07.11.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.06.01 Anmerkungen zu einem Buch über das Attentat von 1981 auf Papst Johannes Paul II.

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. Juni 2001


Es geschah in den Iden des Mai ...
Anmerkungen zu einem Buch über das Attentat von 1981 auf Papst Johannes Paul II.
von Peter Fischer

Es geschah am 13. Mai 1981 um 17.17 Uhr in Rom: Die Tauben stießen jäh mit knatterndem Flügelschlag steil himmelwärts, und der gewohnte Begrüßungslärm der Menge wurde übertönt von zwei, drei harten Detonationen. Sekunden später wurde es für die riesige Audienzgemeinde auf dem Petersplatz zur schaurigen Gewißheit, auf Johannes Paul II., für Katholiken der Stellvertreter Gottes, war ein Attentat verübt worden. Der weiße Jeep mit dem Schwerverletzten hat noch kaum den Petersplatz verlassen, da wird auch schon der Attentäter gefaßt. Zwei der drei Verletzungen des Opfers erwiesen sich als geringfügig: der erste Treffer war ein Streifschuß, der zweite traf den Zeigefinger, aber der dritte war tief in den Bauchraum eingedrungen. Bedrohte dieser Schuß das Leben, so gab die Symbolik des ramponierten Zeigefingers für die Wissenden Anlaß zu den vielfältigsten Mutmaßungen: War es eine Warnung Gottes an Papst und Kirche? Waren es innerkirchlich rivalisierende Kräfte oder machtpolitische Motive, die der Abwehr eines aggressiven politischen Katholizismus gegenüber den 1981 noch bestehenden bolschewistischen Ländern dienten?

Zwanzig Jahre nach diesen folgenschweren Schüssen versucht Valeska v. Roques, langjährige "Spiegel"-Redakteurin, heute freie Autorin in Rom, mit "Verschwörung gegen den Papst – Warum Ali Agca auf Papst Johannes Paul II. schoß" Licht in das Dunkel der Verliese des Vatikans zu bringen. Um es vorwegzunehmen, der Leser wird nicht vom gleißenden Licht neuer Erkenntnis geblendet, die päpst-lichen Kammern bleiben weiter im schützenden Schummerlicht.

Eines schien in den Tagen jenes Mai 1981 sicher zu sein, die rasch in die Welt gesetzte Legende von den hintergründig anstiftenden Köpfen aus Sofia und Moskau entsprangen allzusehr der damaligen Sinnmitte US-amerikanischer Propaganda, die sich mit der Hauptperson Reagan gerade anschickte, das "Reich des Bösen" zu liquidieren. Auch wenn man davon ausgehen kann, daß in Moskau sich längst die dunkle Ahnung zur Gewißheit verdichtet hatte, daß mit der Wahl eines Nichtitalieners, eines Polen zumal, höchste Gefahr in Verzug war, so schien doch keiner der Sowjet-Funktionäre so umnebelt zu sein, sich an der Person jenes religiösen Führers zu vergreifen. Umgekehrt konnte freilich bei der bekannten Anfälligkeit namhafter Polen, propagandistische Finessen schon für bare Münze zu nehmen, der szenische Entwurf, zum rech-ten Zeitpunkt installiert, die schönsten Früchte abwerfen.

Dazu ist es aber nicht gekommen. Stand der Papst im Banne anderer Widersacher, oder war er wie die US-Journalistin Mary Martinez mutgmaßte "einer, der alle Ideologien respektiert?"

Das Papsttum steht nicht erst seit Luther im Spannungsfeld von Reform und Traditionalismus, von Gegenspielern und großpolitischer Machtlage. Seit jenen Londoner Tagen von 1717 und seit den Umbrüchen der französi-schen Revolution laufen auch die Thesen von der einen Weltrepublik um, deren nur zwischenzeitlich eingeschobene Bausteine die Nationalstaaten sein sollten. Doch so wenig Johannes Paul II. den Polen in sich überwunden hat, wie seine demonstrativen Besuche in Ostpreußen und Schlesien anzeigten, so schwer trägt er an dem (unlösbaren) Problem, die kulturelle Vielfalt der Völker und Länder dieser Erde nachvollziehbar so vereinen zu können, daß eine Weltreligion die (von der Hoch- finanz gewollte?) Weltrepublik gleichsam geistlich unterfüttert.

