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21.04.01 Kirchliche und politische Hintergründe der Ernennung neuer Kardinäle

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. April 2001


Kirche:
Der Papst und die deutsche Provinz
Kirchliche und politische Hintergründe der Ernennung neuer Kardinäle (Schluß)
von Jürgen Liminski

Im Ostpreußenblatt Folge 15/01 berichteten wir im ersten Teil über das breite Feld der Spekulationen über die möglichen Hintergründe der Ernennung neuer Kardinäle, die darin einmündeten, daß die neu ernannten Wü-denträger Sodano und Lehmann nur Wegbereiter für den Mailän-der Martini seien, der als möglicher Nachfolger des Papstes gilt.

All das sind Spekulationen, sozusagen Rechnungen ohne den Wirt, in diesem Fall ohne den Heiligen Geist. In Rom gilt nach wie vor, daß jemand, der als künftiger Papst ins Konklave hineingegangen ist, bisher immer noch als Kardinal herauskam. Diese Wahrheit hat freilich zu tun mit der Wahlordnung. Die schreibt seit dem dritten Laterankonzil im Jahre 1179 eine Zweidrittelmehrheit vor, damit weißer Rauch aufsteigen kann. Vorausgegangen waren erbitterte Machtkämpfe zwischen Rom und dem deutschen Kaiser um das Papsttum, mit Gegenpäpsten und Kardinalsfraktionen. "Papst Alexander", so ist in der dreibändigen Kirchengeschichte von Bihlmeyer nachzulesen, "der dank seiner Festigkeit, Ausdauer und Mäßigung so große Erfolge erzielt und die Selbständigkeit des Papsttums gegen den mächtigen Kaiser siegreich durchgefochten hatte, wurde durch deutsche Truppen unter Führung des Erzbischofs Christian von Mainz nach Rom zurückgeleitet (März 1178). Nachdem sich Kalixt III. unterworfen hatte – ein vierter, vom römischen Adel aufgestellter Gegenpapst Innocenz III. ist ohne größere Bedeutung –, feierte der Papst zur Befestigung des Friedens 1179 das 3. Laterankonzil, das 11. allgemeine. Unter seinen Dekreten ist am wichtigsten can.1 (Licet de vitanda), worin mit Rücksicht auf die Vorgänge zur Gültigkeit der Papstwahl zwei Drittel der Stimmen der Kardinäle, als der allein zur Wahl Berechtigten, vorgeschrieben werden."

Diese Wahlformel, die sich immerhin acht Jahrhunderte lang bewährt und zur Stabilisierung des Papsttums beigetragen hat, soll nun aufgegeben werden. Die Reform der Konklaveordnung sieht vor, daß nach 29 vergeblichen Wahlgängen ein Kandidat auch mit absoluter Mehrheit gewählt werden kann. Besitzt man also eine genügend starke Fraktion, kann man jede Wahl blockieren und dann darauf setzen, daß diese Fraktion zu einer knappen absoluten Mehrheit ausgebaut werden kann. Das würde den Spielraum von Fraktionskünstlern ausweiten – und den des Heiligen Geistes einengen. Diese Entwicklung ist bedenklich. Denn sie offenbart in gewissem Sinn auch einen Mangel an Glauben, so wie es auch mit einem gerüttelt Maß an Glaubensschwäche zu erklären ist, daß man bereits geklärte Fragen neu aufwerfen will, nur weil der Zeitgeist danach ruft.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen in Rom. Auch werden sich die neuen Kardinäle hüten, ihren Einfluß zu überschätzen. Insgesamt hat der Einfluß der europäischen Fraktion im "Senat des Vatikan" an Bedeutung verloren. Das letzte Wort sprechen ohnehin nicht die Kardinäle. Sie sind nur Teil des mysterium ecclesiae, eines Geheimnisses, dessen Wurzeln tiefer reichen als menschliches Kalkül.

Wichtiger ist, und das dürften alle wissen, die Einheit der Kirche als globale Institution. Denn die Wucht der anstehenden, fast endzeitlich anmutenden Fragen für den Menschen verlangt eine Festigkeit in Glauben und Struktur, wie nur die Kirche der Treue und Vergebung sie bietet. Oder um es mit den Worten eines anderen Dichtergeistes der katholischen Welt zu sagen, der zwar wie Werner Bergengruen, Stefan Andres, Reinhold Schneider, Elisabeth Langgässer oder Franz Werfel nahezu in Vergessenheit geraten ist, dessen Gedanken aber deshalb nicht weniger tröstlich stimmen und gerade heute mit Gewinn zu lesen sind, nämlich den Worten von Gertrud von Le Fort: "Der Zerstörungswille dieser Welt zerschellt nur am Erbarmen und einzig an ihm."

Erbarmen ist letztlich keine rein menschliche Kategorie. Sie ist dem Vater zu eigen, der den verlorenen Sohn wieder aufnimmt, oder Christus, der den reuigen Sünder befreit, sei er durch egoistisches, progressives oder traditionalistisches Denken von Weg und Wahrheit abgekommen. Es sollte nicht verwundern, daß der Heilige Vater sich verhält wie der, den er vertritt. Wer anderer Meinung ist, der werfe erbarmungs- und gnadenlos den ersten Stein nach Rom.