26.04.2024

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07.07.01 Kritische Stellungnahme der Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe NRW

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. Juli 2001


Preußen-Museum in Wesel:
Preußen und das Deutsche Reich
Kritische Stellungnahme der Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe NRW

Der Museumsrundgang beginnt in der Abteilung "Die Stunde Null. Zusammenbruch und Neubeginn 1945": Gezeigt werden Kriegstrümmer und die erbärmlichen Lebensumstände (Not und Elend) der Menschen damals. Warum eigentlich hat man diesen Geschichtsabschnitt an den Anfang des Rundgangs gelegt? Im Trümmerrest eines Hauses befindet sich an der Wand ein Plakat mit einem Aufruf zum Volkssturm und zur Heimatverteidigung, das teilweise auf ein darunter befindliches Plakat geklebt ist, welches das Portrait Friedrichs des Großen zeigt. Auf dem Boden darunter liegen zwei Hakenkreuzwimpel.

Eine Informationstafel, die davor aufgehängt ist, stellt die Frage: "Preußen: Wegbereiter der Katastrophe?" und meint weiter feststellen zu müssen: "Der Staat Preußen, seit jeher Träger des Militarismus!" Die Antwort gibt dem Besucher die entsprechend gewählte Anordnung der Exponate.

Die Frage, warum der Rundgang in dieser Abteilung beginnt und im Obergeschoß des Hauses mit Kriegsgetöse des Ersten Weltkrieges (man findet sich in einem Schützengraben wieder) und dem Nationalsozialismus endet und somit einen Kreis schließt, hat einen pädagogischen Grund: Didaktischmethodisch, wie in einem heutigen Unterricht, beginnt man die "Stunde" mit einem Problem beziehungsweise einer Problemstellung – hier die Folgen des Krieges – und arbeitet logisch oder chronologisch die Ursachen dafür heraus, die am Ende des Rundganges als Ergebnis festgestellt werden. Der Rundgang endet über den Nationalsozialismus in die Katastrophe von 1945. Die komplette preußische Geschichte befindet sich somit dazwischen. Der Untergang Deutschlands 1945 mußte nach der so dargestellten Abfolge der Geschichte Preußens, die dann letztendlich im NS-Staat endete, zwangsläufig kommen. Damit ist die Geschichte Preußens abgelaufen, beendet. "Gott sei Dank!" wird mancher Besucher am Ende des Rundganges denken. Ist das das "Lernziel" der pädagogischen Konzeption des Museums?

Am Ende der ersten Abteilung ist eine Wandkarte "Deutschland 1945" zu sehen. Deutschland in den drei westlichen Besatzungszonen und der SBZ. Außerdem in Postleitzahlengebiete aufgeteilt. Das Besondere an dieser Karte ist, daß Deutschland im Osten an Oder und Neiße endet. Die preußischen Provinzen Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Ostbrandenburg fehlen. Es gibt auch keinen Hinweis auf den Verbleib dieser Gebiete. Der Besucher dieses Museums soll, sicher bewußt, Deutschland so zu sehen bekommen, wie er es von der heutigen Wetterkarte im Fernsehen her kennt. Warum diese verkürzte und damit falsche Deutschlanddarstellung?

Neben der völligen Ignorierung der preußischen Gebiete Ostdeutschlands – man bedenke, daß man sich hier ja in einem Preußen-Museum befindet – gibt es nicht einen einzigen Bericht über die Flucht und die Vertreibung der Deutschen 1945 aus diesen Gebieten. Über 12 Millionen Menschen (ohne Sudetendeutsche) sollen es gewesen sein.

Seltsam! Wieviel Millionen dieser Menschen sind davon ins Rheinland und nach Westfalen gekommen? Ihre Aufbauleistung für diese Region, dem späteren NRW, ihr Einsatz, ihr Fleiß, nichts davon ist dem Museum eine Erwähnung wert. Auch hier die Frage: "Warum?"

In den folgenden Abteilungen der Ausstellung fällt die sehr umfangreiche Darstellung von Kriegsszenen und Kriegsmaterial auf. Besucher fragten schon, ob sie hier in einer Kriegs- und Militärausstellung gelandet seien. Der Militarismus soll in Preußen sehr gepflegt worden sein, kann man lesen. Uniformen, Orden, Dienstgradabzeichen und so weiter regten die Phantasie vor allem der Männer in Preußen an, liest man. Der Mensch fing in Preußen wohl erst beim Leutnant an? "St. Leutnant" – auf einem Plakat.

