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21.04.01 Über Michael E. Birdwells Buch »Das andere Hollywood der dreißiger Jahre

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. April 2001


US-Filmfabriken:
Als Walt Disney in Nöte kam ...
Über Michael E. Birdwells Buch »Das andere Hollywood der dreißiger Jahre«
Von HANS-JOACHIM v. LEESEN

Wer eine Fernseh-Programmzeitschrift aufschlägt, sollte sich gelegentlich die Mühe machen, die Anzahl der Sendungen zu ermitteln, die aus den USA stammen. Sonnabend, den 7. April 2001, willkürlich herausgegriffen, wies aus, daß unter den Sendungen, die über Kabel zu erreichen sind, 79 als Produktionsland die Vereinigten Staaten aufwiesen, und das an einem einzigen Tag. Deutsche und andere europäische Filme spielen von der Zahl her eine unbedeutende Rolle. Blättert man die Programmzeitschrift durch, erfährt man an jedem Tag das gleiche: Ob die 25. Wiederholung von "Die Leute von der Shilo Ranch", ob Erotikfilme wie "Bedtime Fantasy", ob "Schindlers Liste" oder Filme, die uns den Zweiten Weltkrieg aus der Sicht der USA nahe bringen, wie "Die letzte Schlacht", der das Heldenlied der US-Soldaten in der Ardennen-Offensive singt – ein amerikanischer Film reiht sich an den anderen.

Der deutsche Zuschauer nimmt das zwar zur Kenntnis, mißt dem aber keine Bedeutung zu. Die Hauptsache: der Film unterhält.

Nur wenig erkennen, daß mit den Fernsehsendungen Menschenbilder, politische Anschauungen und Wertmaßstäbe vermittelt werden, je weniger man es bemerkt, desto wirkungsvoller. Und diese Werte sind in den amerikanischen Filmen keineswegs nur die Werte der Freiheit und der Menschenrechte. Wie  Filmproduktionsfirmen  mit scheinbar unpolitischen Filmen in Wirklichkeit ihre massiven politischen Ziele propagieren, sie den Zuschauern nahe bringen, sie zu überzeugen versuchen und wie sie letztendlich auch Erfolg haben, das stellt ungeschminkt eine kürzlich erschienene Geschichte einer der größten und einflußreichsten Filmproduktionsfirmen der USA dar. Unter dem Titel "Das andere Hollywood der dreißiger Jahre" schildert der Historiker Michael E. Birdwell, Professor für Geschichte in Tennessee, die Kampagne der Warner Bros. gegen Deutschland. Die Brüder Harry und Jack Warner entstammten einer frommen jüdischen Familie aus Polen; sie war nach antisemitischen Pogromen in die USA ausgewandert. Die beiden Brüder gingen schon bald nach 1900 ins Filmgeschäft, eine Branche, die zunächst von Unseriosität und Klamauk geprägt war, sich allmählich aber zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftszweig entwickelte. Bereits während des Ersten Weltkrieges produzierte die Warner Bros. den ersten antideutschen Propagandafilm unter dem Titel "My four years in Germany". Und bei dieser antideutschen Linie blieb die Gesellschaft, wie ihr Biograph ausführt, auch in den Jahren nach dem Krieg. So drehte sie 1919 den Film "Beware", einige Jahre später "Lelac Time", 1929 "Noah’s Arch" und 1930 "Dawn Patrol". Mit ihnen wollten sie "den deutschen Militarismus im Ersten Weltkrieg anprangern".

Jack Warner hat angeblich "bereits 1928 während eines Besuches in Berlin die ersten Anzeichen des Nationalsozialismus bemerkt". Noch intensiver versuchte er daraufhin, "die amerikanische Außenpolitik zu beeinflussen", indem er Filme produzierte, in denen die amerikanischen Bürger dazu aufgerufen wurden, "für eine starke Verteidigung der Vereinigten Staaten einzutreten und sich klarzumachen, welche Rolle Großbritannien für die amerikanische Sicherheit spielte". Als Roosevelt Präsident wurde, schlugen sich Warner Bros. sofort auf seine Seite und verteidigten ihn, der über eine starke Opposition im eigenen Land verfügte, in seinem linksliberalen Kurs.

