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28.04.01 Ronald Schills Partei verstört für die Herbstwahl schon jetzt die Kreise der Etablierten

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. April 2001


Hansestadt Hamburg:
Dem Bürger aufs Maul geschaut
Ronald Schills Partei verstört für die Herbstwahl schon jetzt die Kreise der Etablierten
von Jan Heitmann

Wenn er im Herbst tatsächlich in die Regierungsverantwortung der Hansestadt kommen sollte, dann möchte er "binnen 100 Tagen die Zahl der Verbrechen in Hamburg halbieren" verkündete Ronald Schill, als er im Sommer letzten Jahres seine "Partei Rechtsstaatlicher Offensive P.R.O." vorstellte. Die Partei, die aus dem Stand zweistellige Ergebnisse für die Herbstwahl in Hamburg laut seriöser Umfrageinstitute für sich reklamieren könnte, wirbelt nicht nur die seit Jahren sieggewohnte SPD durcheinander, sie könnte das bisherige Parteienspektrum auflösen und um neue Varianten bereichern. Seit dies als drohende Möglichkeit am Firmament des Wahlhimmels auftaucht, überlagern Zahlenspiele, neue Koalitionen und ein gepfeffertes Maß von Verleumdungen den vormaligen Richter und seine Partei. Dabei fällt auf, daß Schill wohl selbst die rigiden Spielregeln des politischen Kampfes nicht vollständig zu überschauen vermochte. Seit er bei den Rechenexempeln für zukünftige Koalitionen eine gewisse Rolle zugewiesen bekam, geht er schrittweise auf Distanz zu den Mutmaßungen, er könne nationale Positionen vertreten. So meinte er in einem Interview im Magazin "Der Selbstständige" (1/2001), die P.R.O.-Partei treffe keinerlei "Anstalten, die Wehrmacht zu rehabilitieren und sich für die Interessen der Ver- triebenen zu engagieren". Es bleibt unklar, ob er sich politischer Klugheit oder zwingenden Kenntnissen seiner politischen Gegner beugte, die ihn zu dieser Antwort nötigte.

Die 68er sind geduldige Menschen. Drei Jahrzehnte nach dem ersten Schritt auf ihrem "Marsch durch die Institutionen" haben sie in allen gesellschaftlichen Bereichen auf den Stühlen der Macht Platz genommen. Die Folgen sind vor allem in der inneren Sicherheit unübersehbar: der gesetzliche Rahmen bei der Verurteilung von Straftätern wird kaum noch ausgeschöpft, die vorzeitige Haftentlassung ist an der Tagesordnung, Täterschutz rangiert vor Opferschutz, jugendliche Straftäter werden mit Abenteuerreisen belohnt, der Linksextremismus wird kaum noch zur Kenntnis genommen, autonome Krawallbrüder werden hofiert, Drogen entkriminalisiert und die Kleinkriminalität bagatellisiert. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Kurzum, die ungehemmte persönliche Entfaltung und Bereicherung auf Kosten anderer wird zum Credo erhoben, auch wenn dabei der Rechtsstaat auf der Strecke bleibt.

Wenn es den personifizierten Gegensatz zu den 68ern gibt, wird dieser gegenwärtig von dem Hamburger Richter Ronald Barnabas Schill verkörpert, der sich mit der Gründung einer neuen Partei zu Wort gemeldet hat. An ihm scheiden sich die Geister. Den einen gilt er als "Richter Gnadenlos" und "Rechtsaußen". Die anderen dagegen halten ihn für einen Richter, der bei seinen Urteilen endlich den gesetzlichen Strafrahmen ausschöpft und so für mehr Sicherheit in Hamburg sorgt. Während die einen – freilich ohne es zuzugeben – Schills Einzug in die Bürgerschaft fürchten, sehen die anderen in ihm einen politischen Hoffnungsträger, von dem sie vor allem eine Kursänderung bei der Wahrung der inneren Sicherheit in der unter dem Filz der SPD leidenden Hansestadt erwarten. Wer sich jedoch näher mit Schill und seinen politischen Thesen befaßt, wird feststellen, daß er weder so einfach in eine dieser Rollen einzuordnen ist, noch daß sich seine politischen Ziele ausschließlich auf die innere Sicherheit beschränken.

