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31.03.01 Die Chronologie einer kalten Demonstration von Macht

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. März 2001


Freispruch für Österreich
Die Chronologie einer kalten Demonstration von Macht

Es ist nun ein Jahr her, daß die Europäische Union zum ersten Mal politische Sanktionen über eines ihrer Mitgliedsstaaten verhängte. Der "beispiellose Eingriff in die demokratische Struktur und die Souveränität Österreichs", wie der ehemalige österreichische Außenminister Alois Mock die Sanktionen bezeichnete, muß als warnendes Beispiel für die Zukunft der europäischen Gemeinschaft dienen. Die unumgängliche Einstellung der Repressalien symbolisiert für die EU gleichzeitig den größten Rückschlag und die größte Blamage in einer Kette von Peinlichkeiten. Den Bürgern Europas wurde schon viel zugemutet: Korruptionsskandale und kollektiver Rücktritt der EU-Kommission, das Weichei namens Euro, Hilflosigkeit gegenüber dem Rinderwahnsinn, außenpolitische Impotenz bei den kriegführenden Balkan-Staaten u. v. m. Der Fall Österreichs schlägt jedoch dem Faß den Boden aus.

Erstaunlich nur, wie schnell dieser wieder in Vergessenheit geraten ist. Die Tageszeitung "Die Welt" stellt hierzu treffend fest: "Es ist schon seltsam, wie schnell manche Leute die Diffamierung und Demütigung eines kleinen Nachbarlandes wie Österreich in der EU nach der Aufklärung eines blamablen Irrtums von der Tagesordnung verdrängen. Vor allem jene Politiker und Journalisten, die uns tagaus, tagein vorbeten, daß die Bewältigung der Vergangenheit das erste und höchste Gebot sei, tun sich schwer, eigene Fehler der Vergangenheit zu bewältigen."

Aber es war nicht nur ein blamables, es war auch ein grob rechtswidriges Vorgehen, das nach Ansicht zahlreicher nationaler und internationaler Rechtsexperten die EU insgesamt und nicht allein die EU-14 zu verantworten hat.

Erst kürzlich stellte sich heraus, daß auch der "Weise" Jochen Frowein von der Rechtswidrigkeit der EU-Sanktionen überzeugt ist. Die EU ist wie eine Kolonialmacht gegen  Österreich  vorgegangen. Österreich war sogar das Recht auf Verteidigung (rechtliches Gehör), das in allen Rechtsstaaten auch Schwerverbrechern  zuerkannt wird, verwehrt worden.

Den Wiener Staatsrechtler Günther Winkler erinnerte der Beschluß, über Österreich Sanktionen zu verhängen, an das "antike Scherbengericht und an die geheime Kabinettsjustiz längst vergangener Zeiten." Alles unter dem Vorwand, europäische Werte – Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit – schützen und verteidigen zu wollen. Abgesehen davon, daß die EU-14 selbst mit ihrer Vorgehensweise gegen alle diese grundlegenden Werte und damit gegen die eigenen Rechtsgrundsätze verstoßen haben, haben sich die 14 EU-Staaten auch als eine Gemeinschaft von Heuchlern erwiesen, die das friedliche Österreich auf Verdacht verurteilte, gleichzeitig jedoch über die Regierungsteilnahme orthodoxer Kommunisten in anderen europäischen Ländern schwieg. "Solange nicht Weise die rechtliche Natur auch des Vorgehens der 14 beurteilen, bleibt das Ganze ein schweres Unrecht, ein Femegericht, ein dauerhafter Schaden für Europa und eine Demütigung für die große Mehrheit der Österreicher, Scherben bleiben Scherben, selbst wenn man sie zu kitten versucht", so Andreas Unterberger in der österreichischen Tageszeitung "Die Presse".

Die Nazi-Hatz richtete sich in besonderem Maße gegen die Person Jörg Haider, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und das als "Haider-Land" bezeichnete Bundesland Kärnten. Ob das Verhalten der FPÖ im allgemeinen und Haiders im besonderen, Sanktionen, d. h. schwerwiegende rechtliche Maßnahmen, einer Staatengemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder rechtfertigen, ist mehr als fraglich.

Von prominentester Seite aus dem Kreis österreichischer Juristen, vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, wird dies bestritten. Adamovich unterscheidet dabei genau zwischen seiner Meinung nach gerechtfertigter politischer Kritik an Haider und der FPÖ einerseits und rechtlichen Sanktionsmaßnahmen andererseits, die absolut ungerechtfertigt seien: "Daß man Haider irgendein rechtswidriges Verhalten vorwerfen kann, das sehe ich nicht. Es ist nichts da", stellt Österreichs oberster Richter unmißverständlich klar.

Bleibt nur zu hoffen, daß die Sanktionen in breiten Kreisen Europas die Erkenntnis festigen, daß eine europäische Wertegemeinschaft nicht auf der Demonstration von Macht gegenüber den Schwächeren aufgebaut werden kann, sondern nur als eine durch Respekt und Toleranz geprägte europäische Friedensgemeinschaft der ethnischen, kulturellen und ideologischen Vielfalt funktionieren kann.

Wer sich für eine umfassende Dokumentation über die EU-Sanktionen gegen Österreich interessiert, dem sei das Buch "Freispruch für Österreich" ans Herz gelegt. Es handelt sich um eine Anklageschrift gegen den von der Europäischen Union ausgelösten Wahnsinn einer modernen Inquisition. Trotz einer unübersehbaren Portion Wut des österreichischen Autors, Josef Feldner, ist es keine Kampfschrift gegen Europa. Der Jurist will in seiner detaillierten und faktenreichen Darstellung vielmehr das zu Unrecht verleumdete österreichische Volk rehabilitieren. Karl H. Lincke

Josef Feldner: Freispruch für Österreich – Die Chronologie einer kalten Demonstration von Macht, Stocker Verlag, Graz 2000, 220 Seiten, 27 Mark