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14.04.01 Berliner Diskussion über deutsch-polnische Beziehungen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. April 2001


Zehn Jahre Nachbarschaftsvertrag:
Beschwörung von Ängsten
Berliner Diskussion über deutsch-polnische Beziehungen
von Karlheinz Lau

Der historische deutsche Osten und die Vertreibung seiner Bewohner 1945/46 sind keine feste Größe im Geschichtsbewußtsein der Deutschen. Das zeigte sich auch in einer Berliner Podiumsdiskussion aus Anlaß des 10. Jahrestages des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages.

Für den 4. April hatten die Deutsch-Polnische Gesellschaft (DPG), die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und das Wissenschaftszentrum Berlin prominente Teilnehmer zum öffentlichen Gespräch geladen: die DPG-Vorsitzende und SPD-Bundestagsabgeordnete Angelica Schwall-Düren, Arnold Vaatz aus Sachsen, CDU-MdB, Dieter Bingen vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt und als polnischen Vertreter den Publizisten Kazimierz Woycicki vom Stettiner Institut für Deutschland- und Nordeuropa-Studien.

In der gut besuchten Veranstaltung war man sich sehr schnell darüber einig, daß vor dem Hintergrund der bisherigen deutsch-polnischen Ereignisgeschichte der Vertrag vom 17. Juni 1991 eine entscheidende und qualitative Wende für das beidseitige Verhältnis brachte. Kulturaustausch, Deutsch-Polnisches Jugendwerk, Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaft und der Euroregionen, Mitgliedschaft Polens in der Nato sowie der bevorstehende Beitritt zur EU wurden als Bereiche genannt, in denen der Vertrag Impulse gab und gibt.

Da es von keiner Seite gekündigt wurde, verlängert sich das Abkommen um weitere fünf Jahre. Das bedeutet, daß neben der positiven Bilanz auch solche Punkte aufgelistet werden sollten, die noch aufzuarbeiten sind. Als wichtige Fragen wurden hier, vornehmlich von den deutschen Diskutanten, die Zwangsarbeiterentschädigung und die Rückgabe geraubten Kulturgutes genannt – jedoch beides nur mit Blick auf das an Polen verübte Unrecht, während Wiedergutmachungen für deutsche Opfer keiner Erwähnung wert schienen.

Ebenfalls kein Thema für die deutschen Experten waren die gemeinsamen Bemühungen um eine Aufarbeitung des hierzulande nach wie vor tabuisierten Themas der

Vertreibung, um das sich besonders die deutsch-polnische Schulbuchkommission bemüht, und auch die Lage der nationalen Minderheiten in der Republik Polen. Immerhin behandeln die Artikel 20 und 21 des Vertrages Regelungen für die deutsche Volksgruppe.

Statt dessen wurden "die Vertriebenen" in sattsam bekannter Manier als Störenfriede hingestellt, als auf Nachfrage der Abgeordnete Vaatz von einem bevorstehenden Antrag seiner Fraktion zum Nachbarschaftsvertrag berichtete. In diesem soll nach zweisprachigen Ortsschildern in den Wohngebieten der deutschen Minderheit gefragt werden, nach muttersprachlichem Unterricht, Rentenansprüchen aufgrund von Wehrmachtsdienstzeiten sowie nach den von Warschau angestrebten 18jährigen Übergangsfristen für den Eigentumserwerb von EU-Ausländern.

Obwohl dies alles Themen sind, die nach Buchstaben und Geist des Vertrages unbedingt zu einer Bilanz dazugehören, verweigerten die deutschen Gesprächsteilnehmer die Auseinandersetzung mit ihnen. Statt dessen droschen sie rhetorisch auf Arnold Vaatz ein und bezichtigten die CDU, sich zum Sprachrohr der Vertriebenen instrumentalisieren zu lassen. Natürlich wurden auch wieder mögliche Ängste in Polen heraufbeschworen. Argumentation wurde durch pure Emotion ersetzt.

Um so beschämender für die deutsche Seite mußten die Aussagen von Woycicki wirken; er nannte die Punkte des CDU-Antrages berechtigt und lobte die guten Kontakte zwischen einstigen und neuen Bewohnern in den Vertreibungsgebieten. Allerdings sollte auch er zur Kenntnis nehmen, daß die gewählten Vertreter des Bundes der Vertriebenen nicht im Gegensatz zur breiten Mitgliedschaft stehen.

Zwei Erkenntnisse brachte diese Veranstaltung in Berlin: erstens eine volle Bestätigung der Aussage am Beginn des Berichts und zweitens die Einsicht in die Tatsache, daß die deutschen Heimatvertriebenen für die deutschen Entscheidungsträger und Meinungsmacher nicht zu jenen gesellschaftlichen Gruppen gehören, die positiv an der Gestaltung der deutsch-polnischen Beziehungen arbeiten.

Dies kann man resignierend zur Kenntnis nehmen, oder man muß sich mit Geduld und Zähigkeit gegen den "Zeitgeist" stemmen. Vorbild kann hier die Politik der BdV-Präsidentin Erika Steinbach sein. Aus Berliner Erfahrungen läßt sich jedenfalls feststellen, wie grobe Unkenntnis über die Rolle deutscher Vertriebener beim Verständigungsprozeß mit Polen zu schwerwiegenden Fehleinschätzungen führt. Es scheint daher geboten, auch das Gespräch mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft zu suchen, um Polarisierungen abzubauen.