29.03.2024

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21.07.01 Deutschland zwischen Irrweg und beschwerlicher Suche Teil II

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Juli 2001


Betrachtungen:
Für einen neuen Aufbruch
Deutschland zwischen Irrweg und beschwerlicher Suche
von Gerd-H. Komossa
(Fortsetzung von Folge 28)

Der Arbeitsmarkt hat sich bisher nicht grundlegend verändert. Auch im Frühjahr 2001 gibt es annähernd so viele Arbeitslose wie in den Vorjahren, nämlich 3,7 Millionen. Und im Osten sind immer noch mehr als 20 Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit. Gleichwohl sind einige konkrete Bemühungen der Bundesregierung zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit anzuerkennen.

Die Inflationsrate liegt heute wieder bei drei Prozent, wie vor sieben Jahren. Das Wirtschaftswachstum nimmt ab. Wurde es noch vor drei Monaten vom Kanzler in Höhe von 2,8 Prozent erwartet, so liegt die Schätzung im Mai 2001 bei 2,2 Prozent.

Was im Bereich von Kunst und Kultur geschieht, ist oft bedrückend. Erfolg auf Bühne, im Film und Fernsehen hat meist nur noch, wer eine ordinäre, primitive und obszöne Sprache benutzt. Der wird mit öffentlichen Mitteln vom Kulturbeauftragten des Bundeskanzlers gefördert. Was können wir vom Fernsehen erwarten, wenn seine Mitarbeiter, wie der Fernsehmoderator Roger Willemsen, der sicher für viele Kollegen spricht, sagt: "Ich stamme aus einer linksliberal geprägten Vergangenheit, in der man Deutschland zu verachten hatte – und dafür gab es ja auch gute Gründe."

Wie schließlich in Deutschland mit Gottes Schöpfung umgegangen wird, ist oft ein Frevel. Von der Kunst zur Blasphemie ist es heute nur ein kleiner Schritt. Tote Menschen werden präpariert und öffentlich als Kunst ausgestellt. Aus dieser Einstellung heraus ist es verständlich, wenn es zu der Frage, ob 400 000 oder vier Millionen Rinder gekeult werden sollen, auch nur ein kleiner Schritt ist. Seuchen bei Mensch und Tier hat es immer gegeben, aber die Art ihrer Bekämpfung ist neu. Wo das Töten von Vieh als Preisregulativ eingesetzt wird, ist der Schritt zum Töten unwerten Lebens auch nicht mehr weit. Und wer weiß, ob nicht doch bald Wissenschaftler auch in Deutschland sich um die Schaffung des künstlichen Menschen bemühen. Damit nähern sie sich den Vorstellungen Stalins, den Menschen eines "neuen Typus" zu schaffen. Hinweise dafür erleben wir gegenwärtig in der Debatte um die Gentechnik. Ein nächster Schritt könnte sein, daß Wissenschaftler und Ärzte mehr Abtreibungen durchführen, um ausreichend Stammzellen für die Forschung zu gewinnen, für Manipulation am werdenden Menschen. Wir sollten nicht übersehen, daß mit Entnahme einer Stammzelle der Embryo getötet wird. Das Recht auf Leben aber bleibt das höchste Gebot, das nicht der Fortschrittsgläubigkeit geopfert werden darf. Ein Volk, das bereit ist, Embryonen zu "verbrauchen", um aus ihnen Medikamente zu gewinnen, hat die Grenzen der Schöpfung bereits überschritten, ist in einen Tabu-Bereich eingedrungen. Die Grenze dieser Forschung muß dort gezogen werden, wo menschliches Leben begonnen hat, auch belastetes Leben, so schwer dies für die Eltern ist.

