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10.03.01 Baskenland: Die Wut der Spanier wächst.

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. März 2001


Baskenland:
Die Wut der Spanier wächst. 

ETA setzt ihren Terror trotz weitgehender Autonomie unvermindert fort
  

Der Terrorismus in Spanien ist inzwischen zum traurigem Alltag geworden. Fast jede zweite Woche kommt es zu einem neuen Toten.

Die Bevölkerung hat Angst, denn inzwischen kann es jeden treffen. Nicht nur Politiker, Militärs und Guardia-Civil-Beamte, sondern auch einfache Busfahrer, Köche, Bauarbeiter und kritische Journalisten gehören neuerdings zu den Opfern.

Laut einer Umfrage des spanischen Meinungsforschungs-Instituts "CIS" sehen 81,5 Prozent der Spanier den Terror inzwischen als Sorge Nummer eins noch vor der Arbeitslosigkeit (64,2 Prozent).
Ende 1999 erklärte die ETA eine 14 Monate andauernde Waffenruhe für beendet. Seitdem versucht die Separatistenorganisation wieder mit Gewalt für einen eigenen Staat zu kämpfen. Trotz wachsender Proteste in der Bevölkerung – selbst in ihrer baskischen Heimat – verzichtet sie nicht auf Gewalt.

Bei der ETA handelt es sich um eine sehr widersprüchliche Bewegung. Ihr Name, Freiheit und Baskenland, klingt nach rechter Ideologie. Auch die rigorose Traditionspflege, welche männerbündlerische Kultveranstaltungen einschließt, sowie der ausgeprägte Hang zur regionalen Folklore läßt eher rechte Gesinnung vermuten. Doch definiert sie sich als linke Widerstandsbewegung. Auch ihre Unterstützerszene ist von ihrem äußeren Erscheinungsbild eher mit der Kreuzberger Autonomenszene als mit Skinheads zu vergleichen. Der politische Arm der ETA, Herri Batasuna, verfügt zudem über ein Parteiprogramm mit klassischen linken Inhalten. Dies ist vor allem in der Wirtschaftspolitk erkennbar, die einen primitiven Antikapitalismus pflegt.

Zu ihrer vornehmlichsten Forderung zählt ein unabhängiges Baskenland. Damit sind rund 20 000 Quadratkilometer Land gemeint, die zum größten Teil in Spanien liegen, aber auch zum Teil in den französischen Pyrenäen. Ferner verlangt sie den Abzug der spanischen Sicherheitskräfte sowie die Verlegung von 600 ETA-Häftlingen in Gefängnisse, die näher am Baskenland liegen.

Über 800 Menschen fielen bisher dem Terror der ETA zum Opfer. Das Markenzeichen der Separatisten sind Autobomben. Das bislang blutigste Attentat geht auf eine solche Konstruktion zurück: 1987 kamen bei einer Explosion vor einem Einkaufszentrum in Barcelona 21 Menschen um.

Die Attentate der ETA werden zunehmend feiger. Es werden nur noch Opfer auserkoren, die nicht wie wichtige politische Entscheidungsträger vom Staat geschützt werden. Zu ihnen zählen Polizeibeamte mittlerer und unterer Dienstgrade, Kommunalpolitiker unliebsamer Parteien im Baskenland und Zivilisten, die sich zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalten.

Eine weitere "Spezialität" der ETA sind Entführungen. Seit 1970 kidnappte sie 46 Menschen und erpreßte zum Teil sehr hohe Geldsummen.

Mafia-ähnliche Schutzgelderpressungen von baskischen Unternehmern dienen ebenfalls als konstante Geldquelle.

Der Drang der Basken nach Unabhängigkeit hat zum einen mit den ethnischen Besonderheiten dieses Volkes zu tun und zum anderen mit der Geschichte, in deren Verlauf Unterdrückung und Assimilationsversuche oft vorkamen.

Die Basken gelten als rätselhaftes Volk. Denn niemand weiß, woher sie kommen und wann sie sich am Golf von Biskaya ansiedelten. Bekannt ist allerdings, daß sie keine Indogermanen sind. Außerdem ist ihre Sprache mit keinem anderen Idiom auf der Welt verwandt. Sie gilt als extrem schwer zu erlernen.

Kurios ist, daß die Unterstützerszene der ETA vornehmlich spanisch untereinander spricht und sich in der Regel nicht mit Baskisch abmüht. Fast unglaublich erscheint die Tatsache, daß die Basken im übrigen Spanien sehr hohes Ansehen genießen. Sie gelten als starke und fleißige Charaktere von sprichwörtlicher Effizienz. Die baskische Küche ist ausgesprochen beliebt und die zahlreichen Starköche aus diesem Landstrich werden wie Popstars gefeiert.

Was die Geschichte angeht, so trachteten die christlichen Herrscher auf der iberischen Halbinsel häufiger danach, den Basken ihre Identität zu nehmen, sie zu Spaniern zu machen. Eine Politik, die auch in Katalonien und Galizien hin und wieder verfolgt wurde. Der forsch wirkende Drang nach Assimilation hat historische Gründe: Die iberische Halbinsel war jahrhundertelang von Moslems bewohnt. Die wurden nach langen Kämpfen Ende des 15. Jahrhunderts vertrieben. Im spanischen Volk nahm während dieser Zeit die Toleranz gegenüber anderen Stämmen ab.

Diese Grundhaltung bestand bis ins 20. Jahrhundert fort. Zwar wurde den Basken 1936 Autonomie gewährt. Doch war das nur von kurzer Dauer. Nach dem Sieg von General Francisco Franco im Bürgerkrieg galt wieder ein anderer Kurs: So mußte in den baskischen Schulen erneut spanisch unterrichtet werden. Noch während der Franco-Ära wurde die ETA gegründet. 1958 spaltete sie sich von der bereits 1895 gegründeten bürgerlichen "Baskischen Nationalpartei" ab. Zehn Jahre später verübten die Separatisten ihr erstes tödliches Attentat.

Es fällt auf, daß es in dem zu Frankreich gehörenden Siedlungsgebiet der Basken bisher keinen Terror gab. Das liegt unter Umständen daran, daß Paris in der gesamten Geschichte nicht so stark auf Assimilation bestand wie Madrid.

Heute genießen die baskischen Provinzen eine Autonomie, die in Europa ihresgleichen sucht. Die Wut des übrigen Spanien nimmt daher mit jedem neuen Toten zu. Über alle Parteigrenzen hinweg sind sich die Spanier in der Verdammung der kleinen radikalen Minderheit im Baskenland einig. Der Frieden in diesem Teil Europas läßt jedoch noch auf sich warten. Karl H. Lincke