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17.03.01 Der "Butterkrieg" im Stettiner Haff

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. März 2001


Der "Butterkrieg" im Stettiner Haff
Streit um lukrative Einkaufsfahrten zwischen Deutschen und Polen

Der Streit im Stettiner Haff zwischen den deutschen und den polnischen Reedereien und Behörden um die lukrativen Butterfahrten zwischen Altwarp und dem derzeit polnischen Neuwarp (Nowe Warpno) ist Anfang März eskaliert. Der Konflikt dauert bereits einige Jahre an und hatte schon im vergangenen Sommer für Schlagzeilen gesorgt, doch damals ging alles noch glimpflich ab. Jetzt aber haben die Behörden der beiden Seiten der jeweils anderen Reederei das Recht zum Einlaufen in den eigenen Hafen untersagt.

Bezog sich der Streit anfangs nur auf Altwarp und Neuwarp, so ist er in der vergangenen Woche eskaliert. Die deutschen und die polnischen Stellen kündigten an, sich gegenseitig auch beim Anlaufen anderer Häfen im Stettiner Haff – beispielsweise Ueckermünde und Kamminke – zu blockieren. Alle Vermittlungsversuche durch die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin und die Wojewodschaftsverwaltung in Stettin blieben bis Redaktionsschluß erfolglos.

Ausgangspunkt des Streits sind die beiden kleinen Fischerdörfchen Altwarp und Neuwarp. Sie liegen in Sichtweite, zwischen ihnen pendeln die Schiffe hin und her. Im Sommer legt in Spitzenzeiten fast alle zehn Minuten ein Schiff an. Und da während der Fahrt die EU-Außengrenze überschritten wird, dürfen die Reisenden zollfrei einkaufen. An Bord der Schiffe werden Spirituosen, Zigaretten, Parfüm und Schokolade in solchen Mengen verkauft, daß mancher Supermarkt-Betreiber neidisch werden kann. Nach Angaben von Klaus Richter vom Schweriner Wirtschaftsministerium haben deutsche und polnische Behörden gegen die Schiffe der jeweils anderen Seite Ein- und Auslaufverbote verhängt: "Grund waren die nach Auffassung der jeweils anderen Seite fehlenden Atteste." Das Problem soll schon bald bei einem Gespräch zwischen Vertretern des Bundesverkehrsministeriums und des polnischen Transportministeriums in Berlin grundsätzlich gelöst werden.

Nach Angaben der Geschäftsführerin der Insel- und Hallig-Reederei Altwarp, Inge Bocklage, wird das Oderhaff auf deutscher Seite als Binnengewässer betrachtet, in Polen dagegen als Seegewässer. Dementsprechend seien die Papiere ausgestellt. Einem bilateralen Abkommen von 1993 zufolge dürften die deutschen Fähren mit ihren Binnenschiffspapieren nach Neuwarp verkehren. Das Fahrverbot der Polen für die deutschen Schiffe sei überraschend gekommen, es sei keine Frist gesetzt worden. Eine Entscheidung erwarte sie jetzt vom Seeamt Stettin. Sie habe das Schweriner Wirtschaftsministerium um Hilfe gebeten.

Sauer ist auch der Bürgermeister von Altwarp, Heinz Kunath. Wie er berichtet, nutzen täglich rund 5000 Personen die drei Kilometer lange Fährverbindung über das Stettiner Haff und den Neuwarper See zu sogenannten Butterfahrten. Etwa zwei Drittel von ihnen seien Deutsche. Betroffen von der Einstellung des Fährverkehrs seien 65 Arbeitsplätze auf den Schiffen und im Hafenbereich der 850-Einwohner-Gemeinde. Kunath sagte, die Sache müsse schnellstens behoben werden, da der Hafen in den letzten Jahren für sehr viel Geld eigens für die grenzüberschreitende Fährverbindung ausgebaut worden sei.

Der Insel- und Hallig-Reederei zufolge war zunächst ein polnisches Schiff von deutschen Behörden wegen fehlender Papiere zurückgewiesen worden. Als Reaktion darauf sei deutschen Schiffen das Anlegen in Neuwarp verboten worden. Die Reederei habe wegen des Fahrverbots 50 ihrer 86 Beschäftigten vorerst nach Hause schicken müssen.

Anfangs gaben sich beide Seiten betont optimistisch: So versicherte der Referatsleiter Seeverkehr und Häfen im Schweriner Wirtschaftsministerium, Klaus Richter, nach einem ersten Gespräch mit dem Seeamt Stettin, mit der baldigen Wiederaufnahme des Fährverkehrs auf dem Stettiner Haff zwischen Altwarp und Neuwarp sei zu rechnen.

Doch statt zu einer Einigung kam es zu einer Verschärfung: Polen will an der Einschränkung des Fährverkehrs auf dem Stettiner Haff festhalten. Eine Einigung gebe es lediglich bei der gegenseitigen Anerkennung der Schiffahrtspapiere, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Rolf Eggert (SPD).

Das Seeamt Stettin begründet die Einschränkung des mit zollfreiem Einkauf verknüpften Fährverkehrs von Altwarp nach Neuwarp mit Schäden im Hafen von Neuwarp wegen der zu hohen Motorleistung der deutschen Schiffe.

Bedingt durch die Vorteile der Butterfahrten fahren immer mehr Schiffe immer öfter in der deutsch-polnischen Grenzregion. Marktführer ist dabei die deutsche Adler-Reederei, die ihren Hauptsitz auf Sylt hat. Die Adler-Schiffe verkehren dabei sowohl auf der Ostsee – von Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck nach Swinemünde – als auch im Stettiner Haff – Ueckermünde, Kamminke und Altwarp.

Und die Adler-Reederei will weiter expandieren: Am 1. April nimmt die umgebaute "Adler Germania" den Autofähr-Verkehr von Altwarp (Uecker-Randow-Kreis) über das Oderhaff nach Swinemünde auf. Dreimal täglich soll die Fähre verkehren, sagt die Geschäftsführerin der Insel- und Hallig-Reederei Altwarp. Eine halbe Million Mark habe das Unternehmen in die Umbauarbeiten investiert.

Neben dieser neuen Autofähre werden laut Inge Bocklage von der Adler-Reederei in diesem Jahr wieder zwei Passagierfähren nach Neuwarp unterwegs sein. Ebenso lichten im Hafen von Kamminke sowie in Ueckermünde jeweils ein Fährschiff und vor der Insel Usedom insgesamt fünf Schiffe der Reederei ihre Anker. Das Unternehmen schippert nach Auskunft Bocklages auf Erfolgskurs: Allein im vergangenen Jahr seien die Fahrgastzahlen um 15 Prozent gestiegen.

Ganz streng national geht es bei den Seeleuten ohnehin nicht zu. Die Schiffe der Adler-Reederei übernachten und überwintern in polnischen Häfen. Dort werden sie auch gereinigt, mit neuem Diesel ausgerüstet, repariert und gewartet. Und auch ein Teil der Mannschaft kommt aus Polen. Daher hofft die Adler-Reederei, daß man in Stettin auch ihre Bedeutung als Arbeitgeber in Polen berücksichtigen wird. Julius Andresen