27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.03.01 EU-Osterweiterung: Wirtschafts-Gemeinschaft

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. März 2001


EU-Osterweiterung:
Wirtschafts-Gemeinschaft
Ökonomische Themen wichtiger als politische
von Pierre Campguilhem

Nächste Woche, das heißt am 23. und 24. März, findet in Stockholm ein informelles Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union statt, zu dem auch der russische Präsident Wladimir Putin erwartet wird. Vorgesehen ist, wie dem Ostpreußenblatt gegenüber in der schwedischen Botschaft in der französischen Hauptstadt erklärt wurde, daß der hohe Gast aus Moskau nur an einem Mittagessen teilnehmen wird. Vermutet werden könne immerhin, daß auch bilaterale Treffen zustande kommen.

Wie uns ein Botschaftssprecher weiter mitteilte, wird das Thema der Beratungen zwischen der EU und Rußland anläßlich des offiziellen Mittagessens eher wirtschaftlich als politisch sein. Schweden, das den Vorsitz der EU während des ersten Halbjahres 2001 innehat, mißt den Beziehungen zwischen Rußland und der Europäischen Union größte Bedeutung bei. In dieser Hinsicht sei es nicht ausgeschlossen, daß die Lage in und um Königsberg in Stockholm nächste Woche Gegenstand von Unterredungen mit Putin sein könnte.

Die schwedische Außenministerin Lindh und der EU-Kommissar für die Außenbeziehungen, Patten, waren Mitte Februar als Gäste in der Exklave empfangen worden und konnten sich ein Bild ihrer desolaten Lage verschaffen. Nach Ansicht des schwedischen Botschaftssprechers in Paris sei die Situation in der Exklave durch Wirtschafts-, Umwelt- und Kriminalitätsprobleme gekennzeichnet, ohne daß darüber die militärischen vergessen werden sollten. Auf jeden Fall sei diese Frage äußerst wichtig für die schwedische Diplomatie.

Insgesamt glaubt der schwedische Diplomat, daß die Vertreter der EU, falls sie mit Putin über Königsberg sprechen, die wirtschaftlichen Aspekte der Lage im nördlichen Ostpreußen eher als die politischen erörtern werden. Dieselbe Meinung vertritt die Presseabteilung des Elysée-Palastes, da die EU den Beitritt Rußlands zur Welthandelsorganisation WTO befürwortet und mit Moskau auch über die russischen Schulden aus der Sowjetzeit intensiv sprechen will.

Zu den Fristen, die für eine Erweiterung von 15 auf 27 EU-Mitglieder notwendig sein werden, äußerte sich der Botschaftssprecher zurückhaltend. Für die schwedische Diplomatie scheint die Vertiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Rußland den Vorrang zu haben, um so mehr, als Moskau seine Meinung hinsichtlich der Osterweiterung innerhalb von zehn Jahren "bedeutsamerweise" geändert habe. Die Skepsis – oder gar feindselige Einstellung – hinsichtlich der Osterweiterung sei in den führenden Kreisen des Kremls verschwunden.

Selbst eine Beteiligung der baltischen Staaten an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) mit ihren militärischen Aspekten würde Rußland heute weniger als früher beängstigen. Alles in allem habe sich der Kreml mit dem Beitritt Estlands, Lettlands und Litauens zur EU abgefunden. Für den Beobachter hat es den Anschein, daß innerhalb einiger Jahre Probleme, die gegenwärtig unlösbar aussehen, ihre Lösung finden werden.

In unserem Gespräch wies der Botschaftssprecher ferner darauf hin, daß zwei weitere bedeutende Treffen der EU unter schwedischem Vorsitz vorgesehen seien: in Malmö Ende April und in Göteborg Ende Juni. In Malmö werden die Wirtschafts- und Finanzminister der Mitgliedstaaten im Beisein der Gouverneure der Zentralbanken zusammenkommen. Dabei werden die zuständigen Ressortchefs der Beitrittsstaaten anwesend sein. Ende Juni findet dann in Göteborg das Schlußgipfeltreffen des schwedischen EU-Vorsitzes mit Teilnahme der EU-Kandidaten statt. Schweden habe sich für seine Präsidentschaft drei Prioritäten auferlegt: Arbeitsmarktpolitik, Osterweiterung und Umweltschutz. Die Tatsache, daß noch während des schwedischen EU-Vorsitzes der schwedische Regierungschef nach Moskau reisen soll, belegt offenkundig, daß Schweden derzeit alles tun will, um Moskau zu schonen und nicht zu brüskieren.