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28.04.01 Der Ausverkauf der Schlösser im südlichen Ostpreußen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. April 2001


Gutshöfe per Internet
Der Ausverkauf der Schlösser im südlichen Ostpreußen
von Brigitte Jäger-Dabek

Immer weniger Geld bekommt der General-Denkmalkonservator der Wojewodschaft Ermland und Masuren vom polnischen Staatshaushalt, in diesem Jahr werden es nur noch 800 000 Zloty sein. Das muß für alles reichen, auch für die alten, früher in Privatbesitz befindlichen deutschen Schlösser und Gutshäuser.

Man müsse befürchten, daß sie zu Ruinen verfallen, gesteht der Allensteiner Generalkonservator Jacek Wysocki bedauernd zu. Nur zwanzig Objekte in der ganzen Wojewodschaft können in diesem Jahr gefördert werden, die Quote der Mitfinanzierung durch die Denkmalschützer beträgt maximal 25 Prozent, das ist wenig genug, wenn man den durchschnittlichen Renovierungsaufwand einer PGR-Ruine von Gutshaus bedenkt.

Die PGR genannten polnischen Varianten der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft übernahmen in den Vertreibungsgebieten so gut wie alle Güter mitsamt den Immobilien. Nach der politischen Wende gingen sie in eine Art Treuhandgesellschaft über, die Agentur für den landwirtschaftlichen Besitz des Staatsschatzes AWRSP, die den Auftrag zur Privatisierung bekam, die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse blieben unberücksichtigt. Die Modalitäten der Privatisierung sehen jeweils eine öffentliche Ausschreibung vor, der Zuschlag wird bei einer Versteigerung erteilt.

Die Allensteiner Abteilung der AWRSP hat derzeit 919 700 Hektar Grund im Bestand, von denen 190 200 Hektar zum Verkauf und 487 400 Hektar zur Verpachtung anstehen. Darüber hinaus umfaßt das AWRSP-Denkmalsimperium allein im Allensteiner Raum ein Schloß, 16 Palais, 51 Gutshäuser, 90  kulturhistorisch  bedeutende Parks, zwei Gutshof-Ensembles, fünf ganze Gutshöfe und weitere Immobilien wie Windmühlen, Wassermühlen, Pferdeställe und Gesindehäuser, die gegenwärtig zum Verkauf oder zur Verpachtung stehen.

In letzter Zeit jagte eine fieberhafte Privatisierungswelle mit hektischen Ausschreibungen durchs Land, die auch mit der Furcht vor einem Reprivatisierungsgesetz zu tun hatte. Der Gesetzesentwurf sah im Prinzip Entschädigung vor Rückgabe mit einer Quote von 50 Prozent des Wertes vor, mit Ausnahme der Immobilien, die in Staatshand waren: die sollten zurückgegeben werden und das hätte fast die gesamten AWRSP-Bestände betroffen. Da ist es doch allemal besser schnell zu verkaufen und noch einen Erlös mitzunehmen.

Zwar sollten Eigentümer, die niemals polnische Staatsbürger waren, also die weit überwiegende Mehrheit aller Flüchtlinge und Vertriebenen, Auslandspolen sowie jüdischer Alteigner von Entschädigungen  ausgeschlossen sein, das Gesetz scheiterte jedoch am Veto des Präsidenten Kwasniewski. Als ehemaliger Kommunist muß er nun mit dem Vorwurf leben, sein Land sei das einzige im östlichen Mitteleuropa, das von der kommunistischen Regierung Enteignete nicht entschädigt, aber nur so konnte er den Vorwurf der Ungleichbehandlung, des Antisemitismus und der Diskriminierung abwenden. Eine Prozeßlawine wird auf Polen zurollen, das ist gewiß, Sammelklagen in Amerika sind da ein probates Mittel, und 200 000 enteignete Polen haben über ihren Verband ebenfalls Klagen vorbereitet.

Die EU hat immer wieder die Schaffung klarer Eigentumsverhältnisse von Polen verlangt, dieser Gesetzentwurf der Regierung Buzek hat dort allerdings keinen Beifall gefunden. Der Imageschaden für Polen wäre enorm, die Folgekosten auch, Kenner empfehlen eine Teilreprivatisierung zu allerdings reduzierten Quoten von vielleicht um die 15 Prozent für alle Enteigneten ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit. Vor den Wahlen im Herbst wird nichts mehr passieren, die Mehrheitsverhältnisse geben keine Drei-Fünftel-Mehrheit für die Regierungskoalition her, und die wäre nötig, um ein Präsidenten-Veto zu überstimmen. Nach der Wahl kann man mit ziemlicher Sicherheit von einer ganz anderen Regierung ausgehen, und das bedeutet, alles fängt von vorne an.

