23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.03.01 Erinnerung an den Mitbegründer Preußens Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. März 2001


Preußenjahr 2001:
"Ein großer Schritt für das Land"
Erinnerung an den Mitbegründer Preußens Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg – Herzog von Preußen
von FRIEDRICH BORCHERT

Mit Zustimmung und Genugtuung nehmen wir die Erinnerung an das 300jährige Jubiläum des Königreichs Preußen und die Veranstaltungen und Ausstellungen aus diesem Anlaß zur Kenntnis. Das ist in unserem Lande leider keine Selbstverständlichkeit mehr, denn dieser von den alliierten Siegern verbotene Staat galt in der veröffentlichten Meinung über Jahrzehnte als Inbegriff von Militarismus, Aggressivität und Untertanentum. Das Bild dieses deutschen Kernlandes der Neuzeit wurde in der "progressiven Gesellschaft" derartig verbogen und überdeckt, daß von den großen Tugenden und Erfolgen Preußens fast nichts mehr zu erkennen blieb. Patriotismus, Religionsfreiheit, Treue, Disziplin, Anstand und Sparsamkeit, um nur einige in Preußen besonders gepflegte Eigenschaften zu nennen, wurden und werden von den "sozialistischen Gutmenschen" als Sekundärtugenden abgetan.

Deshalb ist eine Besinnung auf Preußen gerade für die heutige Gesellschaft unverzichtbar. Dazu gehört auch die historische Rückschau auf das ganze Preußen, das mindestens doppelt so alt ist wie das jetzt gefeierte Königreich. Die Wurzeln Preußens reichen bis ins 13. Jahrhundert, als der Deutsche Orden im Rahmen der Ostkolonisation und Missionierung jenseits der Weichsel einen vorbildlichen Staat errichtete, der Preußen den Namen gab und die Basis für die spätere Entwicklung legte.

Als das Ordensland Preußen nach dreihundertjährigem Bestehen seine Kraft in den Kämpfen mit dem übermächtig gewordenen Großreich Polen-Litauen verbraucht hatte und die Unterstützung aus dem Deutschen Reich ausblieb, zerfiel die Macht des einst so großartigen Gemeinwesens. Zwist und Untreue nagten am bisher disziplinierten Gemeinsinn der mönchischen Ritterschaft. Der Egoismus des reich gewordenen Bürgertums, insbesondere in den großen Hansestädten mit ausgedehntem Fernhandel, zerstörte den Zusammenhalt des Staates.

In dieser Lage mußte der damalige Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1511–1525) zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen. Im Frieden von Krakau von 1525 wurde er nach Niederlegung seines Amts als Hochmeister von seinem Onkel, König Sigismund I. von Polen, mit dem neu geschaffenen, erblichen Herzogtum Preußen belehnt. Nicht nur seine Nachkommen, sondern auch seine Brüder erhielten das Erbrecht an diesem Mannlehen. Allerdings sah eine Vertragsklausel vor, daß das Lehen an Polen fallen sollte, falls der gesamte männliche Stamm der fränkischen Hohenzollern aussterben würde.

Albrecht, der nunmehrige Herzog von Preußen, hatte unter seinen acht Kindern nur einen Sohn, der aber wegen seiner geistigen Schwäche nicht voll regierungsfähig war. Als nach dem Tod des Herzogs 1569 die Neubelehnung des Erben Albrecht Friedrich stattfand, wurden vorsorglich zugleich Markgraf Georg Friedrich von Ansbach sowie Kurfürst Joachim II. von Brandenburg und dessen Sohn mitbelehnt. Hierdurch war die preußische Erbfolge durch das brandenburgische Kurfürstenhaus einigermaßen gesichert.

Die Regierungsgeschäfte für den kranken Herzog Albrecht Friedrich übernahm zunächst der Ansbacher Markgraf Georg Friedrich (†1603) als Vormund und nach dessen Tod Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg (†1608) als Administrator. Letzterem folgte 1608 sein Sohn Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg (1572–1619). Dank der politischen Klugheit des vormaligen Vormunds Georg Friedrich und durch seine Vermittlung heiratete am 30. Oktober 1594 im Schloß zu Königsberg der junge Kurfürst Johann Sigismund die älteste Tochter und Erbin Herzogs Albrecht Friedrich von Preußen. Trotz der bereits 1569 erlangten Mitbelehnung des Kurhauses Brandenburg in der preußischen Erbfolge wurde erst durch diese Heirat die endgültige Sicherheit für den Fortbestand der deutschen Herrschaft in Preußen erzielt. Es gelang dadurch die potentielle Gefahr abzuwenden, daß Preußen als erledigtes Lehen an die polnische Krone zurückfallen würde.

