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14.07.01 Zum Tod von Wilhelmine Corinth / Tochter eines großen Vaters

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juli 2001


Tochter eines großen Vaters
Zum Tod von Wilhelmine Corinth

Sie trug einen ganz besonderen Namen, der vor allem in der Kunstwelt große Bedeutung hat: Wilhelmine Corinth. Die Tochter des großen Meisters aus Tapiau und der Malerin Charlotte Berend erblickte am 13. Juni 1909 in Berlin das Licht dieser Welt. Sechs Monate später wurde sie im Atelier des Vaters in der Berliner Klopstockstraße getauft. Bruder Thomas, fünf Jahre älter, erinnerte sich: "Der Pfarrer kam einige Tage vorher und sah darauf, daß alle Akte abgehängt waren; Corinth bestand aber darauf, daß sein Gemälde ,Die Totenklage’ hängen blieb ..."

Vater und Mutter liebten ihre Mine, wie Wilhelmine Charlotte von den Ihren genannt wurde. Auf vielen Aquarellen, Zeichnungen und Radierungen, auch auf 13 Ölgemälden des Meisters ist ihr Porträt zu finden. Sie selbst studierte später auch an der Akademie in der Hardenbergstraße und in der Malklasse von Mutter Charlotte. Dann jedoch zog es die junge Wilhelmine zu den Brettern, die die Welt bedeuten; sie wurde Schauspielerin und stand mit so namhaften Kollegen wie Karl Schönböck, Elisabeth Flickenschildt, Lilli Palmer und Brigitte Horney in Hannover und Darmstadt auf der Bühne. Aus ihrer Ehe mit dem Ingenieur Hanns Hecker entstammen drei Kinder, die Söhne Michael und Georg sowie die Tochter Katharina. Nachdem die Ehe 1950 geschieden wurde – Wilhelmine Corinth war 1948 ihrer Mutter und ihrem Bruder Thomas nach New York gefolgt –, heiratete sie 1952 Hans Klopfer, ebenfalls einen Ingenieur, mit dem sie zehn glückliche Jahre verbringen durfte. 1962 starb Hans Klopfer, und Wilhelmine Corinth war erneut auf sich allein gestellt. Lange Jahre lebte die vielseitig gebildete Frau umgeben von den Bildern ihres berühmten Vaters an der Seite von Russ Palin, eines ehemaligen Tenors und Turniertänzers.

Nach dem Tode ihrer Mutter Charlotte (1967) und ihres Bruders Thomas (1988) setzte sie sich verstärkt für den Erhalt des künstlerischen Nachlasses ihrer Eltern ein. Sie arrangierte Ausstellungen, so auch 1992 in New York, und achtete besonders darauf, "Lovis’ Arbeiten nur an Museen oder solche Privatpersonen zu geben, von denen ich weiß, daß sie sein Werk schätzen und hüten".

Eine Künstlerin ist aus der Tochter der beiden Maler nicht geworden. Auch ihre Kinder wollten sich auf dem Namen des Großvaters nicht ausruhen. Sie ergriffen wie der Vater und der Onkel Thomas technische Berufe und wurden auf diese Weise erfolgreich.

Über sich selbst schrieb Wilhelmine Corinth einmal: "Ich sah beide Eltern vom Morgen bis zum Abend arbeiten und war stets von entstehenden und vollendeten Bildern umgeben. Zu zeichnen und zu malen erschien mir selbstverständlich, doch liebte ich es fast mehr, kleine Geschichten zu schreiben ..." – Schon mitten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges, den Wilhelmine Corinth mit Mann und Kindern in Hamburg durchlebte, entstand ein erstes Buch: "Sechs Jahre lang", erschienen 1949. In ihm schildert die Autorin die sechs Jahre des Krieges in erschütternd authentischen Bildern. 1983 dann erscheint der Roman "Die Fährfrau", ein Lebensbild der Marie Grubbe, einer "femme fatale" der Barockzeit. Auch in dem Buch "Ich habe einen Lovis, keinen Vater", das sie gemeinsam mit der Journalistin Helga Schalkhäuser verfaßte (Langen Müller, 1990), spürt man immer wieder ihre genaue Beobachtungsgabe, ihren Sinn für Menschlichkeit. Vor allem aber die tiefe Zuneigung zu dem unvergessenen Vater, zur geliebten Mutter, ist es, die durch das letztgenannte Buch von Wilhelmine Corinth Bild geworden ist. "Eine Übriggebliebene", nannte sie sich, "die letzte, die noch davon erzählen kann, wie dieser berühmte Maler Lovis Corinth gelebt hat ..."- Am 31. Mai nun ist Wilhelmine Corinth-Klopfer von uns gegangen. Möge sich bewahrheiten, was sie einst schrieb: "Durch die unsterblichen Werke, die Lovis von meiner Mutter, von Thomas und von mir schuf, werden wir ,vier Corinther’ in der Kunstwelt die Einheit bleiben, die wir stets waren." Silke Osman