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14.07.01 Das historische Kalenderblatt: 3. Juli 1919 / Die Nationalversammlung beschließt den Weimarer Flaggenkompromiß

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juli 2001


Das historische Kalenderblatt: 3. Juli 1919
Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Weiß-Rot
Die Nationalversammlung beschließt den Weimarer Flaggenkompromiß
von Manuel Ruoff

Das Banner, unter dem 1918 in Deutschland die Novemberrevolution stattfand, war wie bei der russischen Oktoberrevolution von 1917 das rote der sozialistischen Internationale. Die Mehrheitssozialdemokraten ((M)SPD) hatten nun die Wahl, entweder mit ihrer linken Abspaltung, den Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), aus denen die Kommunistische Partei (KPD) hervorging, ein Sowjetsystem nach mehr oder weniger russischem Vorbild durchzusetzen oder mit den Linksliberalen und dem Zentrum, mit denen sie bereits bei der Friedensresolution von 1917 zusammengearbeitet hatten, eine parlamentarische Ordnung nach dem Vorbild der Paulskirchenverfassung von 1849 zu schaffen. Die Mehrheitssozialdemokraten entschieden sich für die letztgenannte Möglichkeit.

Da die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) und das katholische Zentrum bürgerliche Parteien waren, war das Rotbanner für sie als Flagge des Deutschen Reiches indiskutabel. Aber auch gegen Schwarz-Weiß-Rot gab es in dieser sogenannten Weimarer Koalition Widerstände. Es waren halt die Farben des sogenannten Bismarckreiches. Otto v. Bismarck nahm man jedoch in der (M)SPD seine Sozialistengesetze, im Zentrum seinen Kulturkampf und in der DDP seinen Verfassungsbruch von 1862 übel. Als Alternative zu Schwarz, Weiß und Rot wurden deshalb die Farben der bürgerlich-liberalen Revolution von 1848 vorgeschlagen, Schwarz, Rot und Gold.

Wie die Linksliberalen fühlten sich auch die nach dem Ersten Weltkrieg in der Deutschen Volkspartei (DVP) zusammengeschlossenen Rechtsliberalen dem 48er Ideal des liberalen Nationalstaates verbunden, doch hatte, um es mit Wilhelm Kahl von der Deutschen Volkspartei zu sagen, "unter schwarz-rot-gold (…) die deutsche Reichseinheit Schiffbruch gelitten", wohingegen unter "schwarz-weiß-rot (…) die Reichs-einheit gewonnen" worden war. Noch kritischer als die Nationalliberalen beurteilten verständlicherweise die in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zusammengeschlossenen Konservativen den liberalen Reichseinigungsversuch von 1848 und damit auch dessen Farben Schwarz-Rot-Gold.

Außer der Konfession und dem politischen Standort spielte in der Flaggenfrage auch die regionale Herkunft eine Rolle. So genossen Schwarz-Rot-Gold als großdeutsche Farben im deutschen Süden, der im Deutschen Krieg auf österreichischer Seite gestanden hatte, relativ viele Sympathien, während sich in den nördlichen Teilen Deutschlands, die 1866 auf preußischer Seite gekämpft hatten, vergleichsweise viele Anhänger der aus dem preußischen Zweifarb und der Farbe Rot gebildeten schwarz-weiß-roten Trikolore fanden.

In den norddeutschen Seehandelsstädten wurde darüber hinaus Schwarz-Weiß-Rot als weithin sichtbares und weltbekanntes Prädikat für deutsche Tüchtigkeit und Qualität geschätzt. Hierauf reagierte die (M)SPD-geführte Reichsregierung, indem sie der verfassunggebenden Nationalversammlung die folgende Formulierung für den Artikel 3 vorschlug: "Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit einer Gösch in schwarz-rot-gold in der inneren oberen Ecke." Damit war die Hoffnung verbunden, den Bedenken der deutschen Seefahrt Rechnung zu tragen und trotzdem den Bruch mit dem gewesenen System zu symbolisieren. Am 3. Juli 1919 nahm die Konstituante den Kompromißvorschlag mit 211 gegen 90 Stimmen bei einer Enthaltung an.