall gegen rettungslos unterlegene Gegner. Wehe uns, wenn es abermals ganz anders kommt – so wie unsere heutige Lage nichts mehr mit den Prognosen von 1985 gemein hat.

Besonders irritierend ist, daß Verteidigungschef Scharping mehr Getriebener als Kopf zu jener zweifelhaften "Reform" zu sein scheint. Sachfremde – der Kanzler, der Finanzminister, die Koalitionsbasis oder gar ausländische Verbündete – geben die Richtung vor, Scharping folgt sklavisch.

Wohin das führen kann, ist auf dem Kosovo zu studieren. Spätestens seit den jüngsten Ausschreitungen ist nicht mehr zu übersehen: die Bundeswehr sitzt dort unten für lange Zeit fest. Und was noch schlimmer ist – keines der Probleme in der Region scheint sich einer Lösung auch nur anzunähern.

Peinlich für die Bundesregierung sind dabei immer neue Enthüllungen, welche die Berechtigung zum Kriegseintritt vor knapp zwei Jahren immer brüchiger anmuten lassen. Berichte von neutraler und sogar albanischer Seite zeichnen zwar das Bild einer von Angst und der Brutalität eines Partisanenkrieges geprägten Situation im März 1999. Die mit großem propagandistischen Aufwand hergestellte Kulisse einer unmittelbar bevorstehenden Massenvertreibung oder eines tausendfachen Genozids verfliegt jedoch bei näherem Hinsehen. Die große Fluchtwelle war offenbar nicht Ursache, sondern Folge der Nato-Bomben. Scharping, in Widersprüche verstrickt, läßt indes auch hier jede realistische Beurteilung an sich abprallen, weil es offenkundig von ihm verlangt wird. Hans Heckel