In das Licht der Öffentlichkeit geriet er erstmals, als er als Strafrichter von seiner richterlichen Unabhängigkeit Gebrauch machte und anders als die meis-ten seiner Kollegen harte Strafen für Kleinkriminelle verhängte. Dabei schoß er nicht etwa über das Ziel hinaus, sondern er schöpfte lediglich den Strafrahmen aus, den das Gesetz ausdrücklich vorsieht. Die "Strafe" folgte auf dem Fuße, und er wurde an ein Zivilgericht versetzt, wo er keinen Schaden im Sinne des in der Justizbehörde herrschenden Geistes mehr anrichten kann.

So konnte es natürlich nicht ausbleiben, daß Tausende Bürger, die nicht unter dem ideologisch motivierten Verharmlosungssyndrom leiden, ihm ihre Sympathie bekundeten und ihn aufforderten, in die Politik zu gehen. Seine Partei, die sich zunächst "P.R.O. – Partei Rechtsstaatlicher Offensive" nannte und die seit einem verlorenen Rechtsstreit mit der "PRO-DM-Partei" unter "Schill-Partei" firmiert, könnte bei der nächsten Bürgerschaftswahl im September zu einer festen Größe im Hamburger Landesparlament werden. Die innerparteilichen Machtkämpfe und der rasche Personalwechsel, die für viele Jung-Parteien kennzeichnend sind, scheinen nach einem Dreivierteljahr ihres Bestehens überwunden.

Schills politische Gegner, die einst Willy Brandt bewunderten, weil er "mehr Demokratie wagen" wollte, verweigern sich heute nach Kräften dem demokratischen Diskurs mit einem, der es wagt, gesellschaftliche Mißstände aufzuzeigen und Wahrheiten offen auszusprechen. Statt sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen und ihn zu widerlegen, was kaum gelingen dürfte – folgen sie ihrem bewährten Muster und belegen auch ihn mit Begriffen wie "Stammtischpolitiker", "Bauernfänger", "Geistiger Brandstifter" und jetzt, wo die Bürgerschaftswahl näher rückt, avanciert er schnell zum "Rechtspopulisten". Eine leicht durchschaubare Taktik. Schill soll in der rechten Ecke stehen, damit er für keinen im Gerhard Schröderschen Sinne "couragierten und anständigen" Bürger mehr wählbar ist.

Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen. Trotz aller Versuche, ihn zu isolieren, hat dieser Mann seine Zuhörer, die nicht selten auch aus dem Lager seiner politischen Gegner kommen. Schill wirkt allein schon durch sein Auftreten. Stets korrekt gekleidet, besticht er durch seine immer ruhige und emotionslose Sprache. Er weiß nüchterne Fakten und Daten vorzutragen und sachlich über skandalöse Vorgänge zu berichten, die den Bürgern wohlweislich vorenthalten werden. Wer weiß denn beispielsweise, daß in Hamburg Ersttäter schon nach kürzester Zeit in den offenen Vollzug gelangen, selbst wenn sie zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt sind, daß von 100 Mördern nur zwei lebenslänglich erhalten und daß von 2530 Drogendealern, die 1999 erwischt wurden, nur 63 überhaupt in Untersuchungshaft kamen. Und wer weiß, daß derzeit in Hamburg-Billwerder ein 120 Millionen Mark teuer Luxus-Knast für 400 Häftlinge errichtet wird, in dem jede Zelle weit mehr kostet als ein Doppelzimmer in einem 5-Sterne-Hotel. Diesen empörenden Mißständen stellt Schill die erschreckende Kriminalstatistik gegenüber, die er fachkundig zu kommentieren weiß.