Und wo bleibt dabei die Liebe zweier Menschen, aus der ein Kind geboren wird? Auch die Liebe zum behinderten Kind? Die Liebe von zwei Menschen, die nicht Nachwuchs konstruieren wollen mit besonderen Begabungen etwa, ohne Schönheitsfehler oder Behinderung, sondern mit ihrer Liebe Leben schaffen? Wer wagt es, hier Recht zu setzen? Es geht nicht darum, der Wissenschaft Möglichkeiten der Forschung zu verschließen, wenn dadurch menschliches Leid gelindert werden kann. Wenn eine Möglichkeit gefunden wird, Menschen vor schweren Schäden zu bewahren, dann muß dieser Weg gesucht werden. Aber in Verantwortung vor Gott! Es ist an der Zeit, einem blinden Fortschrittsfanatismus entgegen zu treten. Die falsche These der 70er Jahre, daß die Grenze des Wachstums erreicht sei, sollte nicht durch die gleiche falsche These vom "totalen Fortschritt" abgelöst werden. Weder in der Gentechnik noch bei der Aufnahme ausländischer Arbeitnehmer. Es ist der Geist in der Politik, der hier betroffen macht.

Zum Problem Nr. 1 in Deutschland ist die Staatsverschuldung geworden. Hatte sie noch im Jahre 1980 470 Milliarden Mark betragen, so ist sie 1999 auf 2,4 Billionen Mark angestiegen. Deutschland ist heute je Einwohner mit 30 000 Mark verschuldet, England nur mit 22 000 Mark. Auch das mag eine Folge davon sein, daß Deutschland für die EU mehr zahlt als jeder andere Staat Europas.

Nicht ohne Sorge muß man sehen, wie der Einfluß der 68er-Bewegung auf die Bevölkerung zunimmt. Längst haben die Protagonisten des damaligen Studentenaufstandes Schlüsselpositionen des Staates eingenommen. Sie haben im langen Marsch durch die Institutionen ihre Zwischenziele erreicht. Die traditionellen Werte Pflichtbewußtsein, Treue zum Land, Sparsamkeit in der Verwaltung werden immer mehr zurückgedrängt. Das mußten wir in allen Parteien erleben, von der Neuen Heimat bis Leisler Kiep. Tugenden, die in Deutschland über Jahrhunderte etwas galten, werden in den Medien lächerlich gemacht.

Ein Richter wird in das höchste Gericht des Landes berufen, der sich für den Genuß von Rauschgift ausgesprochen hatte und ein individuelles Recht des Bürgers auf Lustempfinden proklamierte. Vergessen ist auch heute, wie die 68er-Generation die Rolle der Frau sah, nämlich als austauschbares Lustobjekt in der Kommune. Und zum Anfangsprogramm einer heute in der Regierungsverantwortung stehenden Partei gehörte das Recht auf Sex mit Jugendlichen und Kindern. Die damaligen "Kinderläden" haben – wie Cohn-Bendit sagte – bei ihm und seinen Genossen ein "Lust-empfinden" ausgelöst.

Es soll hier nicht über Politik genörgelt werden oder über eine bestimmte Partei. Es sollte in einer Art Lagedarstellung eher Anregungen gegeben werden, über Deutschland nachzudenken und einiges zu ändern. Denn manches könnte besser sein in Deutschland. Der Wechsel demokratischer Parteien in der Regierungsverantwortung ist Kern der Demokratie, etwas ganz Normales. Doch muß man besorgt sein, wenn Politiker, die einmal eindeutig unseren Staat abgelehnt und bekämpft hatten, nun zunehmend Einfluß auf Politik und unser Rechtssystem nehmen. Die 68er waren nicht die Wegbereiter einer gefestigten Demokratie, sie nutzten vielmehr die Schwäche des Staates nach dem Tod eines Demonstranten in Berlin aus und trugen Gewalt in die Universitäten und auf die Straßen, zündeten Autos an, errichteten Barrikaden auf der Autobahn Frankfurt–Würzburg und steckten diese in Brand, warfen Schaufensterscheiben ein, legten Kaufhausbrände.

Diese Leute aus Frankfurt sollen uns Deutschen Demokratie wirklich geschenkt haben? In einer Zeit, als Willy Brandt und Helmut Schmidt Politik machten? Sie sollen, wie der Bundespräsident meint, "positive Impulse" gegeben haben? Der Präsident ist dankbar für "entscheidende Anstöße" von den 68ern. Wird wirklich vergessen, daß die Grenzen von den K-Gruppen der 68er und Roten Zellen zum Terrorismus seinerzeit fließend waren? Der Kommunistische Bund, dem damals ein heutiges Regierungsmitglied angehörte, war eine gefährliche Organisation, die von den abwehrenden Diensten und dem Bundeskriminalamt bekämpft wurden. BKA, Länderpolizei, Verfassungsschutz und MAD waren gegen sie im Einsatz. Nein, die Trittin und Ströbele und andere können unserer Jugend keine Vorbilder sein. Ihr arrogantes Auftreten wird eher Jugendliche abschrecken. Ihr Beispiel ist eher geeignet, daß sich Jugendliche weiter von der Politik abwenden und eigene Orientierung suchen, wenn es nicht anders geht, dann eben auch auf der Straße.

