18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.03.01 Die deutsche Bildungs-Katastrophe

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. März 2001


Die deutsche Bildungs-Katastrophe
(Hans-Jürgen Mahlitz)

Ein großer Teil der Unterrichts stunden vergeht … darauf, die Schüler gedanklich auf die Tatsache vorzubereiten, daß sie in der Schule sind." Dieser bemerkenswerte Satz stammt nicht aus dem Repertoire eines Kabarettisten aus Absurdistan, sondern von Albin Dannhäuser, dem Präsidenten des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrer-Verbandes. Der leidgeprüfte Ober-Lehrer weiß auch, warum Schüler beim Betreten der Schule in Gedanken oft noch sehr weit weg sind: "In vielen Familien dürfen die Kinder inzwischen einfach alles, auch bis nachts in der Kneipe sitzen. Polizei und Gastwirte schauen weg." Dannhäuser weiter: "Immer mehr Schüler können sich nicht mehr konzentrieren, sind verhaltensgestört." Der praxiserfahrere Experte spricht von einer "Schulkatastrophe".

Mit dieser pessimistischen Lagebeurteilung steht er nicht allein. So warnte der Präsident des Deutschen  Industrie- und Handelstages (DIHT), Ludwig-Georg Braun, kürzlich in der "Welt am Sonntag": "Deutschland ist auf diesem Gebiet nicht konkurrenzfähig. Wir können nicht hinnehmen, in Europa hinsichtlich des Pro-Kopf-Aufwands für Bildung an vorletzter Stelle zu stehen."

Weitere alarmierende Zahlen werden von der internationalen Forschungsorganisation IEA in Den Haag gemeldet: Auf der Basis einer Untersuchung mit 22 000 Schülern wurde Deutschland im Fach Mathematik im internationalen Mittelfeld auf Rang 26 eingestuft. Die deutschen Realschulen konnten sich noch auf Rang 29 halten. Dann kommt es sozusagen knüppeldick: "Auf Rang 40, an der letzten Stelle vor den zu einer Gruppe zusammengefaßten vier schwächsten Nationen, rangiert die deutsche Hauptschule." Im Klartext: In wesentlichen Teilbereichen haben wir bereits den Status eines Entwicklungslandes erreicht – die "Greencard für alle" läßt grüßen!

Der Freistaat Bayern geht hier be reits mutig voran: Um den Lehrermangel zu bekämpfen, werden Pädagogen im benachbarten Österreich angeworben. Allerdings hat man auch in München bislang keine plausible Erklärung dafür gefunden, warum Lehrermangel im fünfstelligen Bereich herrscht, gleichzeitig aber bundesweit 25 000 Lehrer als arbeitslos gemeldet sind.

Daß die Bildungskatastrophe uns nicht droht, sondern längst eingetreten ist, läßt sich ernsthaft nicht bestreiten und wird auch von nahezu alle Experten bestätigt. Aber wer sind die Schuldigen? Hier läuft die Diskussion wie gehabt: Jeder sucht die Schuld bei den anderen.

Die Lehrer klagen über das Versagen der Eltern, die Eltern schimpfen über die Lehrer, beide gemeinsam über die Schulverwaltung, die Schüler fühlen sich von allen unverstanden. Einig sind sich alle nur darin, daß letztlich die Politik an allem schuld ist. Die Politiker schieben die Verantwortung zwischen Opposition und Regierung, von Partei zu Partei hin- und her. Am Ende verkündet der Kanzler, daß es sich eigentlich gar nicht um eine Katastrophe handele, sondern um eine höhere Form der Demokratisierung.

Wer sich mehr an die Wirklichkeit hält, muß allerdings auch einräumen: Einen Schuldigen oder eine Ursache gibt es nicht. Daß unser Bildungssystem von einem Spitzenplatz auf die mittleren bis unteren Ränge abrutschte, ist die Folge einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.

Man lese nur den Artikel auf Seite 3 dieser Ausgabe, dann weiß man, wie viel der Niedergang des deutschen Schulwesens auch mit dem berüchtigten "Marsch durch die Institutionen" zu tun hat. Den 68ern war nämlich von vornherein klar, welche Institutionen sie unterwandern mußten, um sich letztlich dieser Gesellschaft insgesamt zu bemächtigen: Bildung (also Kindergärten, Schulen, Universitäten) und Medien.

Wie eng beide Bereiche zusammengehören, gerade auch, wenn es um die Situation an den Schulen geht, ist bislang noch viel zuwenig berücksichtigt worden. Es ist das Verdienst der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Christa Meves, darauf öffentlich hingewiesen zu haben: "Nachweislich schadet Dauerfernsehen der seelisch-geistigen Entfaltung … Der klügste Oberschüler, so das Resümee einer Hamburger Universitäts-Studie, sieht am wenigsten, der dümmste Sonderschüler am meisten fern. Aber der seelische Schaden – die Mißachtung unaufgebbarer Werte und dadurch eine gigantische Desorientierung der jungen Generation – übertrifft den physischen und den intellektuellen noch bei weitem", sagte sie bei der Verleihung der "Goldenen Rosine 2000" durch die Zuschauerorganisation "Bürger fragen Journalisten".

Seit mehr als drei Jahrzehnten warnt diese tapfere Frau vor den schlimmen Folgen des Werteverfalls, die sie aus der eigenen Praxis zur Genüge kennt. Es ist höchste Zeit, daß endlich auf sie und andere Mahner gehört wird.