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17.03.01 Atomwaffen am Pregel: Reale Gefahr oder gezielte Desinformation?

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. März 2001


Nato und Rußland:
Das Spiel mit Königsberg
Atomwaffen am Pregel: Reale Gefahr oder gezielte Desinformation?
(Hans Heckel)

Die Gerüchte reißen nicht ab, daß Rußland im nördlichen Ostpreußen neuerlich Atomwaffen stationiert hat. Jüngst berichtete dies die norwegische Zeitung "Aftenposten" mit Verweis auf Informationen aus Militärkreisen.

Sollte Moskau tatsächlich daran arbeiten, Königsberg zur nuklearen Abschußrampe auszubauen, so kann hier nur von politischer Dummheit gesprochen werden. Die Region bietet den Russen die Chance, Drehpunkt für engere Kontakte mit West- und Mitteleuropa, vor allem mit Deutschland zu werden. Seit einem Jahrzehnt beobachten vor allem Deutsche mit wachsendem Unverständnis und schwindender Geduld, wie die russische Seite alle an den Ufern des Pregel verborgenen Chancen in den Wind geschrieben hat.

Als Raketenabschußstation indes würde Königsberg nicht Brücke Rußlands gen Mitteleuropa, es gliche vielmehr einer Faust im Nacken der Europäer.

Wer könnte daran ein Interesse haben? Rußland gewiß nicht: Es ist das alte Trauma der Moskowiter, nicht als Europäer akzeptiert zu werden. Sich auf diese Weise selbst auszubooten wäre ein Schlag ins eigene Kontor.

Ein offenes Geheimnis ist unterdessen, daß Washington nach wie vor die Ausweitung der Nato über Polen, Tschechien und Ungarn hinaus anstrebt. Besonders reizvoll sind die drei baltischen Republiken. Vom estnischen Narva aus ist es bis zu den russischen Militärbasen um Sankt Petersburg ein Katzensprung. Die USA könnten ihr Potential in unmittelbarer Nähe von Rußlands zweitwichtigstem Nervenzentrum in Stellung bringen.

Selbstverständlich läßt sich diese verlockende Aussicht kaum als offizielles Argument für eine Erweiterung der Nato um Estland, Lettland und Litauen ins Feld führen. Hier müssen defensive Motive glaubhaft gemacht werden, sprich: Eine akute Bedrohung der drei baltischen Republiken durch Rußland.

Nachrichten über eine massive Aufrüstung der russischen Seite ausgerechnet in Königsberg – also im Rücken der drei kleinen Länder – kommen da nicht ungelegen. Wer wollte jetzt noch bezweifeln, daß diese Staaten im Schraubstock wachsender postsowjetischer Bedrohung stecken, der jederzeit angezogen werden kann, wenn die Nato nicht vorher zur Stelle ist.

Moderate Stimmen, welche vor einer Isolierung Rußlands warnen, die dort unkontrollierbare Reaktionen heraufbeschwören könnte, haben vor einem solchen Szenario kaum noch eine Chance. Sie würden abgeschmettert.

Ganz nebenbei haben Berichte über russische Drohgebärden gegen europäische Nachbarn für Washington auch aus sehr aktuellem Anlaß einen besonderen Charme. Das amerikanische Raketenabwehrsystem "NMD" bereitet den Europäern Bauchschmerzen. Zwar hat insbesondere Berlin seinen Widerstand mittlerweile aufgegeben. Doch selbst im ansonsten amerikahörigen Britannien bleibt NMD in der Öffentlichkeit unbeliebt. Allenthalben wird befürchtet, die USA wollten sich aus der Risikogemeinschaft davonstehlen und die europäischen Verbündeten im Regen stehen lassen.

Wladimir Putin hat dies wohl bemerkt und schlug den Europäern eine gemeinsame russisch-europäische "NMD"-Variante vor. Nun ist sich nicht einmal das Pentagon sicher, ob das eigene Programm technisch je funktionieren wird, weshalb Putins Vorstoß kaum mehr denn als Geste verstanden werden kann. Aber auch die ist hinsichtlich der schlechten Stimmung in Europa für die USA ziemlich unangenehm. Es entsteht das Bild, daß Moskau den Europäern etwas bietet, was Washington ihnen verwehren will.

Berichte über gleichzeitige russische Atomwaffenstationierungen vor den Toren der europäischen Metropolen sind auch in diesem Zusammenhang ganz im Sinne der USA. Putins Angebot muß so ganz und gar unglaubwürdig erscheinen.

Daß mit erfundenen Drohkulissen die öffentliche Meinung beeinflußt wird, wissen die Deutschen seit dem Kosovo-Krieg. Mit einem "Hufeisen" genannten Plan wollten die Serben in Bälde alle Albaner vom Amselfeld verjagen, verkündete Verteidigungsminister Scharping. Später sollte sich herausstellen, daß "Hufeisen" eine Erfindung war. Doch inzwischen war die Öffentlichkeit auf Krieg eingestellt.

Ob die Berichte über russische A-Waffen-Stationierungen echt sind oder nicht, läßt sich zur Zeit nur vermuten. Es lohnt sich aber allemal, über die konkreten Nutznießer solcher Informationen nachzudenken. Und die wohnen kaum in Moskau – und schon gar nicht in Königsberg.