Jacques Mitterrand, Großmei-ster des französischen Groß-Orients, verwies bereits 1962 auf das Dilemma einer Kirche, die den Offenbarungsglauben preisgibt: "Im Unterschied zu uns Freimaurern halten die Katholiken im Namen der Ökumene nicht mehr an ihrer Vergangenheit fest, um aus ihrem Reichtum zu schöpfen. Im Gegenteil, sie tun ihr Möglichstes, um ihre Tradition zu verleugnen, weil sie ihre Religion der Erneuerung anpassen wollen. Und wie kam es soweit? Eines Tages stieg aus ihrer Reihe ein wirklicher Wissenschaftler empor, Teilhard de Chardin ... Er erklärte, daß in der Summe oder Masse des kollektiven Bewußtseins, das den Globus als tiefste Schicht der Atmosphäre umgibt, der Mensch es ist, der den Vorrang hat, und nicht Gott ... Teilhard stellte den Menschen auf den Altar, und da er den Menschen anbetete, konnte er nicht mehr Gott anbeten."

Die Konsequenz dieser Sicht der Dinge, wie sie auch von dem Jesuiten Karl Rahner geteilt wurde, den Woytila trotz der Warnungen Pius XII. wiederholt empfing, ist offenkundig. Sie macht emp-fänglich für den "weltlichen Arm" der Kirche, der wiederum in Wechselbeziehung zum "Genius loci" steht: Just in jenem Mai 1981 platzt in Rom noch eine andere Bombe: Bei der Hausdurchsuchung des Lucio Gelli, Dritter in der Hierarchie des Papstes aufgrund seiner Führung des Ordens "Ritter zum heiligen Grabe", trat so viel Unwahrscheinliches zutage, daß man zunächst noch an eine Falle dachte. Doch schließlich wurde es zur Gewißheit: Unter den 900 Logenmitgliedern befanden sich 3 Minister, 53 Ministerialbeamte, 17 Generale, 8 Admirale, 4 Generale der Carabinieri, 4 Generale der "Finanza", 22 Offiziere des Sicherheitsdienstes, 14 Staats-anwälte, 4 Richter, 9 Diplomaten, 49 Bankiers, 22 Journalisten, 36 Universitätsprofessoren – und 121 hohe vatikanische Amtsträger. Kurzum Führungspersonal ge-nug, um auf den parlamentarischen "Apparat" fast verzichten zu können, bis sozialistische, nichtmaurerische Kräfte den Verbindungsweg zur "Banco Ambrosiano" auftaten ...

Doch der Ring um das Komplott schließt sich damit bei weitem noch nicht. Es treten, wie an einem Londoner Nebeltag, nur schemenhaft Konturen hervor:

Sind es die Aufbauten eines Kriegsschiffes, die Konturen eines Bankhauses der City? Es muß offenbleiben. Waren es Kräfte aus Geheimdiensten, Logen, Banken, Mafia, dem Vatikan? Es muß offenbleiben. Aus zwanzig und mehr Kraftlinien von jener Art läßt sich keine Resultante mehr finden. Es ist schon hilfreich, wenn man von der Existenz dieser Kräfte weiß. Wahrscheinlich hat die Autorin Valeska von Roques es auch so gesehen. n

Valeska von Roques: "Verschwörung gegen den Papst – Warum Ali Agca auf Papst Johannes Paul II. schoß". Karl Blessing Verlag, München, 2001. 253 Seiten, ISBN 3-89667-102-2, Preis 48,00 DM.