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31.03.01 Der Staat von Skopje – eine institutionalisierte Balkankrise als Stachel gegen die Stabilität Mitteleuropas?

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. März 2001


Bananenrepublik ohne Bananen
Der Staat von Skopje – eine institutionalisierte Balkankrise als Stachel gegen die Stabilität Mitteleuropas?
Von R. G. KERSCHHOFER

Jetzt geht es also auch in Mazedonien los. Oder heißt es Makedonien? Keines von beiden,denn völkerrechtlich hat dieser seit 1991 existierende "Staat" die provisorische Bezeichnung "FYROM" – aus "Former Yugoslav Republic of Macedonia".

Nomen est omen, kann man da nur sagen: Als Name für einen "souveränen" Staat muß ein Akronym herhalten, das aus der englischen Version einer juristischen Formel abgeleitet ist! Als Staatsgebiet ist den zusammenwürfelten "Fyromitern" das Territorium einer Teilrepublik des ehemaligen Tito-Slawien zugewiesen! Und als "einigendes Band" bleibt quasi nur, daß man Probleme mit Eigenbezeichnung und Fahne hat – weil nämlich Griechenland glaubt, ein historisch begründetes "Copyright" auf den Namen "Mazedonien" und auf den "Stern von Vergina", das Staatssymbol von König Philipp II., zu besitzen!

Die Namensgroteske ist beispielhaft dafür, wie man – nicht nur am Balkan – das Unwissen der Weltöffentlichkeit mißbraucht und aus Jahrtausende zurückliegenden Fakten oder Mythen heutige Rechtsansprüche konstruiert. Tatsache ist jedenfalls, daß es in der Antike ein Königreich Makedonien gab, welches wir "Mazedonien" nennen, weil sein Name nicht über das Griechische, sondern über das (Spät-)Lateinische zu uns kam. Dieses Mazedonien war nie ein Teil Griechenlands, sondern eher umgekehrt, nämlich ab Philipp II., und einen Staat Griechenland gab es gar nicht! Die Griechen, seefahrend und nie allzuweit von der Küste siedelnd, waren keine Staatsnation, sondern verstanden sich als Kult-Nation: Grieche war, wer an den eleusinischen Mysterien und an den – heute weit besser bekannten – Olympischen Spielen teilnehmen durfte. Alle anderen waren bloß "Barbaren", so auch die Mazedonier. Deren Sprache zählte zwar zur indoeuropäischen Familie, doch eine Verständigung mit den Griechen war nur über Dolmetscher möglich.

Gewiß, die mazedonische Aristokratie wußte griechische Kultur zu schätzen, beschäftigte griechische Künstler und wird teilweise auch Griechisch beherrscht haben. König Philipp II. durfte 356 v. Chr. an den Olympischen Spielen teilnehmen und das Wagenrennen gewinnen. (Oder hätte das olympische Komitee dem Oberhaupt der Hegemonialmacht Mazedonien das "Griechentum" absprechen können?) Und als Hauslehrer für Sohn Alexander wurde kein geringerer als Aristoteles engagiert. Doch an Volkstum und Sprache der Mazedonier änderte all das herzlich wenig.

Das Staatsgebiet des antiken Mazedonien war weitgehend identisch mit der heutigen Landschaftsbezeichnung Mazedonien, schließt also Teile Nordgriechenlands und Westbulgariens ein. Zwecks Unterscheidung ist es daher sinnvoll, das heutige, wenig sinnvolle Staatsgebilde "Makedonien" zu nennen, umsomehr als es deckungsgleich ist mit der jugoslawischen Teilrepublik selben Namens. Verständlich wird aber auch die griechische Paranoia, denn ein "starkes" Makedonien könnte – theoretisch – Anspruch auf Nordgriechenland erheben.

Die heutige Bevölkerung Makedoniens besteht zu zwei Dritteln aus Slawen, die im Königreich Jugoslawien "Südserben" hießen und eine bulgarische Mundart sprechen – welche dann von Tito aus Staatsräson zur "makedonischen Sprache" erhoben wurde. Die Albaner machen knapp ein Viertel aus. Dazu kommen noch Türken (vier Prozent), Zigeuner (2,5 Prozent), "echte" Serben (zwei Prozent) sowie "Sonstige". Wo aber sind die Mazedonier geblieben? Man muß sich von der Vorstellung lösen, daß Bevölkerungsverschiebungen immer und überall so radikal abliefen wie etwa die ethnische Säuberung des "Gelobten Landes" vor dreitausend Jahren oder wie die Massenvertreibungen und Ausrottungen des 20. Jahrhunderts. In der Regel kam es nur zu Überlagerungen, wobei entweder die "Neuen" den "Alten" ihre Identität aufprägten oder aber von ihnen aufgesogen wurden.