In der Zwischenzeit kann der Ausverkauf der Denkmäler fröhlich weitergehen, der Geld in den Staatssäckel bringen soll. Nur klappt auch das nicht so ohne weiteres, manche Schlösser sind wie ein Bumerang und fallen immer wieder an die Agentur zurück. Vieles liegt an den Ausschreibungsmodalitäten. Zwar wird eifersüchtig darüber gewacht, daß kein Ausländer eine Immobilie mit Land zum Privatbesitz erwirbt, auch dem aus diesem Passus entstandenen Strohmannwesen versucht man Einhalt zu gebieten, dafür sind die Regularien in anderen Bereichen als absolut schlampig zu bezeichnen.

Bis Ende letzten Jahres konnte man in Polen eine der GmbH ähnelnde Gesellschaft mit einem Startkapital von 4000 Zloty gründen, heute sind dafür immerhin 50 000 Zloty nötig. So haben schwachbrüstige Gesellschaften Kaufangebote eingereicht und bekamen den Zuschlag, wenn sie mehr boten als die Mitbewerber. Nur hat sich niemand darum gekümmert, ob diese Firmen überhaupt in der Lage waren, über den Kaufpreis hinaus, der durch Beleihung der Immobilie noch relativ einfach zu finanzieren ist, den sonstigen Verpflichtungen nachzukommen. Kein Kapitalnachweis wird gefordert, die Bonität nicht ordentlich überprüft, Konzepte müssen nur irgendwie dem vorgesehenen Nutzungszweck entsprechen.

So erhält nicht immer die seriösere Gesellschaft den Zuschlag, sondern die meistbietende, so geschehen zum Beispiel in Barten. Die dortige 1380 bis 1390 erbaute Ordensburg wurde vergangenen Herbst für 2,7 Millionen Zloty an eine unbekannte Gesellschaft mit besagten Mini-Startkapital versteigert. Diese Firma hatte einen seriösen Mitbewerber, der alle Sicherheiten geboten hätte, aus dem Feld geschlagen, die Gesellschaft der Herausgeber der "Polityka", des polnischen "Spiegel", deren Offerte wiederum das Verfahren überhaupt in Gang gesetzt hatte. Lakonischer Kommentar: die hätten ja mehr bieten können. So wird der seriöse Kaufmann, der bei allem Interesse die wirtschaftliche Vernunft und ordentliche betriebswirtschaftliche Analysen nicht aus dem Sinn verliert, bestraft. Leider sieht man immer noch auch bei vielen ähnlichen, bei nicht die AWRSP betreffenden Verkäufen die Dollarzeichen des schnellen Geldes in den Augen blitzen.

Dieses System der Zufälligkeiten ohne Sicherungen und doppelten Boden ist gang und gäbe.

Nicht immer geht es gut wie in Karnitten bei Osterode, erklärte Denkmalschützer Jacek Wisocki der polnischen Zeitung "Gazeta Olsztynska". Das dortige Schloß gehörte zwar der PGR, restauriert hatte es allerdings in den achtziger Jahren die Leninhütte, die dort ihr Feriengelände hatte. Nun hatte die Leninhütte aber keinen Eigentumstitel. Es gab Momente, in denen die Ferienanlage der einzige funktionierende Teil der PGR war, sagte Wisocki, danach stand es leer, aber nicht lange. Dann kam jemand mit einem Koffer voll Geld, man mußte argwöhnen, was geschieht. Glücklicherweise bestätigten sich die Befürchtungen nicht, erklärte Konservator Wisocki, das Palais ist als Hotel bewirtschaftet.

Darüber hinaus muß man erwähnen, daß der Erwerb einer maroden Immobilie durchaus interessant ist, bringt er doch diverse Zuschüssen und eine fünfzigprozentige Steuerminderung mit sich. Über den Prestigewert für manch zweifelhafte neureiche Größen hinaus sind ostpreußische Schlösser daher als Anlage zum Geldwaschen überaus lukrativ.