Also müssen die Preußen in ihrer Geschichte doch recht viele Kriege angezettelt und geführt haben? Bei der Frage nach der Häufigkeit von Kriegen in Europa seit 1600 hat Pater Groppe folgendes Ergebnis festgestellt und im Ostpreußenblatt veröffentlicht. England führte im genannten Zeitraum 80 Kriege, Frankreich 75, Rußland 63, Polen 32 und Deutschland (einschließlich Preußen) 23.

Was findet man in der Ausstellung über die Bevölkerungspolitik beziehungsweise den so berühmten Toleranzgedanken in Preußen? Die Aufnahme Verfolgter aus den europäischen Nachbarstaaten, zum Beispiel Glaubensflüchtlinge aus Österreich und Frankreich, wird beschrieben. Doch gleich danach wird diese Großzügigkeit Preußens wieder mies gemacht: "… Die religiöse Motivation, verfolgten Glaubensgenossen eine Heimstatt zu bieten, war verbunden mit wirtschaftlichem und politischem Kalkül …".

Zur Judenemanzipation 1812 heißt es: "…Juden lebten unter starken rechtlichen Einschränkungen …". "Die Wahrheit wird euch freimachen" (Joh. 8.32). Dieses Zitat aus der Bibel gilt auch für die Geschichtsschreibung.

In der Abteilung "Staat, Regierung und Verwaltung 18. Jahrhundert" findet man folgende Tafel, die das damalige Preußen so darstellt: "Aufstieg eines Staates. Im Laufe des 18. Jahrhunderts unter König Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. (der Große) in einem frühmodernen, absolutistischen Einheitsstaat stieg Preußen zur europäischen Großmacht auf. Beide Monarchen erhoben den Anspruch auf uneingeschränkte Selbstherrschaft. Die Führungsrolle des privilegierten adligen Offizierskorps sowie die Unterordnung aller sozialen und wirtschaftspolitischen Belange unter die Anforderungen des Staates und der Armee verliehen Preußen langfristig prägende innere Strukturen und Züge".

Auf derselben Ausstellungsebene endlich eine Geschichtsseite Preußens, die in einem positiven Licht erscheint: Es war die Zeit, als Preußen "das Glück hatte", von Napoleon und damit von Frankreich (1806-1813) regiert zu werden. Nicht nur ein großes Bildnis des Korsen ist hier zu sehen, sondern eine Unzahl von Exponaten französischer Kultur, Lebensart und Geschichte. Vieles ist in französischer Sprache abgefaßt. Es muß für Preußen eine gewinnträchtige Zeit gewesen sein. Auf einer Schrifttafel liest sich das so: "Napoleon – die neue französische Constitution. Vive la Revolution … hatte eine enorme Prägekraft in Preußen. Die Französische Revolution fand eine positive Resonanz in der Bevölkerung. Napoleon verdanken die Preußen eine Modernisierung in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft – vornehmlich die Einführung eines freiheitlichen Rechtssystems". Die andere Seite, "Erhöhte Besteuerung, vermehrte Aushebungen und staatliche Repressalien" wird zwar auch erwähnt, jedoch: "Nach Abzug der Franzosen erwarteten die Menschen, die von Frankreich ihnen gebrachten fortschrittlichen Einrichtungen behalten zu dürfen".

Ein anderer diese Zeit betreffender Text findet sich in der Abteilung leider nicht. Gemeint ist der Aufruf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm am 17. März 1813 an sein Volk zum gemeinsamen Kampf gegen Napoleon. Hierin schilderte der König die Situation unter der Herrschaft der Franzosen so: "… Wir erlagen unter der Übermacht Frankreichs. Der Frieden, der die Hälfte meiner Untertanen mir entriß, gab uns seine Segnungen nicht; denn er schlug uns tiefere Wunden, als der Krieg selbst. Das Mark des Landes ward uns ausgesogen, die Hauptfestungen waren vom Feind besetzt, der Ackerbau ward gelähmt so wie der sonst so hoch gebrachte Kunstfleiß der Städte. Die Freiheit des Handels ward gehemmt, und dadurch die Quelle des Erwerbs und des Wohlstands verstopft … Das Land ward ein Raub der Verarmung …"

Ebenso dürftig werden die bekannten großen preußischen Reformen herausgestellt. Die bedeutenden Reformer jener Zeit, zum Beispiel Freiherr vom und zum Stein, werden nur kurz dargestellt, ihre hervorragenden Leistungen knapp und teilweise auch abwertend beschrieben. Das Edikt von 1807: "Die Aufhebung der städtischen Vorrechte und Aufhebung der Gutsuntertänigkeit der Bauern" fehlt ebenso wie der Hinweis auf das Edikt von 1808, in dem vom Stein die "Selbstverwaltung der Bürger in den Städten" fordert. Die "Judenemanzipation" von 1812 sowie die "Heeresreform" von Scharnhorst und Gneisenau sucht man vergebens.

