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23.06.01 Goldap und Angerburg werden durch eine neue polnische Kreiseinteilung wieder Kreishauptstädte

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. Juni 2001


Reform der Reform im südlichen Ostpreußen
Goldap und Angerburg werden durch eine neue polnische Kreiseinteilung wieder Kreishauptstädte

Freude in Goldap und Angerburg, Trauer in Mohrungen, und Wut herrscht in Elbing über die Korrektur der polnischen Gebiets- und Verwaltungsreform von 1998. Der Ministerrat der Republik Polen beschloß Ende Mai, zum 1. Januar nächsten Jahres sieben neue Kreise einzurichten, unter denen auch zwei neue ostpreußische Landkreise sein werden. Goldap und Angerburg werden dann wieder Kreishauptstädte sein.

Der Kreis Goldap wird aus den Samtgemeinden Goldap, Dubeningen und Benkheim bestehen, der Kreis Angerburg umfaßt dann Angerburg, Großgarten und Buddern. Um die Hälfte kleiner werden ab dem Jahreswechsel die Kreise Treuburg und Lötzen sein.

Im Jahre 1975 hatte die damalige kommunistische Regierung die Abschaffung der Landkreise beschlossen. Die Diskussion um eine Wiedereinführung begann gleich nach der politischen Wende 1990, im Juli 1998 wurde dann das Gesetz zur Wiedereinführung der nach der Warschauer Regierung und den damals bezirksähnlichen Wojewodschaften dritten Verwaltungsebene verabschiedet. Ende Mai folgte nun in einem großen Rundschlag die große Nachbesserung der Reform.

Was Ostpreußen betraf, stimmten die neuen Kreisgrenzen weder ganz mit den früheren deutschen noch mit den bis in die siebziger Jahre geltenden polnischen Kreisgrenzen überein. Obendrein entschied man 1998, daß Goldap, Angerburg, Mohrungen und Bischofsburg nicht wieder Kreisstadt werden sollten.

So begann dort der Kampf um die Revision der Kreisgrenzen, kaum daß das Gesetz in Kraft getreten war. Emotionen wallten auf, Bürgerinitiativen bildeten sich, Kampagnen wurden in den vier nicht berücksichtigten ostpreußischen Städten gestartet.

Marek Miros, der Goldaper Bürgermeister wandte sich in einem offenen Brief an Premierminister Jerzy Buzek, Bürgerinitiativen und Politiker aller vier Städte appellierten an die Regierung, Lobbyisten gaben sich in Warschau die Klinken in die Hand.

Bischofsburg allerdings mußte im letzten Jahr passen, als die Stadträte von Rößel, Seeburg und Bischofstein vermeldeten, sie hätten sich nun mit der bestehenden Regelung arrangiert und zögen die Unterstützung für Bischofsburg zurück.

Auch Mohrungen wurde nicht wieder Kreisstadt, der Antrag wurde abgelehnt. Das Mohrunger Gesuch sei eines der letzten gewesen, das eingegangen sei, erklärte der stellvertretende Innenminister Jozef Ploskonka Radio Olsztyn und sei wegen eines Formfehlers nicht positiv beschieden worden, es fehlte der Beschluß der Samtgemeinde Saalfeld, dem neuen Kreis angehören zu wollen.

Der Goldaper Vizebürgermeister Jaroslaw Sloma wollte seine Freude über den Ministerratsbeschluß nicht verhehlen. Er sorge sich nicht um die Zukunft des neuen Kreises Goldap, äußerte er sich der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" gegenüber. Nach Zahlen des Finanzministeriums würde der neue, nur aus drei Samtgemeinden bestehende Kreis höhere Einnahmen haben, als so manch anderer größerer. Es sei wichtig für Goldap, wieder selbst über Dinge wie Krankenhäuser und Schulen entscheiden zu können, fügte er an.

Ähnlich enthusiastisch äußerte sich Wladyslaw Anchim, Bürgermeister von Angerburg. Die Angerburger sähen die Rückkehr zum Status einer Kreisstadt als Rückkehr zur Normalität an, wenn auch mit dreijähriger Verspätung, und freuten sich, das Schicksal nun wieder in die eigenen Hände nehmen zu können, erklärte er.

Nicht begeistert, aber immerhin gefaßt zeigte sich der Lötzener Landrat Strazewicz. Obwohl dem Kreis Lötzen nur sechs von zehn Samtgemeinden blieben und man ein Drittel der Fläche und der Bevölkerung verliere, respektiere er die Entscheidung, versicherte er der "Gazeta Wyborcza" gegenüber. Die Gründung neuer Kreise laufe allerdings der Forderung nach größeren, leistungsfähigeren Verwaltungseinheiten zuwider und sei unökonomisch, gab er zu bedenken.

Ausgesprochen sauer hingegen ist man in Elbing. Ebenfalls am 31. Mai lehnte der Ministerrat in Warschau den Elbinger Antrag ab, künftig nicht mehr zur Wojewodschaft Ermland–Masuren, sondern zu Pommern zu gehören.

Seit 1998 schon kämpften in Elbing Politiker aller Parteien für diese Änderung. Im Zuge der damaligen Reform wurden auch die Wojewodschaftsstrukturen geändert, aus Bezirken wurden unseren Bundesländern ähnliche, große Verwaltungseinheiten. Elbing war damals der neuen Großwojewodschaft Ermland–Masuren mit Sitz in Allenstein zugeschlagen worden und hatte seinen Wojewodschaftssitz verloren, was man dort nie verwunden hatte.

Im Oktober 1999 hatte eine Bürgerbefragung bei einer Beteiligung von 45 Prozent zu einem Votum von 98,7 Prozent für einen Wechsel nach Pommern geführt. Noch im selben Jahr wurde beim Innenministerium ein Antrag auf Änderung gestellt, der nun endgültig abgelehnt wurde, Elbing muß beim ungeliebten Allenstein bleiben.

Das allerdings will die Elbinger Wahlaktion Solidarnosc (AWS) so nicht hinnehmen. Es könne nicht angehen, daß Parlament und Regierung den Willen von 60 000 Elbingern ignorieren, da wolle man doch erst mal sehen, was Straßburg dazu sage, erklärte der AWS-Kreisvorsitzende Stefam Rembel-ski der Presse.

Man werde Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gegen Regierung, Parlament, Senat und Präsident der Republik Polen erheben, verkündete Rembelski.

Experten räumen der Klage allerdings kaum Chancen ein. Die Volksbefragung, auf deren Ergebnisse die Klage sich stützt, fand erst mehr als ein Jahr nach der Verabschiedung des Gesetzes statt, die polnische Regierung hätte sie also bei der Entscheidung, zu welcher Wojewodschaft Elbing künftig gehören solle, gar nicht berücksichtigen können. Brigitte Jäger-Dabek