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10.03.01 US-Politik: Bushs neue Ehrlichkeit

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. März 2001


US-Politik:
Bushs neue Ehrlichkeit
Europa muß sich an den Wandel in Washington erst noch gewöhnen
 
(Jürgen Liminski)

Der Pulverdampf über Bag dad ist längst verflogen, aber der Schreck sitzt den Diplomaten noch in den Knochen. Auch den europäischen, und natürlich vor allem den arabischen. Aber die Amerikaner zeigen sich gelassen. Außenminister Powell hat seinem russischen Amtskollegen beim Treffen in Kairo die Gründe erläutert, und auch der deutsche Außenamtschef Fischer wurde in Washington ins Bild gesetzt.

Daß dies erst post factum geschah, ist dabei daas wichtigste Signal. Es deutet nicht nur auf ein neues Selbstbewußtsein im Weißen Haus hin, sondern auch auf das neue Denken: George W. Bush und seine Mannschaft halten sich an Grundsätze. Auf ihr Wort kann man sich verlassen, wie immer man es interpretieren mag. Eine neue Ehrlichkeit hat begonnen in der amerikanischen Politik, und die Europäer täten gut daran, sich darauf einzustellen.

Es ist zum einen die Ehrlichkeit des Mächtigen. Man hat es nicht nötig, sich zu winden und zu rechtfertigen. Als einzige Weltmacht, als Hegemon, sind sich die Männer um Bush bewußt, daß sie auch eine besondere Verantwortung für diese Welt haben. Nicht wenige von ihnen spüren diese Verantwortung auch vor Gott und haben sich öffentlich dazu bekannt. Da muß man in Europa schon suchen.

"Die eigentliche Aufgabe des Mächtigen ist seine Schutzfunktion", lehrte um 1650 der politische Philosoph und Naturwissenschaftler Blaise Pascal. Vor und nach ihm haben sich manche Herrscher und Könige an diese Maxime gehalten, die meisten freilich nicht. Die Regierung Bush meint es ernst damit. Sie sieht in Diktatoren wie Saddam Hussein, Gaddafi oder auch Regimen wie in Iran und Nordkorea Gefahren für die jeweilige Region oder gar den Weltfrieden. Deshalb will sie diese Gefahr eindämmen und die Bevölkerung schützen, bevor es zu spät ist.

Daß man vor dem Angriff auf das militärische Ziel einer Radaranlage im Irak weder die Deutschen noch die Franzosen informierte, hat mit der innenpolitischen Situation in Deutschland und im Fall Frankreichs mit der Haltung gegenüber Bagdad zu tun. Wer Berlin informiert, muß auch Paris unterrichten, und dann kann man gleich Bagdad anrufen.

Die Kritik aus den eigenen, grünen Reihen an Fischer wegen dessen Zurückhaltung zu den Eindämmungsschlägen gegen Saddam Hussein dürfte Washington bestätigt haben, daß es gut war, Berlin erst später zu informieren, und vielleicht nicht ganz zufällig ließ der deutsche Geheimdienst BND nach der Rückkehr Fischers aus Washington auch ein Analysepapier an Journalisten verteilen, in dem noch einmal auf die Rüstungsfähigkeiten Bagdads hingewiesen wurde: Bau der Atombombe bis in drei Jahren, Herstellung von B- und C-Waffen schon jetzt.

Der Texaner und seine Männer sind keine Freunde diplomatischer Heuchelei. Im State Departement kann übrigens jeder auf Anfrage erfahren, wie die neuen Prioritäten der amerikanischen Außenpolitik aussehen: "Wir werden uns zuerst auf die Beziehungen zu unseren unmittelbaren Nachbarn und deren Probleme konzentrieren. Dann kommen unsere Verbündeten in Europa, dann in Asien und erst danach Rußland und China." Das bedeutet eine Totalrevision der konturenlosen und eher von den zufälligen Umständen bestimmten Außenpolitik Clintons. Im Nahen Osten hat Powell begonnen, die Scherben zusammenzukehren, die Clinton dort mit seiner kleinkarierten Politik hinterlassen hat. Arafat hatte die Chance, Frieden zu stiften. Er ging auf die Kompromißvorschläge der Regierung Barak nicht ein. Jetzt muß er mit Sharon zurechtkommen – und mit der Tatsache, daß die Amerikaner ihm und der Intifada weniger Bedeutung beimessen und statt dessen die Region aus der Vogelperspektive betrachten. Da erscheinen die palästinensische Autonomie klein und die Ölgebiete am Golf sowie die Beziehungen zu Saudi Arabien, Ägypten und Syrien schon viel größer.

Diese Beziehungen werden angesichts des wachsenden Radikalismus der Islamisten in der arabischen Welt neu austariert, und das liegt durchaus im Interesse der jeweiligen Prinzen und Potentaten. Ihre Bedrohung ernst zu nehmen ist auch ein Stück Ehrlichkeit. Außerdem hat Powell angekündigt, daß er sämtliche Sanktionsmaßnahmen überprüfen werde, auch die gegen Bagdad: Saddam habe mehr Geld denn je in der Tasche, er lasse sein Volk hungern, und die internationale Propaganda arbeite für ihn. Die neuen Sanktionen sollen ihn treffen und das Volk verschonen.

