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21.07.01 Neue IMs und die »Zwei-Zungen-Semantik«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Juli 2001


Gedanken zur Zeit:
Neue IMs und die »Zwei-Zungen-Semantik«
Bedenklicher Wandel einer Staatsschutzorganisation
von Hans-Joachim v. Leesen

Mit der üblichen Süffisanz berichtete jüngst der "Spiegel" über ein Treffen von Verfassungsschutz-Chefs, bei dem es um die Frage ging, "wo für das laufende NPD-Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht noch mögliche Zeitbomben ticken könnten." Erhebliche Beunruhigung habe es gegeben, als deutlich wurde, daß die Zahl der vom Verfassungsschutz in die NPD eingeschleusten Spitzel inzwischen einen solchen Umfang ange- nommen hat, daß, wie der "Spiegel" kolportiert, Beamte spotten, "manchen rechten Verband könne der Verfassungsschutz per einfachen Mehrheitsbeschluß auflösen."

Aber nicht nur die Masse der V-Leute ist bedenklich, sondern noch mehr die Tatsache, daß bis in die Bundesführung hinein maßgebliche NPD-Funktionäre vom Verfassungsschutz ferngelenkt werden.

Die Redakteure fassen noch einmal die in der letzten Zeit aufgeflogenen IMs zusammen und erwähnen etwa jenen stell- vertretenden NPD-Landesvorsitzenden von Thüringen, Brand, der gleichzeitig leitender Aktivist der Neonazi-Truppe "Thüringer Heimatschutz" war und darüber hinaus Sprecher der "Revolutionären Plattform", denen die NPD nicht radikal genug war. Tatsächlich handelte dieser Brand im Auftrage des Verfassungsschutzes ebenso wie ein Michael Grube, ehemaliger NPD-Kreisvorsitzender in Wismar, der sogar an einem Brandanschlag an einer Pizzeria in Grevesmühlen beteiligt war. Ein anderer V-Mann des Verfassungsschutzes baute in Mecklenburg-Vorpommern eine Wehrsportgruppe auf, ein weiterer war Leiter des Ordnungsdienstes in Berlin-Brandenburg. Was immer diese VS-Agenten taten, geschah im Auftrage des Geheimdienstes. Jetzt tauchen viele dieser Aktionen als "Beweis" für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD im Verbotsantrag auf. Alles in allem schätzt man, daß in der mitgliederschwachen NPD (nach Schätzungen des VS hat sie gerade mal 6500 Mitglieder, das sind nicht mehr als 7,3 Prozent der Mitglieder der PDS) 100 NPD-Funktionäre im Dienste des Verfassungsschutzes stehen.

Das Ganze ist ein schmuddeliges Bild, das eines Staates, der die Bezeichnung "Demokratie" nicht nur aus dekorativen Gründen trägt, unwürdig ist. Wir haben uns daran gewöhnt, die Flut von IMs des DDR-Staatssicherheitsdienstes als Beleg für den totalitären, freiheitsfeindlichen Charakter eines Unrechtsstaates zu werten. Dennoch nimmt es die deutsche Öffentlichkeit hin, daß das Spitzel-unwesen auch im wiederver- einigten Deutschland zu grassieren beginnt.

Die Begründung, daß solche Dunkelmänner nur eingesetzt werden, um die Verfassung zu schützen, sticht nicht. Die Methoden sind bereits nicht mehr verfassungskonform. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich der zur Abwehr nationalsozialistischer wie kommunistischer Untergrundarbeit in der Bundesrepublik gegründete Verfassungsschutz zu einem Instrument verwandelt, das außerparlamentarische Oppositionskräfte rechtzeitig ausschalten soll, bevor sie parlamentarische Erfolge erzielen. Das hat u. a. zur Folge, daß es, wie der ehemalige Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, formulierte, in Deutschland "eine Zwei-Zungen-Semantik" gibt. Im vertrauten Kreis äußert man sich politisch anders als öffentlich. Der vorsichtige Blick über die Schulter wird zur Angewohnheit. Seitdem der Bundeskanzler zum Kampf gegen alles, was politisch rechts steht, aufrief, hat sich ein Denunziatons-unwesen ausgebreitet – von der Einrichtung von Denunziationstelefonen bis zur Aufforderung an Soldaten der Bundeswehr, Kameraden zu denunzieren, die rechtsradikaler Gesinnung verdächtig sind – wie es freiheitlich Gesinnte nach 1945 nie wieder haben wollten. Auch unsere Landsleute in der ehemaligen DDR ersehnten sich in der Zeit der Gesinnungsschnüffelei nichts mehr, als daß die permanente Überwachung verschwindet.

Selbstverständlich muß die politische Auseinandersetzung mit den extremen Flügeln geführt werden, und zwar in aller Öffentlichkeit. Sie findet schon längst nicht mehr statt. Wann hat zum letzten Mal in einer Fernsehdis-kussionsrunde ein Rechter teilnehmen dürfen? In der Regel sitzen Linke zusammen, um unisono rechte Personen und Meinungen zu verdammen. Das ist kein demokratischer Stil.

So verwundert es nicht, daß immer mehr kritische Staatsbürger die Befürchtung äußern, unser Staat bewege sich in die Richtung einer DDR soft. Höchste Wachsamkeit ist geboten.