19.04.2024

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10.03.01 Das historische Kalenderblatt: 9. März 1888

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. März 2001


Das historische Kalenderblatt:
9. März 1888 Friedrich Wilhelms "99 Tage" begannen.
Die Regentschaft des Deutschen, der sich als Monarch Friedrich III. nannte, blieb nur Episode

Die Regentschaft Friedrichs III. stand von Beginn an unter dem Schatten seines schweren, schließlich tödlichen Kehlkopfkrebsleidens. Schon als Kronprinz hatte ihn zu Beginn des Jahres 1887 eine hartnäckige Heiserkeit befallen, die er nie mehr längerfristig loswurde. Der 28. Oktober des darauffolgenden Herbstes war der letzte Tag, an dem ihn seine Ehefrau Victoria mit seiner natürlichen Stimme sprechen hörte. Die Suche nach einem Ort mit günstigerem Klima führte ihn aus Preußen und Deutschland heraus nach San Remo, wo er eine knappe Woche später die Villa Zino bezog. Hier wurde am 9. Februar des folgenden Jahres 1888 eine Tracheotomie vorgenommen, die dieser Germanengestalt nach der bereits verlorenen Gesundheit auch noch die Stimme kostete.

Der derart Geschwächte und Gehandikapte wurde bereits einen Monat darauf mit einer Aufgabe konfrontiert, die er als Gesunder jahrelang herbeigesehnt hatte und der er nun kaum noch gewachsen war. Nachdem ihn in den Tagen zuvor schon schlechte Nachrichten über den Gesundheitszustand seines im 91. Lebensjahr stehenden Vaters Wilhelm I. und die schriftliche Aufforderung des Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten Otto Fürst v. Bismarck, unverzüglich nach Berlin zurückzukehren, erreicht hatten, wußte der Hohenzoller sofort Bescheid, als ihm im Garten seiner Villa eine Depesche übergeben wurde mit der Aufschrift "Seiner Majestät Kaiser Friedrich Wilhelm".

Obwohl sein Leibarzt seine Frage, ob es gefährlich für ihn sei, nun nach Deutschland zu reisen, positiv beantwortete, kam der Preuße seiner Pflicht nach. Als der Sonderzug Leipzig erreichte, stieg Bismarck zu, den Friedrich III. zuvor schon wie das gesamte Ministerium und die Chefs des Zivil- und Militärkabinetts telegraphisch im Amte bestätigt hatte. Von Beginn an war der liberale und auch romantische Herrscher dem konservativen Real- und Machtpolitiker unterlegen. Zu seiner schweren Krankheit und dem Verlust der Sprache kam als weiteres Handikap, daß der von Opportunismus nicht freien Staatsverwaltung sowohl das nahe Ende des Monarchen als auch dessen sehr gespanntes Verhältnis zum ältesten Sohn und designierten Nachfolger, Kronprinz Wilhelm, kein Geheimnis war.

Nicht einmal so nennen, wie er wollte, konnte er sich. Eigentlich hätte er als Herrscher lieber den Namen Friedrich IV. geführt, denn im Gegensatz zu seinem konservativen Vater fühlte sich der liberale und romantische Friedrich Wilhelm nicht primär als König von Preußen, sondern als Deutscher und Nachfolger der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (Deutscher Nation), und von letzteren hatte es bereits drei mit dem Namen Friedrich gegeben. Dieser Wunsch Friedrich Wilhelms blieb jedoch unter dem Druck der Altpreußen ebenso unberücksichtigt wie jener aus der Gründungszeit des Deutschen Reiches, analog zum Heiligen Reich des Mittelalters als Wappen den Reichsadler ohne das Preußenwappen als Brustschild zu führen, da das Reich in seinen Augen kein Großpreußen, sondern der Nationalstaat der Deutschen sein sollte.

Da Friedrichs III. Regentschaft nur 99 Tage dauerte und er in dieser Zeit kaum Akzente setzen konnte, ist in der Geschichtswissenschaft umstritten, wie groß der Verlust für Deutschland durch seinen frühen Tod einzuschätzen ist. Einen gewissen Aufschluß über seine Ziele bieten die beiden Proklamationen "An mein Volk" und "An den Reichskanzler", die er bereits als Kronprinz vorbereitet hatte und bei dem geschilderten ersten Treffen als Kaiser und König mit dem Reichskanzler Bismarck diesem übergeben hatte. Der dort enthaltenen Willensäußerung, "in dem öffentlichen Dienste dahin einzuwirken, daß der Versuchung zu unverhältnismäßigem Aufwande entgegengetreten werde", konnte er sogar Taten folgen lassen. So schaffte er ebenso nutzlose wie kostspielige Paradestücke der Uniformen wie beispielsweise die messingnen Offizierspaletten ab und ersetzte bei den Kürassieren die durch die fortschreitende Waffentechnik zur reinen Zier werdenden Brustpanzer durch wirkungsvollere Karabiner.

Die bekannteste Tat Friedrich Wilhelms als Monarch ist jedoch eine andere, der Sturz des der Wahlfälschung zugunsten eines Verwandten massiv verdächtigen Vizepräsidenten des preußischen Staatsministeriums Robert Viktor v. Puttkamer. Dessen Schuld vorausgesetzt entsprach diese Tat des Königs dem preußischen Ideal der Ausschaltung von Vetternwirtschaft betreibenden Staatsdienern, dem liberalen Ideal der Verteidigung der Rechte des Bürgers beziehungsweise Untertans gegenüber der Willkür staatlicher Amtsträger sowie dem romantischen Ideal des Schutzes des Schwachen vor dem Stärkeren. Bezeichnenderweise waren es gerade diese drei Weltanschauungen, Preußentum, Liberalismus und Romantik, die das Denken, Fühlen und Handeln dieses edlen Deutschen prägten.

Friedrichs III. Edelmut ist weithin unbestritten, doch werden ein Defizit an Willensstärke und Geist sowie eine Unvereinbarkeit seiner liberalen und romantischen Vorstellungen gelegentlich kritisch konstatiert und darauf fußend die These gewagt, daß die in seine Regentschaft gesetzten Hoffnungen auch ohne seine tödliche Krankheit enttäuscht worden wären. Nichtsdestotrotz wäre alleine schon der Versuch, den ein gesunder Friedrich III. unternommen hätte, eine Synthese zwischen seinen liberalen und seinen romantischen Vorstellungen zu realisieren, dem Wilhelminismus, der statt dessen kam, vorzuziehen gewesen. Manuel Ruoff