Das politische Wirken Bismarcks für Preußen und Deutschland bleibt durch schlichtes Weglassen ungewürdigt. Paßt es nicht ins Konzept der Museumsgestalter?

Im Obergeschoß des Museums und damit im letzten Abschnitt der Ausstellung wird der Besucher zünftig empfangen. Ehe man sich versieht, findet man sich in einem dunklen Schützengraben des Ersten Weltkrieges wieder. Mit Kriegslärm, Maschinengewehrgeknatter und Kriegsberichterstattung per Lautsprecher wird man begrüßt und kann durch ein Scherenfenster einen Blick auf ein Schlachtfeld werfen. Eine geisterhaft wirkende Szenerie. Kurz nach Verlassen des ungemütlichen Ortes wird einem gleich verdeutlicht, wer für diesen furchtbaren Krieg verantwortlich gewesen ist. In der Mitte des Durchgangs befindet sich auf einem Sockel eine große Steintafel, an der man nicht vorbei kommt, ohne den Text auf ihr gelesen zu haben – Artikel 231 des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1919: "Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben."

Dieser Text auf einer Tafel und an der Wand befestigt hätte sicher auch genügt. Doch die Kriegsschuld Deutschlands (und damit Preußens) am Ersten Weltkrieg wird einem so förmlich aufgedrängt. Von einer Kommentierung des Artikels wird abgesehen. Wer wagt es etwa, dem zu widersprechen?

Neben der Bismarckzeit wird eine zweite wichtige Epoche in Deutschland beziehungsweise Preußen kaum dargestellt: Die Weimarer Republik. Paßt auch diese Zeit nicht in das vorgefaßte Bild der Museumskonzeption? Weimar-Deutschland war die erste deutsche Republik. Die Weimarer Verfassung gilt als Vorlage für unser Grundgesetz.

Der Rundgang vom Ersten Weltkrieg zum Nationalsozialismus ist fast übergangslos. Hier finden wir zwischen Nazi-Utensilien und Wehrmachtsuniformen Friedrich den Großen auf einem Plakat, lebensgroß zwischen zwei Wehrmachtssoldaten in Offiziersuniform. Er trägt eine Armbinde mit einem Hakenkreuz darauf.

Eine kleine Texttafel versucht zu erklären, daß die Nazis Friedrich den Großen propagandistisch vereinnahmt hätten. Doch die Art, wie Friedrich hier postiert ist, kann leicht einen anderen Eindruck vermitteln. Der flüchtige Betrachter ordnet ihn den Nazis zu. Es kommt noch schlimmer. In einer hohen Glasvitrine, die vorne mit einem Stück Stacheldrahtzaun versehen ist, hängt an der Wand ein gestreifter Bekleidungsstoff mit einer Häftlingsnummer. Das Ausstellungsstück soll an Sträflingskleidung von KZ-Häftlingen erinnern. Mitten in dieser eingezäunten Vitrine und vor dem KZ-Symbol steht eine weiße Reiterfigur aus Porzellan, mit Friedrich dem Großen als Reiter. Daneben liegt ein Buch, wohl aus der Nazizeit, mit dem Titel: "Rassenlehre". Was hatte Friedrich mit den KZ-Verbrechen im Dritten Reich zu tun? Und warum diese Art der Präsentation?

Der Kreis des Rundgangs durch die Preußenausstellung schließt hier. Das zerstörte Deutschland wird als vorweggenommenes Ergebnis einer Entwicklung gezeigt, die zwangsläufig am Ende über den Ersten Weltkrieg zum Nationalsozialismus in Deutschland und zum Zweiten Weltkrieg mit der gezeigten Vernichtung Deutschlands führen mußte. So wird hier die Geschichte Preußens dargestellt. Pädagogisch sehr geschickt verpackt, um bei den Besuchern eine ganz bestimmte, sicher keine positive, Meinung über Preußen zu erreichen?

 

Die Zitadelle Wesel: In einem Flügel ihres Haupttores befindet sich seit 1998 das Preußen-Museum in Nordrhein-Westfalen, Standort Wesel.

Eine Broschüre mit der Stellungnahme zum Preußenmuseum Wesel kann angefordert werden bei: Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe NRW,  Neckarstr. 23, 40219 Düsseldorf, Fax/Tel. 0211-39 57 63