Nun konnten auch die beiden Länder Brandenburg und Preußen zusammengeführt werden. Ein beträchtlicher Teil des Erbes, das die Mutter der Braut nach Preußen gebracht hatte, nämlich die Grafschaften Kleve, Mark und Ravensberg, fielen nun an Brandenburg-Preußen.

Weihnachten 1613 trat Kurfürst Johann Sigismund zum reformierten Bekenntnis über, ohne auch seine Untertanen hierzu zu nötigen. Er wich dadurch von der damals üblichen Regel "Cuius regio, eius religo" ab und begründete die von nun an in Preußen geübte konfessionelle Toleranz. Sie wurde die Basis preußischer Gesellschaftspolitik und öffnete den Weg zu einem erfolgreichen neuen Staatsgedanken.

Die auch unter seinen Nachfolgern beibehaltene Toleranz zog Glaubensflüchtlinge aus vielen Ländern Europas an. Sie kamen unter anderem aus Frankreich, Österreich, Schottland und den Niederlanden und brachten viele neue Anregungen für Wissenschaft und Wirtschaft mit, die sich segensreich auf das Gastland Brandenburg-Preußen auswirkten. Für Ostpreußen war die Ansiedlung der Salzburger im Raum Insterburg–Gumbinnen ein Gewinn. Die Hugenotten haben in Ost- und Westpreußen, besonders aber in Berlin, über Jahrhunderte den preußischen Staat mitgeprägt.

Drei wichtige Ziele hatten sich in der Regierungszeit des neuen Herzogs von Preußen verwirklichen lassen, die nach dem Urteil des Historikers Leopold von Ranke (1795–1886) "fürwahr ein großer Schritt für das Land und die Dynastie" waren:

1. Die Vereinigung von Brandenburg und Preußen,

2. die durch das rheinische Erbe erzielte Vergrößerung des Landes und

3. die Einführung einer konfessionellen und allgemeinen Toleranz.

Diese von Kurfürst Johann Sigismund auch durch seine Heirat mit der preußischen Prinzessin Anna geschaffenen Grundlagen für die Entwicklung Preußens zu einer europäischen Großmacht berechtigen durchaus, ihn einen Mitbegründer des neuen Preußens zu nennen. Wenn der neue Herzog auch nicht zu den herausragenden Herrschernaturen zählte, so hat er zusammen mit seiner starken und machtbewußten Gemahlin Anna von Preußen, einer Enkelin Herzog Albrechts, die Regentschaft für seinen geisteskranken Schwiegervater, Herzog Albrecht Friedrich, bis zu dessen Tod im Jahre 1618 gut geführt.

Der dem guten Leben mit Tafelfreuden und Jagden zugetane Kurfürst erlitt bereits 1616 im 44. Lebensjahr einen Schlaganfall. Er konnte deshalb die nach dem Tode seines Schwiegervaters ihm zugefallene uneingeschränkte Regierung als Herzog von Preußen nicht mehr antreten. Er übergab die Regierung seinem Sohn Georg Wilhelm (1595–1640), der in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges eine wankelmütige Politik führte. Seine energische Mutter, Herzogin Anna von Preußen, bestimmte weiterhin die Politik und führte das Land an die Seite Schwedens. Erst mit dem Nachfolger bzw. Enkel Friedrich Wilhelm (1620–1688) kam der erste geniale Hohenzoller auf den Thron und ging als der Große Kurfürst in die Geschichte ein.

Kurfürst Johann Sigismund starb am 2. Januar 1620 in Berlin und wurde dort in der Gruft des Doms beigesetzt. Sein Sarg hat den Untergang Preußens 1645 sowie die Zerstörung und Plünderung des Berliner Doms durch die Rote Soldateska überstanden. Er steht in der wiederhergestellten und am 20. November 1999 feierlich wiedereröffneten Hohenzollerngruft des Doms. Dort liegt ein Fürst begraben, der zum Aufstieg Preußens und damit zum Entstehen Deutschlands als zentraler Macht Europas ein wichtiges Stück beigetragen hat, auch wenn er mehr Objekt als Subjekt der Geschichte gewesen ist.