Die wichtigste Obliegenheit eines Käufers, der ein Schloß oder Gutshaus in Ostpreußen erwirbt, ist, binnen vier Jahren eine komplette Sanierung und Restaurierung des Baus durchzuführen.

Zum Beispiel Schönberg, Kreis Rosenberg. Das Schloß der Familie von Finckenstein aus dem 14. Jahrhundert wurde von den Russen 1945 angesteckt und hatte große Brandschäden. Seit 1990 ist es nun bereits mehrmals "privatisiert" worden. Die AWRSP übernahm es wieder und machte noch einmal gutes Geld, als sie es dem deutschen Filmregisseur Volker Schlöndorff zu Dreharbeiten vermietete. In den Ruine wurde unter anderem "Der Erlkönig" nach dem Roman von Michel Tournier realisiert. Seit gut vier Jahren ist es nun Eigentum von Andrzej M., einem neureichen Busineß-Mann, der das Anwesen zum Preis von einem Einfamilienhaus zugesprochen bekam, von Ausbau und Restaurierung keine Spur.

Diese Fälle haben sich so sehr gehäuft, daß bei der AWRSP mittlerweile eigne Listen geführt werden, in denen das Hauptaugenmerk auf die Fristen gelegt wird. In Zukunft sollen alle Objekte, bei denen die Vierjahresfrist zur Restaurierung sich dem Ende nähert, in Zusammenarbeit mit dem Allensteiner Generalkonservator kontrolliert werden. Die Liste umfaßt einige Dutzend Objekte.

Zukünftig wird es endlich auch Konsequenzen geben. Der säumige Neueigentümer muß dann sogar die Annullierung des notariellen Kaufvertrages fürchten, bisher gab es solche Vertragsauflösungen nur bei Pächtern und wenn nachgewiesen werden konnte, daß der Käufer ein unliebsamer Strohmann ist, was mit etwas Geschick bei der Gesellschaftsgründung unmöglich ist, wie einige findige Russen inzwischen entdeckt haben. Als Mitarbeiter der Allensteiner Denkmalschutzbehörde mit dem neuen Eigentümer eines Palais in der Gemeinde Schippenbeil sprechen wollten, zeigte der sich zwar gesprächsbereit, aber die Unterhaltung erwies sich als etwas mühsam, da nur in russischer Sprache möglich. Der "Neue Russe" hatte die Idee, mitten in das denkmalgeschützte Ensemble einen Swimmingpool mit allen Schikanen zu bauen.

Das brachte nach den Allensteiner Denkmalschützern nun auch den führenden Mitarbeitern der AWSRP die Erkenntnis, daß es so nicht weitergehen könne. Neben den wirtschaftlichen und konzeptionellen Möglichkeiten müsse man die Bewerber auch noch nach anderen Kriterien aussuchen, ein gewisses kunsthistorisches Verständnis müsse auch auf dessen Seite erkennbar sein, ein historisches Bauwerk sein nun einmal nicht für jedermann geeignet. Sonst käme es weiterhin zu solchen denkmalschützerischen Katastrophen wie Schönberg und letztlich auch Steinort, betonte Wysocki.

Auch der Sitz der Familie von Lehndorff entpuppte sich im letzten Jahrzehnt als eine Bumerang-Immobilie, die wegen Mißwirtschaft, Pleiten und ähnlichen wirtschaftlichen Problemen immer wieder zurück an die AWSRP kam – jedes Mal in schlechterem Zustand. Alle Beteiligten sind sich einig, daß für eine Zukunft als Hotelbetrieb allein Baukosten von mindestens fünf Millionen Dollar fällig wären. Dennoch steht Steinort wieder zum Verkauf, zu den üblichen Bedingungen.

Einsicht und tatsächlich verändertes Handeln aber sind zweierlei. Trotz aller Erkenntnisse: der Ausverkauf geht weiter, jeder Interessent kann sich die Objekte auf den Internet-Seiten der AWRSP ansehen. Schloß Schlobitten mit Nebengebäuden und Park ist auf den ständig aktualisierten Seiten der zum Verkauf stehenden ostpreußischen Gutshäuser und Schlösser derzeit das bekannteste Angebot, Bedingungen: die üblichen.

Heimseite in polnischer und englischer Sprache des "Polnischen Staatsschatzes" im Internet: http://www.awrsp.gov.pl