Die Griechen können trotz aller Besetzungen und Fremdeinflüsse auf eine jahrtausendealte Kontinuität in Süd-, Mittel- und Inselgriechenland verweisen. Als Nachfahren der Illyrer sind auch die Albaner Altansässige in ihrem heute auf mehrere Staaten aufgeteilten Gebiet. Eine kulturelle Kontinuität gibt es jedoch nicht, und auch die albanische Sprache ist durch Entlehnungen stark verändert. Doch die meisten Illyrer sowie die Mazedonier leben nur noch genetisch weiter – in der slawisierten, also "umgevolkten" Mischbevölkerung. Volkstumsmäßig und sprachlich sind sie Geschichte.

Die Slawen gelangten im frühen Mittelalter auf den Balkan, teils sogar bis in den Peloponnes. Mazedonien wurde bis zur Ägäis weitgehend slawisiert, was auch den Erfolg der "Slawenapostel" Kyrill und Method verständlich macht: Denn die beiden griechischen Mönche aus Saloniki waren mit der Sprache ihrer späteren Schäfchen von Jugend an vertraut, brauchten also nicht "Altbulgarisch" zu erfinden, sondern nur theologische Ausdrücke mit neuen Bedeutungen zu unterlegen.

Das Vordringen der Slawen erfolgte teils gewaltsam, teils jedoch mit Billigung der oströmischen Kaiser! Hier zeigt sich jene "byzantinische" Politik, die nicht wie der römische Kolonialismus auf Homogenisierung des Staatsvolkes abzielte, sondern darauf, Völker und Gruppen gegeneinander auszuspielen! Das erklärt auch, warum der längst christianisierte Nahe Osten so rasch verloren ging, denn verglichen mit den christlichen Mitbrüdern in Konstantinopel mußten die arabischen Eroberer als kleineres Übel erscheinen. Daß die Byzantiner mit dem Anheuern türkischstämmiger Söldner zur schleichenden Türkisierung ihres Reiches und letztlich zum eigenen Untergang beitrugen, ist kein Trost, denn der Fall von Konstantinopel 1453 war eine europäische Katastrophe, die bis heute nachwirkt.

Bezeichnenderweise wurde die byzantinische Politik vom Osmanischen Reich fortgesetzt und Jahrhunderte später auch von Stalin und Tito praktiziert – jeweils mit ähnlich fatalem Ergebnis. Darum Vorsicht: Wo Minderheiten importiert, gezüchtet oder durch willkürliche Grenzziehungen geschaffen werden, sind nicht selten Leute am Werk, die durch Teilen und Herrschen die eigene Macht zu sichern trachten!

Die Osmanen hatten den Balkan von Süden her aufgerollt und – unter Umgehung Konstantinopels – in der Schlacht am Amselfeld 1389 das serbische Königreich vernichtet. Im nationalen Mythos der Serben spielt diese Niederlage eine zentrale Rolle. Doch weniger gern hört man, daß das christliche Heer etwa zur Hälfte aus Albanern bestanden haben dürfte, und auch die Formel vom "serbischen Kernland Kosovo" ist fragwürdig, denn im Feudalismus waren Herrschaftsgrenzen und Volkstumsgrenzen keineswegs identisch. Daß sich der Islam am Balkan sehr unterschiedlich ausbreitete, ist ebenfalls auf hausgemachte christliche Probleme zurückzuführen: Zur Abtrünnigkeit neigten vor allem die von slawischen Gaufürsten unterdrückten Albaner sowie die Anhänger der von Katholiken und Orthodoxen gleichermaßen blutig verfolgten Bogumilen-Sekte, Vorfahren der heutigen Bosniaken.

Als Griechenland 1830 erstmals ein Staat wurde, gehörte der "barbarische" Norden noch zur Türkei und hatte eine slawische Bevölkerungsmehrheit. In den Balkankriegen von 1912/13 konnte Bulgarien zunächst die slawischen Reste der osmanischen Konkursmasse an sich bringen, verlor dann aber den Großteil Thrakiens und Mazedoniens an Griechenland und Serbien. Eine griechische Mehrheit im Norden des heutigen Staatsgebiets entstand erst durch Aussiedlung der dortigen Türken und Ansiedlung der jonischen Griechen, die im Zuge des türkisch-griechischen Bevölkerungsaustausches nach 1923 ihre Heimat in Kleinasien aufgeben mußten. Die mehrmaligen Grenzänderungen während des Zweiten Weltkriegs brachten weitere Verschiebungen in der Bevölkerungsstruktur und – im Netto-Effekt – eine Reduktion des Slawentums.

