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14.04.01 Eine Betrachtung über heimatliches Brauchtum von Günter Schiwy

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. April 2001


Und dann kam Ostern
Eine Betrachtung über heimatliches Brauchtum von Günter Schiwy

Ostern war bei uns zu Hause ein Fest der Freude und der frischen Farben, der frischen und bunten Farben, die uns die Natur schenkte. Es gab silberne Osterkätzchen, grüne Birkenzweige, blau-gelbe Kuhschellen oder Osterblumen, gelblich blühenden Wacholder, die gelbe Sumpfdotterblume, die weißen Maiglöckchen und viele andere Blumen mehr.

Doch im Frühjahr, wenn das Leben wieder erwachte, ging man auch an den Hausputz. Die Fenster und Türen wurden neu gestrichen. Alles mußte österlich erscheinen, wie die bunten Farben der Ostereier. In dieser Stimmung des Aufbruchs wurden die Höfe auf Hochglanz gebracht, gab es neue Ideen für das Schmücken des Heimes.

Endlich war der kalte Winter vorbei! Der meterhohe Schnee war geschmolzen. Die pelzgefütterten Stiefel standen auf dem Boden. Auf der Leine am Kachelofen hing kein nasses Zeug mehr. Die Wollstrümpfe waren eingemottet. Wir Kinder wagten an warmen Tagen bereits barfuß zu gehen. Es war ein befreiendes Gefühl! Und die vielen Hühner im Stall, sie legten wieder Eier. Der stolze Hahn war auch in voller Aktion. Deshalb wußte niemand von uns so recht, ob er zu Ostern nun tatsächlich ein buntes Osterei oder aber nur ein gefärbtes Hühnerei aß, zumal wir im Wald und auf den Wegen jede Menge Osterhasenspuren und Osterhasengelege mit ihren "kleinen Knödeln/Bopkis" fanden. Also mußte doch der Osterhase bereits "am Werk" sein!

Auch die Menschen der Vorzeit waren froh, wenn der Winter vorbei war. Der Frühling brachte ihnen nicht nur das Licht und die Wärme, sondern auch die Nahrung. Winter bedeutete für sie: Dunkelheit, Kälte und auch Hunger! Oft verfügten sie nur über einen beheizten Raum. Sie aßen das, was die Jahreszeit gerade hergab. Die Mahlzeiten waren karg und mußten schwer erarbeitet werden. Es gab keine Konservenbüchsen oder Kühlschränke! Die Lebensmittel bestanden aus Getreide, Rüben, Bohnen, Früchten, Pilzen und Fischen. Deshalb bedeutete für diese Menschen das Erwachen der Natur gleichzeitig das Erscheinen ihrer Naturgötter. Donner, Blitz und Regen hatten für sie eine ganz andere Bedeutung als für uns heute. Deshalb gehen viele Bräuche und Sitten auf Götter- und Geisterbeschwörungen zurück. Der Winter wird als harte Jahreszeit einfach zu Grabe getragen oder verbrannt! Wehe, er kommt in den Frühlingsmonaten April oder Mai zurück. Dann ist die gesamte Ernte vernichtet. Es kommt zu Hungersnöten. Deshalb mußten die Frühlingsgötter unbedingt erweckt werden! Denken wir an die Frühlings- und Osterfeuer zurück, die selbst noch heute am Ostersonnabend entzündet werden.

Vergessen wollen wir in diesem Zusammenhang auch nicht das Wasser als Lebensquelle. Die Brunnen und Quellen durften nie versiegen. Daher der Wasserzauber mit dem Schöpfen des Osterwassers. Das Wasser war und ist das lebenswichtigste Lebensmittel.

Daß das Ei seit Urzeiten ein Sinnbild der Fruchtbarkeit und Erneuerung ist, dürfte unbestritten sein. Das haben die vielen Grabbeigaben bewiesen. Auch in christlichen Gräbern aus dem 10. Jahrhundert fand man gefärbte Eier, vor allem in den Farben rot. Erst seit etwa 300 Jahren kamen auch andere Farben dazu.

Meine Mutter verwendete beim Ostereierfärben stets Naturfarben, wie Spinatsaft für grüne, Zwiebelsaft für gelbe, Malvensaft für blaue und Rote-Rüben-Saft für rote Eier. Sie mischte die Farben miteinander und erhielt dabei die verschiedensten Färbungen. Sie verzierte die Eier auch mit christlichen Motiven.

Die ersten Berichte von Eierverstecken und -suchen datieren aus dem 17. Jahrhundert. Ebenso alt sind auch die Wettspiele mit hartgekochten Eiern, wie Eierschieben, Eierlaufen, Eierschlagen und Eierklauben. Der Osterhase, der die buntgefärbten Eier den Kindern legt, ist auch erst vor 300 Jahren aus der Taufe gehoben worden, nämlich im Jahre 1682.

In früheren Zeiten gab es vor Ostern eine vierzigtägige Fastenzeit, die streng eingehalten wurde und von Aschermittwoch bis Ostersonnabend dauerte. Gläubige Christen nahmen in diesen Tagen nur eine einzige Mahlzeit täglich zu sich. Die Fastenzeit vor Ostern galt als Vorbereitung auf das Leiden und Sterben Jesu Christi. In der Fastenzeit fanden auch keine Vergnügungen statt. In den Kirchen wurden die bunten Altarbilder mit schwarzen oder violetten Tüchern verhangen. Daher die Bezeichnung "Hungertuch" oder der Ausspruch "Am Hungertuch nagen", was heißt: kärglich, bescheiden leben! Oft schwiegen in der Karwoche selbst die Kirchenglocken! Ruhe ist die erste Bürger-, aber auch Kirchenpflicht!

Österliches Brauchtum bedarf der Verstehenshilfe zu Ostern. Denn Ostern feiern wir den Tag der Auferstehung. Was hier geschah, ist letztlich unfaßbar und unbegreiflich, nämlich Auferstehung und damit Erweckung! Dieses Ereignis ist vergleichbar mit dem Weizenkorn. Wir werfen es in die Erde; es stirbt! Doch danach wächst es neu und bringt vermehrte Früchte. Deshalb glaube ich an das Leben im tiefen Vertrauen auf den Sieg des Lebens über den Tod und auch an die Osterbotschaft:

Ich glaube an das Leben,

weil Menschen sich lieben,

weil auch Krankheit, Leid,

Tod ein Teil des Lebens sind,

weil ich lebe, weil ich liebe,

weil noch der Vogel singt

und der Apfelbaum blüht!