Die größe Gefahr allerdings sieht Washington derzeit in den weit verzweigten und finanzstarken Terrorgruppen des saudischen Milliardärs Osama bin Laden. Der radikal-islamische Mäzen des Terrors kann Raketen kaufen und von irgendwo in Asien oder Afrika auf Amerika abfeuern. Davor will man die Bevölkerung schützen, und deshalb wird die Regierung Bush auch den Raketenschild bauen, ob die Europäer und Russen dies wollen oder nicht.

Moskau hat dies offenbar noch nicht begriffen, sonst würde es nicht zum wiederholten Mal den Europäern ein eigenes Angebot für ein Rakentenschutzsystem unterbreiten.

Aber vielleicht geht es den Russen gar nicht um die Pläne Washingtons, sondern um eigene Absichten. Man könnte die Ängste der Europäer nutzen, einen Keil in das westliche Bündnis zu treiben und die USA den Europäern zu entfremden. Das wäre altes russisches Denken. Schon Stalin hatte 1952 mit einem verlockenden Angebot an die Deutschen Europa zu neutralisieren und von Amerika abzukoppeln versuchen.

Dies gelang damals nicht, und es dürfte auch diesmal nicht gelingen. Nicht weil die deutsche Regierung diplomatisch so geschickt agiert, sondern weil die Europäer ohne die Klammer der Nato, sprich ohne die Amerikaner, vielleicht nicht schutzlos, aber machtlos sind. Rußland bietet da keine Alternative.

Washington denkt beim Stichwort Rußland auch an die florierenden Geschäftsbeziehungen Moskaus zu den Mullahs in Iran. Die hohen Ölpreise haben Teherans Kriegskassen wieder gefüllt. Das Hauptinteresse der Mullah-Diktatur richtet sich derzeit auf Laser-, Nuklear- und Chemietechnologie. Die Bundesregierung hat diese Branchen nach deutlichen Hinweisen des BND schon vor anderthalb Jahren gewarnt, ihre Exporte nach Rußland würden zum Teil weitergeleitet nach Iran.

Die amerikanische Regierung geht nach Zeitungsberichten davon aus, daß Teheran über ausreichend nukleares Wissen verfügt, um die Atombombe zu bauen. Das Know-how kommt freilich nicht nur aus Deutschland. Russische Firmen und vor allem China kooperieren seit Jahren mit den Mullahs. China liefert zusätzlich Raketentechnologie und hilft nach Kräften, das iranische Arsenal an chemischen Waffen aufzustocken. Die Parallelen zum Irak sind erstaunlich. Auch dort arbeiten die Chinesen fleißig mit bei der Raketenaufrüstung des Regimes.

Europa rümpft die Nase gegenüber Amerikas Rüstungslobby und Regierung. Aber das sind keine Cowboys, auch wenn sie so aussehen oder gehen. Bush und seine Mannschaft wissen: Die Kriege von morgen werden in Labors entschieden, nicht mehr auf dem Schlachtfeld. Der Raketenschild ist Teil dieses Szenarios. Amerika denkt weiter.

Die Linksregierungen in Europa mögen Bush aber auch aus einem  anderen, unausgesprochenen Grund nicht: Dieser Mann tut, was er sagt, und er sagt, was er denkt. Auf dem alten Kontinent, vor allem in Deutschland, herrscht derzeit auf der politischen Bühne eine Denk- und Sprachregelung, die mit "political correctness" nur milde umschrieben ist und deren hervorragendes Merkmal ein verlogener Opportunismus ist. Die neue Ehrlichkeit der Regierung Bush stößt da naturgemäß auf Befremden, zumal man sich in der Gesellschaft Clintons diesbezüglich recht wohl fühlte. Das würde heute freilich niemand mehr zugeben wollen, ist doch Clinton nicht mehr im Amt und wegen seiner Habgier im Visier der Medien.

Die neue Ehrlichkeit wird sich auch in einem Bereich zeigen, dem mittlerweile strategisch-wirtschaftliche Bedeutung zukommt, jenseits aller menschlichen und zivilisatorischen Identitätsstiftung für eine Gesellschaft. Es ist der Lebensschutz. Hier müßten die Europäer wegen eklatanter demographischer Defizite eigentlich ein hohes Interesse haben, weil diese Defizite bereits auf die Volkswirtschaft und die Sozialsysteme durchschlagen. Bush hat internationalen Organisationen, die im Ausland für Abtreibung eintreten, schlicht die Gelder gestrichen.

Mit dem neuen Präsidenten wird es eine Umkehr zum Thema Lebensschutz geben. Clinton verhielt sich hier wie die meisten Europäer, nämlich barbarisch. Man wird Bush die harte Praxis der Todesstrafe entgegenhalten. Aber diese politische Gleichung geht nicht ganz auf. Bei ungeborenen Kindern handelt es sich um Unschuldige in jedem Fall, bei den Hinrichtungen in den meisten Fällen um Schwerstkriminelle.

Sicher, das Leben ist an sich unantastbar, unverfügbar. Aber die Wende beim Lebensschutz mit dem Hinweis auf die Todesstrafe zu verdammen ist dumm und unehrlich. Beides ist für eine Zivilisation des Rechts und der Solidarität nötig, die Abschaffung der Todesstrafe und das Verbot der Abtreibung. Mit Bush wird immerhin eines dieser Ziele erreicht. Die Europäer täten gut daran, sich auf die neue Ehrlichkeit in Amerika einzustellen, ob sie ihnen gefällt oder nicht. Jürgen Liminski