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10.03.01 Zu Unrecht vergessen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. März 2001


Zu Unrecht vergessen
Erinnerung an den Dichter und Juristen Ernst Wichert
Barbara Zander

Das ist er ja gar nicht", sagte die Frau im eleganten grauen Kostüm und legte enttäuscht die Klarsichthülle mit dem Schriftstück zurück auf den Tisch zu den anderen Auktionslosen. Extra wegen des vermeintlichen Schnäppchens war sie zu dieser Auktion gekommen. Sie hatte ja recht, das war nicht der Ernst Wiechert mit dem "einfachen Leben" und den "Jeromin-Kindaern". Das hätte eigentlich schon aus den Katalogbeschreibungen klar werden können, denn die angegebenen Daten stimmten nicht zu Wiecherts Leben. Sie habe eben gehofft, es würde sich um einen der häufigen Fehler in solchen Katalogen handeln, sagt sie mit einem bedauernden Lächeln.

Dieser hier war Ernst Wichert – Wichert ohne "e", der Insterburger Wichert. Welches Glück, denn die Zahl der Mitbieter bei dieser Auktion reduzierte sich dadurch drastisch. Für dieasen Wichert interessierte sich kaum jemand – da bekommt man schnell und ohne großes Hin und Her den Zuschlag. Als die Namensverwechslung einmal klar war, blieben auch nicht mehr viele Interessenten, auch die Händler sprangen ab.

So wird man also stolzer Besitzer eines von Ernst Wichert eigenhändig 1883 in Königsberg gesachriebenen Sinnspruches mit dem Inhalt: "Was menschlicher Verstand versteht, sei ihm zu denken unbenommen. Nur fragt sich: wenn man weitergeht, wie weit ist ohne ihn zu kommen?"

Allerdings hat dieser Wichert soviel Desinteresse wirklich nicht verdient, war er doch zu seiner Zeit ein durchaus bekannter Mann. Ernst Wichert wurde am 11. März 1831 in Insterburg geboren, wo sein Vater als Jurist tätig war. Auch er studierte an der Albertina in Königsberg Jura und wurde Richter, zunächst 1860–63 in Prökuls, dann bis 1888 in Königsberg, danach in Berlin. 1896 wurde ihm von der Königsberger Universität sogar die Ehrendoktorwürde verliehen.

Wichert hat, obwohl er durchgehend als Richter tätig war, ein umfangreiches Werk hinterlassen, seine große literarische Produktivität brachte über 60 Novellen und Erzählungen, 18 teils mehrbändige meist historische Romane und über dreißig Theaterstücke hervor. Zu seiner Zeit war Wichert besonders mit seinen Lustpsielen erfolgreich, die von allen großen Bühnen aufgeführt wurden.

Sein Gesamtwerk ist fast vollständig in Vergessenheit geraten. Bekannt blieben eigentlich nur der historische Roman "Heinrich von Plauen" und seine "Litauischen Geschichten".

Besonders Letztere sind von Interesse geblieben, da er das Volk der preußischen, evangelischen Litauer seinen Lesern erst bekannt machte. Eine ganze Zeit vor Sudermann beschrieb er in diesen Dorfgeschichten das Leben der Litauer, ihre Bräuche, die herben Reize der Landschaft an Memel und Haff sowie der Elchniederung, den beständigen Kampf zwischen Mensch und urgewaltiger Natur.

Beeinflußt wurde er von den Reisebeschreibungen seines langjährigen Freundes Louis Passarge (1825–1912), der sich besonders der Kuren auf der Nehrung und im Samland literarisch annahm. Wichert jedoch hatte die preußischen Litauer während seiner Zeit in Prökuls kennengelernt und setzte ihnen ein Denkmal, genau wie später der allerdings unvergessene Hermann Sudermann. Genau wie dieser hatte schon Wichert den Untergang der Litauer durch Assimilation melancholisch vorausgesehen.Ernst Wichert starb am 21. Januar 1902 in Berlin.