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21.04.01 Leben – Anfang und Ende

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. April 2001


Hans-Jürgen Mahlitz:
Leben – Anfang und Ende

Holland an der Spitze des "Fortschritts": Wenige Tage vor Ostern, dem Fest der Auferstehung, legalisierten die Niederlande als erster Staat der Welt die aktive Sterbehilfe. Wieder einmal ist ein Tabu gebrochen, und lange wird es nicht dauern, bis andere Länder nachziehen; in Belgien zum Beispiel, wo man es seit vier Jahren nicht schafft, den mutmaßlichen Kindermörder und -schänder Dutroux vor Gericht zu stellen, wird bereits der Entwurf eines Euthanasiegesetzes vorbereitet. Um nichts anderes als Euthanasie nämlich geht es: um die Tötung "lebensunwerten" Lebens. Ob dieses von mir selber, von einem Arzt oder einer staatlichen Behörde für lebensunwert erklärt wird, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang.

In Holland ist man immerhin ehrlich und unbefangen genug, das "Kind" beim Namen zu nennen. Bei uns in Deutschland hingegen wäre es undenkbar, die Legalisierung von Euthanasie zu fordern. Man hört es in diesen Tagen wieder von ganz links bis ziemlich weit rechts, dieses "Gerade wir als Deutsche …". In diesem Falle übrigens zu Recht – jene düsteren Zeiten, in denen wehrloses Leben als wertlos galt, sind nun einmal ein Teil unserer Geschichte.

Aber es bedarf gar nicht des heute so inflationär daherkommenden Hinweises auf die im Namen unseres Volkes begangenen Untaten. Die Frage ist hier nicht, ob man etwas nur deshalb nicht tun darf, weil es die Nationalsozialisten getan haben, sondern ob der Mensch sich nicht Gott gleich macht, wenn er selber bestimmen will, wann Leben beginnt oder wann es endet.

Aus christlicher Glaubenstradition scheint die Antwort ganz einfach: Als Geschöpf Gottes muß der Mensch sein Leben dem Willen des Schöpfers unterwerfen; er kann gar nicht selber über Anfang und Ende seines eigenen (oder eines anderen) Lebens entscheiden. Dies ist eine Kernaussage der christlichen Lehre, über alle Konfessionsgrenzen hinweg, und aufgrund der fast zweitausendjährigen christlichen Prägung unserer europäischen Kultur, Rechts- und Gesellschaftsordnung hat sie auch im Zeitalter der Säkularisierung und des Pluralismus ihre Gültigkeit.

Aber ist diese Antwort nicht doch etwas zu einfach? Gehört zu den Eckpfeilern christlichen Glaubens nicht auch die Barmherzigkeit? Und ist es nicht ein Gebot der Barmherzigkeit, einen schwerkranken Menschen, der keinerlei Aussicht auf Heilung oder Besserung hat, der außer Schmerzen nichts mehr empfinden kann, von seinem Leiden zu befreien, ihn in Würde sterben zu lassen?

Offenbar liegt genau hier die Grenze zwischen Hybris und Nächstenliebe. Einen Menschen in Würde sterben zu lassen, das kann in Extremsituationen auch passive Sterbehilfe bedeuten. Im Klartext: Wenn die "Segnungen" der modernen Geräte-Medizin nur noch bewirken, daß biologische und chemische Vorgänge in Gang gehalten werden, dann wird der betroffene Patient dadurch letztlich am würdevollen Sterben gehindert. Und dann müssen die Geräte eben irgendwann einmal abgeschaltet werden.

Wann genau das geschehen soll, wer darüber entscheiden soll – schwierige, vielschichtige Fragen, über die es sich wahrhaft zu diskutieren lohnt. Und auf die wir – im Interesse der betroffenen Menschen – bald zu von breitem Konsens getragenen Antworten finden sollten. Wenn wir das schaffen, brauchen wir über "aktive Sterbehilfe" nicht mehr zu reden. Und die Frage, wann Leben beginnt und endet, überlassen wir getrost dem, der dafür zuständig ist. In einem christlich geprägten Land sollte eigentlich jeder wissen, wer das ist.