28.03.2024

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03.03.01 Der Opernball – zwischen Zeremonie und "Event"

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. März 2001


Österreich:
Der Opernball – zwischen Zeremonie und "Event"
Trotz gewalttätiger "Demonstrationen" ein glanzvoller Abend / Von R. G. Kerschhofer

Es gibt viele Zugänge zu dem Phänomen Opernball – und nur wenige Zufahrten zum Ort der Handlung. Letzteres liegt aber nicht an den Einbahnen, sondern an den Sicherheitsvorkehrungen, die wegen illustrer Gäste und wegen linker Demonstranten unvermeidlich sind.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die "Opernball-Demo" war die gewalttätigste seit langem. Zwar traten nur etwa 700 Demonstranten an, doch da sie wegen der Absperrungen nicht einmal in die Nähe der Oper gelangen konnten, reagierten sie sich statt dessen in Wohn- und Geschäftsstraßen ab. Neben Sachschäden gab es etliche teils schwer verletzte Polizisten. Unter den Festgenommenen waren auch welche aus der BRD und den USA – Demo-Touristen also, die Jung-Joschka spielen wollten. Sinnigerweise ließ der sozialistische Polizeikommandant das in einem "Studentenheim" befindliche Demo-Hauptquartier erst im nachhinein stürmen! (Das Haus gehört der KPÖ, ist seit Jahren von "Autonomen" besetzt und dient afrikanischen Drogenhändlern als Unterschlupf.)

Die Ballbesucher blieben von all den Widrigkeiten verschont und konnten einen glanzvollen Abend genießen. Besonders eindrucksvoll ist wohl immer das Eröffnungs-Zeremoniell mit dem Jungdamen- und Jungherren-Komitee: Junge Leute, die sich monatelang vorbereiten, die "exerzieren" müssen, die sich freiwillig den Bekleidungsvorschriften unterwerfen – und die dafür eine bleibende Erinnerung mitnehmen.

In den riesigen Ballsaal, der durch die Vereinigung von Zuschauer- und Bühnenraum entsteht (eine beachtliche technische und organisatorische Leistung!), zieht zunächst ein Teil des Komitees ein. Zwischen diesem schwarz-weißen Spalier bieten dann Mitglieder des Staatsopernballetts eine klassische Tanzeinlage. Anschließend zieht auch der zweite Teil des Komitees ein, um sich mit dem ersten zur feierlichen Polonaise zu vereinigen. Dann kommt der Donauwalzer, – "Linkswalzer" ist absolute Pflicht. Und schließlich gibt der Zeremonienmeister mit dem Kommando "Alles Walzer" das Parkett fürs Publikum frei.

Um die Bedeutung des Opernballs für Österreich und insbesondere für die Wiener voll ermessen zu können, muß man sich das Schicksal der historischen Bauwerke Wiens vergegenwärtigen: Sie wurden in den allerletzten Kriegstagen zerstört – militärisch völlig sinnlos! Doch schon bald war der Wille zum stilgerechten Wiederaufbau gegeben, und so konnte 1955, nach Abzug der Besatzer, auch die Oper wiedereröffnet werden. Im ganzen Land hing man an den Rundfunkgeräten, um die Fidelio-Premiere zu verfolgen! Und wer würde sich heute vorstellen, daß man damals sogar vor den wenigen Fernsehgeräten festlich gekleidet saß oder stand, um an dem Ereignis teilzuhaben? (Fernsehen war erst kurz vorher eingeführt worden.) Weit über das Künstlerische hinaus wurde die Staatsoper zu einem Symbol des Wiederaufstiegs – selbst für jene, die das Haus nie betreten.

Seit 1956 findet auch wieder der Opernball statt. Für das Selbstwertgefühl vieler Wiener ist es durchaus bedeutsam, welche hochrangigen Persönlichkeiten aus dem Ausland teilnehmen. Der westliche Boykott während der Präsidentschaft von Kurt Waldheim wurde daher als ebenso beleidigend empfunden wie die EU-Sanktionen. (Noch stärker verärgert waren allerdings die Begleiterinnen jener Portugiesen, die wegen der Ratspräsidentschaft Ehrengäste gewesen wären, aber "politisch korrekt" absagten!)

Heuer hatte Bundespräsident Klestil den neuen kroatischen Präsidenten Mesic als Ehrengast – daß beide Herren im eigenen Land sehr umstritten sind, gibt dem Wort "Ehrengast" einen gewissen Beigeschmack. Die österreichische Regierungsspitze konnte mehrere ausländische Ministerkollegen begrüßen. Doch Jassir Arafat, der ebenfalls in Wien weilte, hatte nie die Absicht, am Ball teilzunehmen.

Wie üblich wartete der Bauunternehmer und Polit-Kasperl Lugner vulgo "Mörtel" in seiner Loge mit einem extra aus Hollywood eingeflogenen – diesmal nicht mehr ganz taufrischen – Stargast auf. Und hier zeigt sich natürlich auch eine andere Facette des Opernballs, nämlich die eines Jahrmarkts der Eitelkeiten. Doch warum sollte man es anderen verargen, ihr eigenes Geld auszugeben? Für die Oper ist dies der einzige Abend, der Gewinn abwirft, also nicht vom Steuerzahler subventioniert wird! Und die Kosten des Polizeieinsatzes sind durch die volle Belegung der Luxushotels reichlich wettgemacht. (Übrigens hatten die Organisatoren der Demo mit dem originellen Vorschlag aufgewartet, für drei Millionen Schilling auf ihren Aktionismus zu verzichten.)

Daß Zeitgeist und "political correctness" selbst am Opernball nicht spurlos vorübergehen, war gleich mehrfach festzustellen: Bekanntlich ist heuer Verdi-Jahr, weshalb überall Nabucco groß herausgebracht wird, quasi als "Holocaust-Oper". (Nabucco ist der italienische Name von Nebuchadnezar.) Der aus Rumänien zugewanderte Operndirektor Ioan Holender fand es daher passend, in die Eröffnungs-Zeremonie den bekannten "Gefangenenchor" einzubauen! Weiters wurde ein Ballett mit körperlich und geistig Behinderten eingeschoben – auf Betreiben der "Second Lady", der zweiten Gattin Klestils, die mit ihrem Wohltätigkeitseifer vergessen machen will, daß sie der First Lady den Mann ausgespannt hat. Bei aller Sympathie für die Integration Behinderter muß man sich fragen, ob hier nicht die Grenzen des guten Geschmacks oder gar die hin zum Mißbrauch überschritten wurden.

Ins Szenario paßte auch, daß im Eröffnungs-Komitee heuer keine Offiziersanwärter zu sehen waren. Wie Verteidigungsminister Scheibner dem Autor versicherte, lag dies aber nicht an dienstlichen Verpflichtungen! Nun, das erklärte Bestreben der derzeitigen Opernball-Leitung ist es, "wieder die Künstler in den Vordergrund zu stellen". Tatsächlich war ja der Ball ursprünglich, so ab 1877, eine Künstler-Redoute. Heutzutage sind allerdings die verdienten Staatskünstler in der Überzahl, und die haben eben nichts für Uniformen übrig.

Trotz allem, der Wiener Opernball lebt, und er wird weiter leben, solange es ein kultur- und traditionsbewußtes Bürgertum gibt, für welches "die Prominenten" zwar kein Huldigungsobjekt, wohl aber eine willkommene Garnierung sind.