Der Bundespräsident kann, wie er sagt, nicht stolz sein auf unser Land. Nun, das ist seine Einstellung. Andere sind froh, Angehörige einer Nation zu sein, die auf den Gebieten von Kunst und Kultur, der Medizin, Wissenschaft und Technik Großes geleistet hat. Die These vom Nationalstolz der Deutschen ist eine semantische Konstruktion. Dem Deutschen, der sein Land liebt, geht es um das nationale Bewußtsein und weniger um Stolz. So denkt sicher auch Altbundeskanzler Schmidt, wenn er sagt: "Wer immer noch meint, pauschal auf die Generation der Soldaten, der Kriegsverstümmelten, der jungen Witwen, der Flüchtlinge und Vertriebenen, der Trümmerfrauen, auf die ganze Generation des Wiederaufbaus überheblich herabschauen zu dürfen, dem wäre zu raten, sich selbst Rechenschaft über seine eigenen Verirrungen abzulegen." Schmidt erinnert daran, daß diese 68er mit Mao-Bibeln als Symbol in der Hand demonstrierten, während zur gleichen Zeit "junge Garden Maos" schändliche Verbrechen begingen. Schmidt spricht von den "halbgebildeten Möchtegern-Intellektuellen und deren Arroganz". Klarer als Helmut Schmidt kann man es nicht sehen.

Nach jüngsten Erhebungen sind 61 Prozent der Deutschen "stolz, ein Deutscher zu sein". Dies zeigt, wie weit die Regierenden sich vom Denken und Empfinden unseres Volkes entfernt haben. Das gilt sicher auch bei Überlegungen, die frühere SED und jetzige PDS in die politische Verantwortung für ganz Berlin einzubeziehen. Willy Brandt und Ernst Reuter hätten sich dies nicht vorstellen können. Auch Gorbatschow hätte es 1990 nicht gedacht.

Was heute geschieht, könnte man als Verrat an der deutschen Einheit bezeichnen. Es ist eine Verhöhnung der Opfer der Teilung, der 800 an Berliner Mauer und Grenze Ermordeten, aller Menschen, die für die Überwindung des Kommunismus in Deutschland und Europa ihr Leben eingesetzt haben.

Die deutsche Einheit ist noch nicht vollendet. Viele übersehen, daß die Angleichung der Lebensbedingungen zwingend ist, allein weil sie in unserer Verfassung verankert ist. Die Lage in den neuen Ländern ist nicht rosig, aber sie steuert nicht auf eine Katastrophe zu. Mut machen Städte wie Dresden und Jena und auch viele andere in den neuen Ländern. Negativ ist die hohe Arbeitslosigkeit und die Abwanderung junger Menschen nach Westen. Auch rächt sich nun, daß wiederholt Fördermittel des Bundes zum Teil falsch eingesetzt wurden. So sind heute Korrekturen notwendig.

Wir brauchen in den neuen Ländern eine Produktions- und Dienstleistungswirtschaft, die wettbewerbfähig auf westlichen Märkten ist. Wenn dabei alte Verbindungen zu den osteuropäischen Ländern ausgebaut werden, kann dies nur von Nutzen sein.

In diesen Tagen jährte sich zum 60. Mal der Beginn des Rußlandfeldzuges. Der Zweite Weltkrieg endete vor einem halben Jahrhundert. Wir haben unsere zerstörten Städte wieder aufgebaut. Die Gotteshäuser haben wir wieder aufgebaut, die Burgen und Schlösser haben wir erhalten, aber bedürfen wir nicht doch immer noch – 56 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – eines geistigen Aufbaus? Der Geist, aus dem der Wiederaufbau der Kirchen und unserer Städte nach dem schrecklichen Krieg entstand, ging verloren, scheint es. Er muß erneuert werden.