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23.06.01 Wiedererstandenes Denkmal für die "Baltische Landwehr"

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. Juni 2001


Riga: Unendliche Geschichte
Wiedererstandenes Denkmal für die "Baltische Landwehr"
Martin Schmidt

Am 9. Juni konnte man auf dem Waldfriedhof der lettischen Hauptstadt Riga einer symbolträchtigen Zeremonie beiwohnen: Das teilrestaurierte Denkmal für die "Baltische Landeswehr" wurde im Beisein lettischer und deutscher Militärabordnungen der Öffentlichkeit übergeben.

Ein Monument für die deutschbaltischen Opfer des antisowjetischen Freiheitskampfes von Ende 1918 bis Anfang 1920 war an diesem Ort erstmals 1929 errichtet worden. Es wurde allerdings schon nach kürzester Zeit gesprengt, wahrscheinlich von lettischen Nationalisten. Noch im gleichen Jahr entstand ein neues Denkmal. In einen Hügel ließ man in einem Halbrund Granitplatten mit den Namen der Gefallenen anbringen. Darüber trotzte ein mächtiger Findling.

Doch der Sieg der Roten Armee brachte auch für dieses Ehrenmal die Zerstörung: Die Namenslisten wurden entfernt und der Findling gesprengt. Doch weil die Geschichte eben kein Ende kennt, war auch diese Untat nicht das letzte Wort.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) veranlaßte in jüngster Zeit zusammen mit der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft, daß die Fragmente des Findlings mit Stahlschrauben zusammengefügt und am alten Ort wiedererrichtet wurden. Sämtliche Kosten trug der VDK, wobei die Landsmannschaft im nachhinein noch einen kleineren Betrag beisteuern will.

Die Granitplatten gibt es allerdings nicht mehr; geblieben sind die helleren Stellen am Felsen, an denen sie einst angebracht waren. Eine Neuerstellung der Gefallenenlisten sei nicht geplant, erklärte Dr. Heinz-Adolf Treu, Vorstandsmitglied der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft, gegenüber dem Ostpreußenblatt. Doch angesichts des auferstandenen Findlings war die Vergegenwärtigung der Kämpfe der Baltischen Landeswehr für die zahlreichen Teilnehmer der Feierstunde auch ohne die Gedenkplatten eine Selbstverständlichkeit.

Der Schriftsteller Siegfried von Vegesack hat in seinem Roman "Die Baltische Tragödie" die Ausgangslage für den Einsatz der Landeswehr wie folgt skizziert: "Der Weltkrieg ist ausgekämpft, aber dieser Krieg um das baltische Schicksal hat noch kein Ende gefunden, ja, er fängt jetzt erst eigentlich an. Die Hauptakteure des großen Welttheaters haben ihr Stück zu Ende gespielt, sie treten zur Seite. Kleine baltische Nebenfigur, endlich kommst du an die Reihe.

Und selbst wenn du jetzt für immer von der Bühne verschwinden solltest – es kommt auch auf den Abgang an, ob man zu sterben versteht. (...) Ein winziges versprengtes Häuflein Deutscher, verlassen vom Mutterland, allein, ohne jeden Beistand, gegen tausendfache Übermacht – und trotzdem!" ... Ja,  und trotzdem wurde am 11. November 1918 in Riga angesichts des Abzugs der reichsdeutschen Truppen und des Vorrückens der Bolschewiki die Baltische Landeswehr ins Leben gerufen.

In ihr schloß sich die kampffähige einheimische deutsche Bevölkerung sozusagen mit Mann und Maus zusammmen und leistete den Sowjets ab Dezember 1918 erbitterte Abwehrkämpfe. Dennoch konnten diese am 3. Januar 1919 sogar Riga besetzen, und es kam zu großen Fluchtbewegungen und blutigen Greueltaten der Bolschewiki an Deutschen und Letten.

Zwar gelang es in dieser schier aussichtslosen Lage, alle in der Region verbliebenen deutschen Truppen – neben der Landeswehr auch reichsdeutsche Truppenteile und Freikorpsverbände – unter einem Kommando mit General Graf von der Goltz als Oberbefehlshaber zum Gegenstoß zusammenzufassen, aber die Streitigkeiten mit den lettischen Volksvertretern spitzten sich weiter zu. Zu verschieden waren die jeweiligen Zukunftspläne.

Am 16. April 1919 stürzte ein Stoßtrupp der Landeswehr unter dem Befehl Hans Baron Manteuffels die deutschfeindliche lettische Regierung Ulmanis und setzte eine gefügige neue Staatsführung ein.

Am 22. Mai folgte dann der größte militärische Erfolg: die handstreichartige Rückeroberung Rigas. Die politische und militärische Bedeutung der Baltischen Landeswehr in Lettland hatte ihren Höhepunkt erreicht. Sogar ein Vormarsch nach Estland wurde in Angriff genommen.

Doch dieser endete rasch, und die Niederlage gegen die von der Entente massiv unterstützten lettisch-estnischen Kräfte in der Schlacht bei Wenden (Cesis) am 22. Juni 1919 brachte die Wende. In der Folgezeit mußte Riga an die national-lettische Regierung übergeben werden. Die Landeswehr wurde an die Front in Lettgallen verlegt, möglichst weit weg von der Hauptstadt.

Zu Beginn des Jahres 1920 hatte die lettische Führung des neuer-standenen Staatswesens, von dem man noch kurze Zeit vorher selbst kaum zu träumen gewagt hatte, die Lage fest im Griff. Die baltischen Deutschen im Land fügten sich – zögerlich und begleitet von anhaltenden Rivalitäten – in die neuen Verhältnisse ein.

Erst die Sowjetisierung ganz Ostmittel- und Osteuropas nach 1945 und die existentielle Bedrohung der Völker des Baltikums durch Russifizierung und industriellen Raubbau machten nach 1989 auch für Letten und (Balten-) Deutsche den Weg zu einem neuen, nahezu ungetrübt-freundschaftlichen Verhältnis frei. Die möglich gewordene Restaurierung des Denkmals für die aus lettischer Sicht problematische Baltische Landeswehr bezeugt dies eindrucksvoll. Ebenso die Eröffnung der ebenfalls am 9. Juni auf dem Waldfriedhof eingeweihten Gedenkstätte an einem jahrzehntelang mit Zivilgräbern überbetteten deutschen Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkriegs.

Von lettischer Seite habe es auf beide Ereignisse "keinerlei negative Reaktionen gegeben", betonte der Landsmannschaftssprecher Heinz-Adolf Treu.