Die Ursache für die Mißstände bei der Verbrechensbekämpfung sieht er in einer verfehlten und ideologisch bestimmten Politik des Senats, die die Nöte und Ängste der Bürger ignoriere und an ihren Bedürfnissen bewußt vorbeigehe. Der CDU wirft er Tatenlosigkeit vor und vergleicht sie mit einem Hund, den man zum Jagen tragen müsse. Hart geht er auch mit seinen Berufskollegen ins Gericht, die sich aus zumeist rein ideologischen Gründen längst von ihrer Pflicht zur wirksamen Bestrafung von Straftätern verabschiedet hätten.

Schill fordert eine Verbesserung der objektiven Sicherheitslage, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu ändern. Deren Bedürfnisse müßten das Handeln der Politik bestimmen und nicht ideologische Traumvorstellungen alter 68er, die sich selbst in existentiellen Fragen als "beratungsresistent" erwiesen. Schills Programm enthält detaillierte Lösungsansätze, die sich so auf den Punkt bringen lassen: hartes Durchgreifen gegen jede Art von Kriminalität, konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze, größtmögliche Ausschöpfung der gesetzlichen Strafrahmen und die Rückkehr zu einem Strafvollzug, bei dem das Element der Strafe und ihre abschreckende Wirkung im Vordergrund stehen.

Zweifellos ist die innere Sicherheit das Hauptelement von Schills Programm. Doch ist er auch auf anderen Politikfeldern rührig. In der Bildungspolitik beklagt Schill die Demontage der Schule durch Gleichheitsutopien, Lustprinzip und Machbarkeitswahn. Er fordert eine Abkehr von den Reformen und der Beliebigkeit im Unterricht, eine Rückkehr zu schulischen Inhalten und eine Besinnung auf das Leistungsprinzip, das Wissen und Können wieder in den Mittelpunkt stellt. Zu seinen Zielen in der Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik gehört eine differenzierte Unternehmensförderung, eine konsequente Standortpolitik, die Aufhebung aller "aus ideologischen Gründen herbeigeführten verkehrs- und wirtschaftsbehindernden Einschränkungen" sowie die Schaffung von Leistungsanreizen durch eine moderne Steuerpolitik. Dies soll mit einer Vereinfachung der Steuervorschriften, der Förderung der privaten Altersvorsorge, der drastischen Einschränkung von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und der Abschaffung des Solidarzuschlages  einhergehen. Schills Verkehrspolitik wendet sich gegen eine "ideologiegeprägte Verkehrspolitik,die den Individualverkehr verteufelt und den motorisierten Normalbürger in seiner Beweglichkeit einschränkt". Er fordert einen geschlossenen Autobahnring um die Stadt, eine Entlastung des Radialnetzes durch leistungsfähige re Ringe und Tangenten sowie den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. In der Sozialpolitik strebt Schill die Abkehr von der Beschränkung auf ausschließlich finanzielle Hilfen an. Außerdem tritt er für die Förderung der Familie als "Keimzelle der Gesellschaft" ein und wendet sich gegen Quotenregelungen.

Eines steht fest. Mit seiner Kritik, seinen Forderungen und Zielen dürfte Ronald Schill der Mehrheit der ehrlichen Bürger aus der Seele sprechen. Ob es seinen Gegnern trotzdem gelingen wird, ihn im Wahlkampf zu diskreditieren, bleibt abzuwarten. Und ob und mit welchem Ergebnis er in die Hamburger Bürgerschaft einziehen wird, wissen nur die Propheten. Eines aber hat er schon jetzt erreicht: Er hat viele Bürger für das Problem der inneren Sicherheit sensibilisiert – weit mehr, als es den etablierten Bürgerschaftsparteien recht sein kann. Und er hat ein Zeichen gesetzt, auch über die Grenzen Hamburgs hinaus.