Als 1933 in Deutschland Hitler die Regierung bildete, kündigte Harry Warner am 27. März 1933 Deutschland öffentlich den Kampf an. 1934 schloß er das Büro der Warner Bros. in Berlin und behauptete, der Grund sei gewesen, daß während der Olympischen Spiele in Berlin (die tatsächlich zwei Jahre später stattfanden) der Vertreter seiner Firma namens Kauffman von den Nazis totgeschlagen worden sei, weil er sich geweigert habe, "Heil Hitler" zu rufen. Birdwell hat allerdings herausgefunden, daß dieser Vertreter der Firma, Joe Kauffman, bereits 1933 nach London übergesiedelt war und sich dort eines munteren Lebens erfreute.

Andere US-Filmfirmen machten weiterhin mit Deutschland ihre Geschäfte, amerikanische Filme wurden in Deutschland bis zum Kriegsausbruch zwischen Deutschland und den USA vorgeführt.

Seit 1935 produzierten Warner Bros. "patriotische Kurzfilme", in denen sie für die Wehrpflicht in den USA auch in Friedenszeiten eintraten und zum Boykott deutscher Waren aufriefen. Daneben sammelten die Gebrüder Warner andere Gleichgesinnte aus der Filmbranche zu politischen Aktivitäten gegen Deutschland und, seitdem Italien sich bemühte, mit seinem Filmproduktionszentrum "Cinecitta" eine Konkurrenz zu Hollywood ins Leben zu rufen, auch gegen Italien.

Als Leni Riefenstahl, wegen ihres Olympia-Filmes vom Internationalen Olympischen Komitee ausgezeichnet und von den Cineasten in aller Welt gefeiert, als Gast von MGM Hollywood besuchte, organisierten die Warner Bros. zusammen mit anderen Gleichgesinnten einen Boykott der Filmemacherin mit der Behauptung, sie sei die Geliebte Hitlers. Als Walt Disney sich daran nicht störte, sondern seine Kollegin aus Berlin feierlich begrüßte, wurde er von den Warner Bros. mit einer Flut von Verleumdungen überschüttet.

Der Produktionsfirma Warner Bros. gehörten auch Tausende von Kinos. Birdwell schreibt über den Kampf der Warners gegen Deutschland: "Warner Bros. untersagten auch die Vorführung des Boxkampfes von 1936, in dem Joe Louis von dem zukünftigen deutschen Fallschirmjäger Max Schmeling geschlagen wurde. Warner hielt die Darstellung für eine Billigung des arischen Rassismus."

Aber es ging den Gebrüdern Warner nicht nur um die Bekämpfung des deutschen Nationalsozialismus oder des italienischen Faschismus. Seit der Weltwirtschaftskrise glaubten sie erkannt zu haben, daß in den USA der Antisemitismus wuchs. Sie beschuldigten vor allem christliche Gruppen und antikommunistische patriotische amerikanische Vereinigungen, faschistisch zu sein und im Dienste Hitlers die Vereinigten Staaten zu unterminieren. Damit nicht genug: Überall entdeckten sie Nazis, so vor allem in Mittel- und Südamerika. Eine besondere Zielscheibe ihrer Aggressivität war die für weite Teile Amerikas geltende Monroe-Doktrin, die da besagte: "Amerika den Amerikanern." Das alles waren in den Augen der Brüder Warner und ihrer Gesinnungsgenossen Alarmsignale, die es mit geeigneten Filmen zu bekämpfen galt.

Der Biograph der Filmfirma zitiert die Befürchtung, daß die 5. Kolonne der Nationalsozialisten nichts anderes im Sinne habe, als "die Detroiter Juden mit Typhus zu infizieren, indem sie Milch und Käse mit Typhus-Bazillen verseuchten". Sie soll sogar "Zigarettenbomben" konstruiert haben, die explodierten, wenn Juden sie anzündeten.

Darüber wollten die Warner Bros. mit ihren Filmen Amerika, ja die ganze Welt aufklären.

Sie verstärkten die Produktion von Propaganda-Filmen, in denen sie die Bösartigkeit der Nazis darstellten. "Die Nazis wurden als humorlos, größenwahnsinnig, aber effizient und übereifrig dargestellt. Das Hollywood-Klischee vom kalten, berechnenden, sadistischen Nazi, das Warner Bros. damals einführte, übt bis heute Einfluß auf Hollywoods Filmemacher und ihre Darstellungen von Nazis aus, so Michael E. Birdwell in seinem Buch "Das andere Hollywood".

