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12.05.01 Lovis Corinth und sein lithographischer Zyklus »Fridericus Rex«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Mai 2001


Des Königs Kleider
Lovis Corinth und sein lithographischer Zyklus »Fridericus Rex«

Was haben Daniel Chodowiecki, Adolph von Menzel und Otto Gebühr gemeinsam? Eine ungewöhnliche Frage, bei der die Antwort allerdings auf der Hand liegt: sie alle haben entscheidend unser Bild von dem Preußenkönig Friedrich II. geprägt, der Zeichner und Kupferstecher Chodowiecki, der Maler Menzel, der Schauspieler Gebühr. Seit je waren Gegner wie auch Verehrer fasziniert von dem König, der schon zu Lebzeiten "der Große" genannt wurde.

Ein Künstler, der einmal von sich gesagt hat: "Ich fühle mich als Preuße und kaiserlicher Deutscher" und der 1908 die Totenmaske des Königs gezeichnet hat (ein Abguß hing später in seinem Atelier, auch schuf er 1915 ein Gemälde der Totenmaske), hat sich eine Zeitlang sehr intensiv mit dem Leben des Preußenkönigs beschäftigt: Lovis Corinth aus Tapiau. In einem Gespräch im November 1920 mit dem Herstellungs- und Redaktionsleiter des Kunstverlages Fritz Gurlitt in Berlin, Paul Eipper, erinnerte sich Corinth an eine entscheidende Begegnung: "Ich bin ins Zeughaus gegangen, zum ersten Mal in meinem Leben. Hören Sie, das war großartig! Denken Sie, da komm ich in einen Saal, steht da eine blaue Uniform, ein Dreispitz, ein Krückstock, ich seh das so von weitem, undeutlich, denke gleich, das ist doch Friedrich der Große, wahrhaftig, als ich näherkam, stand’s da: das sind seine Kleider. Ich war ordentlich erschrocken vor Ehrfurcht ... Wie gut, daß das Museum keine Wachsköpfe hat machen lassen. So war’s ja viel echter! Das war mir ein großer Genuß, meinen Sie nicht, ich sollte dort mal einen Rundgang machen?"

Wie sehr der Ostpreuße beeindruckt war von dieser "Begegnung", zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, daß er des Königs Uniform aufgenommen hat in seinen lithographischen Zyklus "Fridericus Rex". Eipper war es, der dem Künstler vorschlug, einen solchen Zyklus zu schaffen, die Reihe fortzusetzen, die Corinth mit Götz von Berlichingen und Martin Luther begonnen hatte. Nach kurzem Zögern – er wolle sich nicht neben eine solche Autorität in Sachen Preußen wie Menzel stellen – ging Corinth auf den Vorschlag ein. Im Laufe eines halben Jahres entstanden 45 Lithographien. Corinth an Gurlitt: "... ohne Übertreibung kann ich es wohl ein Kollossal-Werk nennen."

Ganz anders als Menzel ist Corinth zu Werke gegangen. Während Menzel historische Studien betrieb, las Corinth viel über den großen König und machte sich so "den Gegenstand zu eigen, und so spiegeln die Bilder zuerst einmal seine Befindlichkeit und drücken seine Sicht der Welt aus", so Alexander Dückers in dem Katalog zur Ausstellung "Fridericus Rex – Der Preußenkönig in Mythos und Geschichte", die vom Kupferstichkabinett Berlin 1986 gezeigt wurde. "Corinth erreicht in der Mappe ,Fridericus Rex‘ eine Unmittelbarkeit, indem er den Blickpunkt auf der Ebene der Darstellung wählt und die Hauptakteure an den vorderen Bildrand rückt. In dieser Direktheit wird dem Betrachter nicht ein historisches Geschehen vorgeführt, sondern er ist unmittelbar angesprochen ... Indem Corinth zu den tradierten Szenen eigene Bildideen einführt, zeigt sich, daß die traditionelle Ikonographie für ihn keine Norm bildet. Vielmehr ist die Unmittelbarkeit der eigenen Erfahrung sowohl der Auswahl der einzelnen Themen als auch bei deren Wiedergabe ausschlaggebend ... Die Wirklichkeit dieser Bilder entsteht nicht durch das Suchen nach historischer Authentizität, sondern aus den Erlebnissen, die dem Künstler selbst das Wirkliche bedeuten. Corinth erzählt in seiner Mappe ein Heldenepos, in dem der König aus der Vergangenheit auftaucht, begleitet von seinen Kämpfern Abenteuer besteht und nach seinem Tod als Mythos weiterlebt" (Dückers).

Im November 1921 ist das Werk vollendet – Mappe 1 "Aus dem Leben Friedrichs des Großen", es folgt Mappe 2 "König Friedrich und sein Kreis" (1921/22). 1926, auf der großen Corinth-Gedächtnisausstellung (Gemälde in der Berliner Nationalgalerie, Graphik in der Akademie der Künste) wurde auch der Zyklus in farbigen Lithographien ausgestellt. 60 Jahre später dann wurde der Zyklus nur in seinem ersten Zustand (einfarbig schwarz) gezeigt, da viele Blätter verlorengegangen waren. Nun aber ist es dem Sammler und Kunsthändler Hans Georg Schultz gelungen, aus dem Nachlaß des Verlegers Wolfgang Gurlitt (Sammlung Paul Eipper) eine komplette Fassung mit 45 Farblithographien, also die dritte und endgültig zur Auflage genehmigte Fassung, zu erwerben. Bei einem Besuch in New York, wo Wilhelmine Corinth, die Tochter des Künstlers, seit langen Jahren lebt, entstand die Idee, dieses bedeutende Spätwerk des Ostpreußen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. So werden die Originale in den Räumen der Gesellschaft Historisches Berlin e.V., Unter den Linden 10, 10117 Berlin, montags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, bis 1. Oktober ausgestellt. Gleichzeitig erscheint eine limitierte Faksimile-Ausgabe des Zyklus, der die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nur überstehen konnte, weil er eingemauert war. Die übrige Auflage ist weitgehend bis auf einige Einzelblätter verbrannt. Die Faksimile-Ausgabe erscheint einmal als Luxuskassette (Auflage 100 numerierte Exemplare; Impressum signiert von Wilhelmine Corinth; 3600 DM), als Kassette (200 numerierte Exemplare, 1800 DM) und als Miniaturkassette (Auflage 500, Reprint auf Bütten, 320 DM). Die genannten Preise sind Subskriptionspreise bis 31. Mai (Bestellungen bei Inkognito-Art Transfer, Erkelenzdamm 11–13, 10999 Berlin). – Ein Kleinod der besonderen Art im Preußen-Jahr 2001! Silke Osman