Titos Plan, sich auch Albanien einzuverleiben, war zwar nicht aufgegangen, aber um so mehr kümmerte er sich um "seine" Albaner, die in den rückständigsten Landesteilen wohnten: So unterlief er etwaige Anschlußgelüste an das (altstalinistische) Albanien und sorgte gleichzeitig dafür, daß den Serben in jeder Teilrepublik möglichst viele Minderheiten gegenüberstanden. Er erfand sogar zwei neue "Nationalitäten": "Jugoslawen", zu denen man sich vor allem in gemischten Familien bekannte, und "Muslime", zu denen sich Bosniaken, Albaner, Türken und Zigeuner zählen durften. Die Diskriminierung der Albaner (primär im Kosovo und in Südostserbien, weniger in Nordwestmakedonien und kaum in Südmontenegro) setzte erst nach Tito ein – mit den bekannten Folgewirkungen.

Es bleibt vorläufig Spekulation, warum es in Makedonien ausgerechnet jetzt zur bewaffneten Auseinandersetzung kommt. Warum es nicht schon früher passierte, ist leichter zu beantworten: Die Erhaltung des prekären status quo in dieser Bananenrepublik ohne Bananen ist indirekt den USA zu verdanken, die gleich nach der Auflösung Jugoslawiens "Berater" entsandten. (Die USA steuerten dieses Kontingent zunächst von Wien aus, nicht von Athen oder Ankara, wo die verfeindeten Nato-Partner ihre eigenen, höchst konträren "Schutzmacht-Interessen" verfolgen.) Die Präsenz wohldotierter Amerikaner sorgt aber erfahrungsgemäß für lukrative Nebengewerbe aller Art, an denen stets die lokalen Machthaber mitprofitieren, weshalb sie auch keinerlei Interesse an einer unkontrollierten Eskalation haben können.

Ebenso indirekt dürfte jetzt die Regierung Bush den Auslöser geliefert haben – mit der Ankündigung, sich vom Balkan zurückziehen zu wollen: Entweder wurden dadurch die Albaner zum übereilten Losschlagen inspiriert, oder Kreise, die den Rückzug der USA verhindern wollen, stifteten die Albaner zum Losschlagen an. Während sich Rußland heute wie unter den Zaren als Schutzmacht der Balkanslawen gibt, sind die USA aber sicher nicht Schutzmacht irgendeines Volkes, sondern höchstens einer ihnen nützlichen Regierung. Auffällig ist jedenfalls, daß die internationalen Medien einhellig von albanischen "Rebellen" reden, also weder von "Freiheitskämpfern" noch von "Terroristen".

Uno, Nato und EU haben sich auf strikte Beibehaltung absurdester Grenzen festgelegt. Dieses geradezu "byzantinische" Verhindern ethnisch orientierter Lösungen beweist, wie sehr der Ungeist der Pariser Vorortverträge bis heute weiterwirkt, und die "Entente", die den Fall der Mauer vergeblich zu verhindern trachtete, kann sich dafür in bewährter Weise durch die balkanische Hintertür rächen: Denn alles bisherige Tun und Lassen am Balkan läuft auf maximale Schädigung der "Mittelmächte" hinaus! Das bezieht sich nicht nur auf "Kosten" im materiellen Sinn, an denen Österreich relativ und Deutschland absolut den höchsten Anteil zu tragen hat. Viel schlimmer sind die politischen Folgekosten ständig neuer Flüchtlingswellen: Die Grenzen zwischen Asyl, Zuwanderung und Kriminaltourismus sind längst aufgehoben, und die Reaktionen auf solche Mißstände werden ausgerechnet von jenen als "Fremdenfeindlichkeit" und "Rassismus" ausgeschlachtet, die selber die meiste Butter am Kopf haben.

Bismarck war bekanntlich strikt gegen militärisches Eingreifen am Balkan, weil er den Balkan dessen nicht für wert hielt. Wahrscheinlich sein folgenschwerster Fehler, denn 1914 war es längst zu spät für machbare Lösungen, und der Balkaneinsatz in zwei Weltkriegen blieb erst recht unvermeidlich. Und vergeblich. Auch heute sieht man wieder deutsche und österreichische Uniformen am Balkan – aber diesmal stehen die Soldaten sogar unter fremden Kommando und müßten im Ernstfall gegen die Interessen der eigenen Heimat handeln ...