Die Inhalte solcher Filme, "die nichts als Haß säten", gingen nicht wenigen US-Politikern, die auf die Neutralität der Vereinigten Staaten Wert legten, zu weit. Im August 1941 initiierten die Senatoren Nye und Clark eine Senatsresolution mit dem Ziel, die amerikanische Filmindustrie daraufhin zu untersuchen, ob sie systematisch zum Kriege hetze und damit gegen den Grundsatz der amerikanischen Neutralität verstoße. Im Laufe der Ausschußverhandlungen wurden den beschuldigten amerikanischen Filmproduzenten,  Drehbuchschreibern usw. kommunistische Machenschaften vorgeworfen, was sie damit beantworteten, daß sie eine Kampagne gegen die angeblich "faschistischen" US-Senatoren ins Leben riefen mit dem Vorwurf, man wolle die Filmindustrie einer Zensur unterwerfen. Der Senatsausschuß hingegen wollte es nicht dulden, daß "in 17 000 Kinos für den Kriegseintritt der USA gegen Deutschland geworben werde, indem man Haß gegen Deutschland verbreite". Die Untersuchungen erstreckten sich vor allen Dingen auf eindeutige Propagandafilme wie "Dived Bomber", "Flight Command", "That Hamilton Woman", "Escape", "Underground", Charly Chaplins "The Great Dictator" und "Sergeant York". Auf diesen zuletzt genannten Film geht der amerikanische Historiker besonders ausführlich ein. York war angeblich der größte amerikanische Held im Ersten Weltkrieg, weil er mit neun Kameraden 132 Deutsche gefangengenommen hatte. Diese Heldentat wurde genutzt, um einen antideutschen Film zu produzieren. Allerdings gab es einen Schönheitsfehler; nach seiner Erstaufführung erklärten die damaligen Kameraden von York in einer Zeitungsanzeige, der ganze Film sei ein Schwindel; Sergeant York sei in Wirklichkeit im Kriege ein "ausgemachter Feigling" gewesen. Das hinderte das amerikanische Publikum nicht daran, den Film zu einem großen Erfolg zu machen, zumal der größte Teil der Presse den Film in den Himmel hob.

Der Senatsuntersuchungsausschuß stellte mit dem im Dezember 1941 ausbrechenden Krieg der USA gegen Japan und Deutschland seine Arbeit ein. Wenige Wochen später trat die US-Regierung an dieselben Filmproduzenten, die man eben noch der Kriegshetze beschuldigt hatte, heran mit der Aufforderung, die USA nunmehr im Krieg gegen Deutschland und Japan durch entsprechende Filme zu unterstützen. Und das geschah dann auch. Im deutschen Fernsehen tauchten solche US-Propaganda-Filme aus dem Zweiten Weltkrieg immer wieder auf.

Auf Anregung der Roosevelt-Administration wurden auch eindeutig kommunistische Filme zur Unterstützung der verbündeten Sowjetunion produziert, so z. B. 1943 der Film "Mission to Moscou".

Das wiederum wurde den Filmemachern zwei Jahre nach Kriegsende, als der Kalte Krieg begann, zum Verhängnis. Das House Committee on US-American Activities (HUAC) beschuldigte Warner Bros. und zahlreiche andere Mächtige des Filmgeschäfts, schon während des Zweiten Weltkrieges damit begonnen zu haben, im Sinne des Kommunismus zu wirken, und zitierte sie vor die Schranken des Untersuchungsausschusses.

Tatsächlich konnte nachgewiesen werden, daß eine erhebliche Anzahl sogar geheime Mitglieder von kommunistischen Organisationen war, zumindest aber deren Sympathisanten.

Das alles ist nun Jahrzehnte her, doch stellt Michael E. Birdwell am Schluß seiner Darstellung fest: "Der übertrieben diensteifrige, sadistische, boshafte Nazi (wie von Warner Bros. kreiert), der allen Befehlen blind gehorcht, unabhängig davon, wie widerwärtig sie sein mögen, ist inzwischen ein fester Bestandteil populärer Kultur." Und es sei hinzugefügt: Mit diesem "Nazi" identifizieren nicht wenige Amerikaner heute wie damals den Deutschen.

Michael E. Birdwell: "Das andere Hollywood der dreißiger Jahre", Europa Verlag, Hamburg – Wien; 2000, 320 S. mit 9 Abb., geb., DM 44,50.